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Schlachtfeld Meeresboden

Internet. - Am Dienstagabend hat sich das von einem Bürgerkrieg erschütterte Syrien aus dem Internet abgemeldet. Einige Internet-Routen konnten dann in der Nacht zu Donnerstag wieder in Betrieb genommen werden, wurden aber gestern im Laufe des Tages auch wieder erheblich gestört. Der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering berichtet im Gespräch mit Manfred Kloiber.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Kloiber: Was ist da los, Peter Welchering?

    Welchering: Es ist zumindest kein technisches Problem, nach dem, was wir wissen. Denn Aufständische, die auf Satellitenverbindungen zurückgreifen können, die haben gestern berichtet, dass nach ihrer Meinung Cybertruppen der Regierung Baschar Al-Assad Netzsperren gebaut haben. Die haben Internet-Knotenrechner lahmgelegt, um die Kommunikation der Oppositionstruppen im Bürgerkrieg zu stören. Das Handelsblatt berichtet zudem, dass die syrische Opposition die Internet-Abschaltung für eine direkte Angriffsvorbereitung halte.

    Kloiber: In der Presse war ja auch zu lesen, Syriens Regierung habe einfach den Stecker gezogen. Wie konnten denn Assads technische Schergen Twitter. facebook und vor allen Dingen die Mailserver, die von der Opposition benutzt werden, auf einen Schlag lahmlegen?

    Welchering: Dahinter steckt eine enorme Programmier-Fleißarbeit. Die Netze der einzelnen Internet-Provider, die arbeiten über ein Kommunikationsprotokoll zusammen, das sich Border Gateway Protocol nennt. In Syrien gibt es ungefähr 90 Netzwerkrouten, die in diesem Kommunikationsprotokoll festgelegt sind. Und die Regierung von Al-Assad hat nach Messungen von verschiedenen Internet-Dienstleistern, unter anderem Umbrella Labs hat gemessen, Akamai hat gemessen, Renesys, die alle haben gemessen, dass eben von diesen 90 Netzwerk-Routen 85 Routen nacheinander stillgelegt worden sind. Nur die Netzwerkrouten von Tata Communications waren gestern noch erreichbar. Aber da muss man wissen, deren Server stehen eben auch nicht in Syrien. So konnte die Regierung erreichen, dass Mailserver der Opposition und die sozialen Netzwerke eben in Syrien nicht mehr erreichbar waren.

    Kloiber: Wenn von den 90 Netzwerk-Routen nach und von Syrien 85 gesperrt waren und teilweise noch sind, gibt es ja noch fünf aktive Netzwerk-Routen, die funktionieren. Können Internet-Nutzer nicht einfach auf diese ausweichen?

    Welchering: Das wird ja auch teilweise versucht und teilweise wird das von Europa aus auch umgeswitcht. Theoretisch würde das funktionieren, aber praktisch ist das schwieriger, denn die Regierung Assad hat vorgesorgt. Die Datenbanken in den Domain Name Servern sorgen ja dafür, dass eine Servernamen wie Facebook.com in eine Internet-Protokoll-Nummer umgesetzt werden, also eine Art Internettelefonnummer. Und auch, wenn der Nutzer diese Internet-Protokoll-Nummer des Servers weiß und direkt eingibt, läuft die Verbindung über den Vermittlungsservice dieser Knotenrechner. Die Cybertruppe von Baschar Al-Assad hatte die Netzwerkrouten zu diesen Vermittlungsrechnern gefiltert und eben auf diese Weise ganz nachhaltig blockiert.

    Kloiber: Und hatten diese gezielten Abschaltmaßnahmen Auswirkungen auf den Internet-Verkehr in der restlichen Welt?

    Welchering: Ja, einige schon und zwar in Ägypten, und damit auch in Westeuropa. Ein wichtiges Unterseekabel für den Datenverkehr führt ja von Syrien nach Ägypten und landet in Alexandria an. Alexandria und insgesamt Ägypten ist eine enorm wichtige Internet-Schaltstelle in der Welt. Hier werden europäische, asiatische und afrikanische Netze zusammengeschaltet. Das Kabelsystem vor der Hafenstadt Alexandria heißt See-Mee-Wee-4 und wird mit einigem Recht als das Rückgrat des Internets zwischen Europa und Asien bezeichnet. Das Kabelsystem besteht aus mehreren Fiberglas-Unterwasserkabeln, die gehen von Marseille durchs Mittelmeer nach Alexandria und zum Teil eben von Syrien, von Tartus, nach Alexandria. Und von dort weiter über Dubai bis nach Singapur. Insgesamt sind unter Wasser rund 20.000 Kilometer Glasfaserkabel verlegt, so genannte Knoten- und Vermittlungsstellen in einigen Hafenstädten. Die sorgen für die notwendige Verstärkung der Signale und sind gleichzeitig Schnittstellen zu den Erdkabeln, Überlandkabeln und Satellitensystemen. Die Netzwerkrouten vom syrischen Tartus nach Alexandria sind gestört. Bisher kann der Datenverkehr von Europa nach Asien dennoch abgewickelt werden. Aber ägyptische Internet-Experten halten das für eine wackelige Angelegenheit.

    Kloiber: Ende März hatte die ägyptische Armee ja einen Sabotageakt auf ein Internetkabel vor der Küste von Alexandria gemeldet. Steht das in einem Zusammenhang mit den jetzigen Netzwerkabschaltungen in Syrien?

    Welchering: Es gibt Vermutungen, dass dieser Angriff auf das Netzwerkkabel erfolgt ist, weil es vorher im November 2012 eine Internetabschaltung in Syrien gab. Die war nicht erfolgreich. Die Opposition konnte hier sehr schnell umrouten, das hat keine 48 Stunden gedauert. Daraufhin schickte eben, wie vermutet wird, die syrische Regierung Leute los, die sollten das ganze analog, also per Trennen des Kabels durchführen. Das hat nicht geklappt, aber jetzt waren sie besser präpariert.