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Schlaflabor für Fliegen

Biologie. - Alle Tiere und auch der Mensch tun es, doch warum, das ist Wissenschaftlern eigentlich nicht ganz klar: schlafen. Um mehr über die Bedeutung der Ruhe in Morpheus Armen zu erfahren, setzen Forscher jetzt auch auf Gene.

Von Volkart Wildermuth |
    Im Schlaflabor von Dr. Chiara Cirelli von der Abteilung für Psychiatrie an der Universität von Wisconsin wachen Computer über die Nachtruhe der Versuchspersonen. Manchmal sind das Menschen, öfter Mäuse und Hamster, doch sie alle fallen kaum auf neben einem wahren Heer von schlafenden Fruchtfliegen.

    "Fliegen haben einen Schlaf-Wach-Rhythmus genau wie wir. Nachts bewegen sie sich mehrere Stunden lang nicht und lassen sich dann auch kaum aufwecken. Sie sind erschöpft, wenn wir sie nicht schlafen lassen, ihre Hirnströme verändern sich wie bei Menschen und wenn man ihnen Kaffee gibt, können sie nicht schlafen. Der Schlaf der Fliegen ist dem Schlaf der Säugetiere sehr ähnlich."

    Fliegen haben zwei Vorteile: sie sind klein - ein Fliegenschlaflabor ist etwa so groß wie eine Füllerkappe - und sie vermehren sich noch schneller, als die sprichwörtlichen Karnickel. Damit sind sie die idealen Versuchstiere für genetische Studien. Chiara Cirelli hat inzwischen den Effekt von über 10.000 Genen auf das Schlafverhalten überprüft und dabei zehn Gene entdeckt, die die Nachtruhe deutlich verkürzen.

    "Diese Minischlaf-Fliegen brauchen nur drei, vier Stunden Schlaf statt der üblichen zehn bis 16 Stunden. Unglücklicherweise schlafen sie nicht nur kürzer, sie leben auch nicht so lange. Außerdem haben sie Probleme mit dem Gedächtnis. Sie können zwar neue Aufgaben erlernen, aber vergessen sie dann schnell. Dass passt zu anderen Befunden, nach denen Schlaf wichtig ist für das Stabilisieren von Erinnerungen. "

    Psychologische Experimente zeigen, dass Menschen zum Beispiel Vokabeln besser beherrschen, wenn sie über das neue Wissen erst einmal geschlafen haben. Und Mäuse, die den Weg durch ein Labyrinth lernen mussten, zeigen im Schlaf ganz ähnliche Muster von Hirnströmen wie beim aktiven Erforschen des Irrgartens. Im Schlaf wird also irgendwie weiter gelernt. Doch offenbar nach anderen Regeln als im Tageslicht. Das zeigte sich, als Chiara Cirelli verglich, welche Gene im Wachen und welche im Schlafen aktiv sind.

    "Bei Ratten und Mäusen, in Hamster und Fliegen sind im Wachzustand viele Gene aktiver, die Nerven besser verbinden und an der Gedächtnisbildung beteiligt sind. Umgekehrt arbeiten bei allen Arten im Schlaf Gene, die Verbindungen zwischen Nerven eher schwächen. "

    Das ist überraschend. Denn nachts werden ja die Lektionen des Tages irgendwie verstärkt. Vielleicht kommt es aber weniger auf die absolute Stärke der Gedächtnisverbindungen an als auf die Trennschärfe, darauf, dass Wichtiges im Gehirn enger verknüpft ist als Nebensächliches. Und dieses Ziel lässt sich im Schlaf mit einem ganz einfachen Mittel erreichen, vermutet Chiara Cirelli.

    "Wir denken, dass im Schlaf alle Nervenverbindungen ein wenig gelockert werden. Dadurch spart das Gehirn nicht nur Energie und Platz, sondern es steigert auch seine Leistung. Denn wenn man wach ist und lernt, stärkt man die wirklich wichtigen Verknüpfungen. Sie sind selbst dann noch stabil, wenn sie im Schlaf geschwächt werden. Unwichtige und instabile Verbindungen dagegen verschwinden ganz. "


    Am Morgen dann erwachen Fliege und Mensch und können sich mit ihren bereinigten Nervennetzen effektiv in das Tagesgeschäft stürzen.