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Schlacht von Tannenberg
"Sieggewohnte Fahnen ins Feindesland hineingetragen"

Vor hundert Jahren, am 30. August 1914, endete die Schlacht bei Tannenberg, der erste große Sieg der deutschen Armee an der Ostfront des Ersten Weltkriegs. Mit diesem Sieg begann der Aufstieg des preußischen Generals Paul von Hindenburg zum deutschen Nationalhelden.

Von Bernd Ulrich | 30.08.2014
    Blick auf einen Teil der nach der Schlacht von Tannenberg eingebrachten Kriegsbeute.
    Ein Blick nach der Schlacht von Tannenberg 1914. (picture-alliance / dpa)
    Die Schlacht begann am 26. August, und sie endete am 30. August 1914 mit der Einkesselung der 2. russischen Armee. Deren Befehlshaber, der Kavallerie-General Alexander Wassiljewitsch Samsonov, erschoss sich in einem Wald nahe des damals ostpreußischen Städtchens Willenberg. Noch am 23. August hatte er in einem Tagesbefehl ausgeführt:
    "Ich bin überzeugt, dass die mir anvertrauten Korps sich mit Deutschland, mit dem Feind unseres Mütterchen Russland und des gesamten Slawentums heldenhaft schlagen werden."
    Unmittelbar nach dem Sieg - um den Preis von mehr als 40.000 Toten und Verwundeten auf beiden Seiten - veröffentlichte der Chef der deutschen 8. Armee, Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, einen in allen Zeitungen des Reiches veröffentlichten Dankerlass. Drei Jahre später, schon längst zum "Helden von Tannenberg" mutiert, sprach der ab August 1916 als Chef der 3. Obersten Heeresleitung zum eigentlichen Herrscher in Deutschland aufgestiegene Hindenburg seinen Erlass für die Schallplatte und die Nachwelt ein:
    "Soldaten der 8. Armee! Die vieltägigen Kämpfe auf den weiten Gefilden zwischen Allenstein und Neidenburg sind beendet."
    In der Tat - so hätte die Schlacht in Ostpreußen heißen müssen: Schlacht bei Allenstein. Und so hieß sie auch zunächst, bis sie Hindenburg Anfang September 1914 nach dem kleinen Ort "Tannenberg" (heute das polnische Stembark) umbenannte. Zwar lag die Ortschaft nur am Rande des Kampfgebietes, bot aber einen unschlagbaren historischen Vorteil mit einem damals hohen Symbolgehalt: Bei Tannenberg hatte fast auf den Tag genau 500 Jahre zuvor, am 15. Juli 1410, ein litauisches und polnisches Heer die gepanzerte Ritter-Streitmacht des Deutschen Ordens vernichtend geschlagen. Die quasi zweite Schlacht bei Tannenberg sollte die Niederlage von damals vergessen machen. Denn der Sieg über die überraschend schnell in Ostpreußen einmarschierten und ein wahres Schreckensregiment ausübenden russischen Armeen war gewaltig, wie Hindenburg, an "seine" Soldaten gerichtet, nüchtern ausführte:
    "Ihr habt einen vernichtenden Sieg über 5 Armeekorps und 3 Kavalleriedivisionen errungen. Mehr als 90.000 Gefangene, ungezählte Geschütze und Maschinengewehre, mehrere Fahnen und viele sonstige Kriegsbeute sind in unseren Händen. Ich hoffe, Euch jetzt einige Tage wohlverdienter Ruhe lassen zu können. Dann aber geht es mit frischen Kräften wieder vorwärts mit Gott für Kaiser, König und Vaterland bis der letzte Russe unsere teure, schwergeprüfte Heimatprovinz verlassen hat und wir unsere sieggewohnten Fahnen ins Feindesland hineingetragen haben."
    Vorwärts mit Gott für Kaiser, König und Vaterland
    Mit dem Sieg bei Tannenberg begann die Verwandlung eines 66jährigen preußischen Generals zum "Nationalheros des deutschen Volkes". Ihm vor allem - unterstützt durch eine geschickte mediale Vermarktung und getragen von der Verehrung großer Teile der Bevölkerung - war es zu verdanken, dass den Menschen die Mühen des "Durchhaltens" in einem nicht endenden Krieg immer wieder abverlangt werden konnten. Die Aura des "Befreiers Ostpreußens" entfaltete ihre Wirkung bis weit in die 1920er und 1930er Jahre hinein. Sie bildete die Grundlage für die parteiübergreifende Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten im Jahre 1925 - und schließlich auch für seine verhängnisvolle Rolle als einer der "Steigbügelhalter Hitlers".
    Indessen - der eigentliche Kern des "Mythos Hindenburg", der Sieg bei Tannenberg, verdankte sich nicht dem strategischen Geschick des "greisen Feldmarschalls". Er war, wie sein neuester Biograf, der Historiker Wolfram Pyta, etwas salopp formulierte
    "Kein militärischer Kopf, sondern ein polierter Helm mit Pickelhaube, der zum Strategen Ludendorff passte."
    Entgegen dem zwar nervenstarken, aber phlegmatischen "Held von Tannenberg", war Erich Ludendorff, seinerzeit als Generalstabschef Hindenburg zur Seite gestellt, von ganz anderem Schlage. Kühl kalkulierend, in seinen Karriereambitionen von unermüdlichem Arbeitseifer, ungeduldig und in seinen Umgangsformen oft von kaum tolerierbarer Schroffheit - das war nicht der Stoff, aus dem Nationalhelden gewebt wurden.
    Golo Mann hatte schon Recht:
    "Dass Ludendorff der wahre "Sieger von Tannenberg" sei, das wussten bald alle, die es wissen wollten; aber das tat dem entstehenden Mythos keinen Abbruch. Wo sie zusammen standen, die zuversichtliche, kräftige Greisenautorität des einen und das Können des anderen, da musste es gut ausgehen."
    Es ging dann am Ende, trotz der Siege im Osten und des nicht zu gewinnenden Materialkrieges im Westen, doch nicht gut aus. Aber auch das tat dem Mythos keinen Abbruch.