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Schlaf gut, Sendemast!

Mobilfunk.- Schätzungen zufolge verschlingt allein die Mobilfunk-Infrastruktur etwa zehn Terawattstunden jährlich. Wissenschaft, Netzwerkausrüster und Politik wollen gegensteuern und dem Mobilfunk das Sparen beibringen. Zu diesem Zweck startete vor zwei Jahren das Projekt ComGreen. Nun wurden die ersten Ergebnisse präsentiert.

Von Jan Rähm | 15.12.2012
    Müssen Sendemasten immer volle Leistung bringen? Nein, müssen sie natürlich nicht. Viel mehr müssten sich die Mobilfunknetze dem Verhalten der Nutzer anpassen. Zum Beispiel am Tage mit voller Leistung arbeiten und nachts nur die wenigen noch aktiven Handys bedienen. An Technologien, die das ermöglichen, wurde im Rahmen des Projekts ComGreen geforscht. Neben den Aspekten des Umweltschutzes, hat Projektleiter Steffen Bretzke vom Netzausrüster Ericsson aber eine ganz andere Motivation bei den Betreibern ausgemacht.

    "Also die Netzbetreiber investieren einen erheblichen Teil ihres Geldes in die Energiekosten. Es gab 2011 zum Beispiel alleine 135.000 Basisstationen in ganz Deutschland. Das bedeutet schon einen ganz erheblichen Energieverbrauch und die Operator würden schon gerne die Betriebskosten und die Energiekosten senken. Das tun die nicht, weil die politisch so engagiert sind, sondern weil sie einfach ihre Kosten reduzieren möchten."

    Nur wie realisieren? Darüber hat sich auch Nico Bayer von den Telekom Innovation Laboratories Gedanken gemacht. Vor ihm steht ein Gebilde, das entfernt an einen Flipperautomaten erinnert. Es ist ein sogenannter Demonstrator.

    "Der Aufbau zeigt auf eine vereinfachte Art und Weise ein Mobilfunknetz der heutigen Generation, bestehend aus zwei Zugangspunkten, in unserem Fall sind das WiFi-Access-Points, einem dahinter liegenden Transportnetz, in unserem Fall sind das drei Ethernet-Switches und einer Routerarchitektur dahinter, in unserem Fall ein einziger Router, der gleichzeitig aber auch die Intelligenz in unserem Netz darstellt, nämlich die Powermanagement-Komponente."

    Das Ziel von Nico Bayer und seinen Kollegen ist der sogenannte lastadaptive Betrieb der Mobilfunknetze. Dazu implementierten sie intelligente Mechanismen, die beispielsweise erkennen, wie viele Nutzer momentan im Netz angemeldet sind und welchen Kapazitätsbedarf und welche Bandbreite diese Nutzer gerade anfragen. Anhand dieser Informationen passen sie dann das Netz an.

    "Um das Ganze mal zu demonstrieren, haben wir zwei Endgeräte, wir haben ein iPad, was an dem rechten Access Point angebunden ist, und wir haben einen ganz normalen Rechner, der an dem linken Access Point angebunden ist."

    Auf beiden Geräten läuft ein Film. Den auf dem Laptop stoppt Nico Bayer per Klick auf den Pause-Knopf.

    "… ja und was wir jetzt zeigen, ist last-adaptive Rekonfiguration der Netze, indem ich ganz einfach den linken Stream des Laptops auf Pause stelle, dadurch wird der Kapazitätsbedarf im Netz reduziert, das ganze wird dann von unserer Power-Management-Komponente erkannt, und sie wird entscheiden, okay, der Kapazitätsbedarf im Netz ist geringer als zuvor, und ich kann Teile des Netzes in einen energiesparenden Modus fahren, um Energie zu sparen. Das Ganze muss ich natürlich so machen, dass der Nutzer davon nichts mitbekommt, und deswegen wird, bevor der linke access-Point ausgeschaltet wird, der Laptop von dem linken access-Point zum rechten Access-Point übergeben. Das ganze ist jetzt auch schon passiert, und wie wir hier auf der Visualisierung sehen können, hat sich unser Strom- oder Energiebedarf ungefähr halbiert."

    Wenige Sekunden später zeigt ein Messfeld auf einem Computerbildschirm, dass der Verbrauch der Komponenten deutlich absinkt. Startet das Video wieder, schaltet sich die Sendestation aus dem Standby innerhalb einer Minute wieder zu. Das allerdings ist eines der Probleme, mit denen die Entwickler in der praktischen Umsetzung noch zu kämpfen haben, ...

    "… weil diese Einschaltvorgänge einfach viel länger dauern – das kann bis zu einer halben Stunde dauern, bis eine Basisstation betriebsbereit ist. Das liegt ganz einfach daran, dass heutige Basisstationen für solche Energiesparmechanismen nicht vorgesehen sind. Aber ein Ergebnis des Projektes soll sein, entsprechende Anforderungen an unsere Hardware-Hersteller zu formulieren, um solche Mechanismen auch in zukünftige Hardware dann berücksichtigen zu können."

    Nicht nur die Dauer ist beim Wiederanschalten ein Problem. Sorgen bereitet Steffen Bretzke auch, ob die Anlagen die häufigen Schaltvorgänge schadlos überstehen.

    "Normalerweise wird erwartet, dass die Anlagen 365 Tage im Jahr funktionieren - ohne dass sie neu gestartet werden müssen oder sie unterwegs mal abstürzen. Deswegen ist es nicht so einfach, die Operator davon zu überzeugen, die Anlagen regelmäßig rauf und runter zu fahren in Abhängigkeit von der Auslastung. Man weiß auch nicht genau, ob das die Hardware jahrelang und jahrzehntelang mitmacht. Weil das sind ja große Investitionen, die da getätigt werden müssen. Die Anlagen funktionieren nicht nur zwei Jahre wie ein Handy, sondern eher zwölf bis 20 Jahre, bis sie ersetzt werden müssen."

    Zum Ende des Projekts ComGreen haben Entwickler in mehreren Arbeitsgruppen Lösungen gefunden, die zum Teil schon reif für die Praxis sind. Nun sind Netzwerkausrüster und Mobilfunkeranbieter gefragt, den Netzen das Sparen beizubringen.