"Osama bin Laden hat diesen Terroristen den Prinzen von Al Kaida im Irak genannt. Die Terroristen dieser Welt sollten ihm zuhören und gehorchen. Sarkawi hat eigenhändig amerikanische Geiseln enthauptet, und andere Zivilisten. Er wollte Amerika und seine Verbündeten besiegen und den Irak in einen sicheren Hafen für Al Kaida verwandeln. Er wollte den Irak spalten und einen Bürgerkrieg entfachen. Jetzt hat Sarkawi sein Ende gefunden. Dieser gewalttätige Mensch wird nie wieder morden."
US-Präsident Bush zum Tod Abu Mussab al Sarkawis. Ein Schlag gegen Al Kaida, ein wichtiger Tag für den Irak. Mit Anschlägen, Entführungen und Morden hat Sarkawi das Land an den Rand eines Bürgerkrieges getrieben. Sein Terrorfeldzug begann im Sommer 2003 mit einem Anschlag auf das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Bagdad. Wenige Tage später tötet eine Autobombe in Nadschaf mehr als 85 Menschen. Eines der Opfer: der einflussreiche, gemäßigte Schiiten-Führer Ayatollah al Hakim. Die Schockwellen dieser Anschläge gelten als Auslöser für den Aufstand der Sunniten im Irak. Al Sarkawi - ein Stratege des Terrors. Marc Thörner mit einem Rückblick:
Heute gegen neun Uhr deutscher Zeit meldeten die Nachrichtensender weltweit den Tod eines der meistgesuchten Terrorchefs der Welt; den Tod von Abu Musab al Sarkawi. Als Premierminister al Maliki die Abgeordneten des irakischen Parlaments darüber informierte, brach Jubel aus. Und in London erklärte Premierminister Tony Blair dies als einen schweren Schlag gegen das Terrornetzwerk Al Kaida:
"Der Tod al Sarkawis ist ein Schlag gegen Al Kaida im Irak und ein Schlag gegen Al Kaida überall"
In einer Gemeinschaftsaktion von US-Luftwaffe und irakischer Armee war der selbsternannte Al-Kaida-Repräsentant im Irak mit wichtigen Anhängern nach langer Suche nahe Bakuba aufgespürt worden. Das Ende einer Karriere, die vor drei Jahren begann.
Najaf im Herbst 2003. Vor der Imam-Ali-Moschee, dem wichtigsten Heiligtum der Schiiten, steht eine Gruppe Pilger und rezitiert die Namen der heiligen schiitischen Imame. Die bunt gekachelte Mauer der Moschee ist rußgeschwärzt. Mosaikteile sind herausgebrochen. Ein Bild des Schiitenführers Bakr al Hakim klebt, mit einem Trauerflor versehen, daneben. Rahim, ein Anhänger des Ermordeten, zeigt auf das Tor der Moschee.
"An dieser Stelle hat sich die Explosion ereignet. Sie hat Ayatollah Mohammed Bakr al Hakim und viele Menschen getötet, die ihn zum Freitagsgebet begleitet hatten. Es geschah, als er aus dieser Tür trat. Ein in der Nähe geparktes Auto explodierte, es war voller TNT und richtete all diese Zerstörungen hier an. Ayatollah Bakr al Hakim war einer der wichtigsten Widerstandskämpfer, die sich für den Sturz Saddam Husseins eingesetzt hatten. "
Bakr al Hakim hatte im iranischen Exil die SCIRI-Organisation gegründet, den Hohen Rat für eine islamische Revolution im Irak. Er war der populärste unter den religiös motivierten Gegnern Saddams und genoss unter den Irakern insgesamt großes Ansehen. Seine Ermordung löste wilde Spekulationen aus. Stand etwa al Hakims wichtigster Gegenspieler hinter der Tat, der junge Schiitenprediger Muqtada as-Sadr? Die Führung der Schiiten-Partei SCIRI ortete die Urheber schon damals ganz woanders. Scheich Bakr Humam al Hammudi vom Zentralkomitee von SCIRI:
"Der Anschlag hat sich vor der Imam Ali-Moschee ereignet, im Rajat, im heiligen Monat! Beim Freitagsgebet! Es ist undenkbar, dass ein Schiit dahinter steht! Dagegen haben wir Zeugen, die belegen können, dass es sich um eine logistisch hochpräzise Operation gehandelt hat, der offenbar ein ausgetüfteltes Training vorausging. Wir nehmen an, dass die Attentäter von außerhalb des Landes gekommen sind und dass sie sich auf Kräfte aus dem Innern des Irak gestützt haben."
Wer unter den Irakern wäre solch einer Gotteslästerung fähig? Wer könnte es wagen, am Grab des Propheten-Schwiegersohnes Ali eine Bombe zu zünden? Viele Iraker waren sich einig: Nur Atheisten, Ausländer oder völlig ungebildete, von Hass verzerrte Zyniker. In diesem Zusammenhang tauchte bald immer häufiger ein Name auf: Abu Musab al Sarkawi. Kein Zufall. Denn der palästinensische Afghanistan-Veteran, der den Irak als sein neues Betätigungsfeld entdeckt hatte, hatte neben den US-Amerikanern die Schiiten als den Hauptfeind ins Visier genommen. Wenige Monate nach dem Mord an Ayatollah Bakr al Hakim verkündete Sarkawi in einer Botschaft:
"Der Schlüssel zur Veränderung der Verhältnisse sind die Schiiten. Auf sie müssen wir zielen, sie müssen wir treffen, in ihrer religiösen politischen, militärischen Kapazität. Wir versetzen den Schiiten, wie ich dringend empfehle, Schlag um Schlag, lassen das Blut fließen. Dann können weder der irakische Regierungsrat noch die Amerikaner ihren Einfluss behalten."
In derselben Botschaft, die im Januar 2004 von der CIA abgefangen wurde, erklärte al Sarkawi seine Unterordnung unter das weltweite Netzwerk der Al Kaida und unter dessen Chef Bin Laden. Aus seiner Sicht nichts anderes als klare Kontinuität: Zusammen mit den Taliban kämpfte er in Afghanistan gegen die US-Truppen. Anschließend ging er in den Iran und half die dortige Al-Kaida-Gruppe aufzubauen. Nach den Bombenattentaten von Riad wurde Sarkawi im Mai 2003 auf Druck Saudi-Arabiens in Teheran unter Hausarrest gestellt, doch bald darauf wieder entlassen. Ihm wurde sogar sicheres Geleit über die Grenze zum Irak gewährt. Im Irak machte er sich daran, ein Terrorkonzept zu realisieren, dessen wichtigste Säule der Kampf zwischen den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften war. Der Mord an Bakr al Hakim, der auf das Konto von Sarkawi ging, markierte den Wendepunkt: Weg vom militärischen Kampf gegen die US-Truppen, hin zu einem Terror, der sich in erster Linie gegen Iraker richtet - und der den Tod Unschuldiger und Zivilisten ganz bewusst einkalkuliert.
Damals wurden die Weichen zu einer völlig neuen Dimension der Gewalt gestellt, die die Iraker völlig unerwartet traf. Im November 2003 zerstörte eine Bombe zu großen Teilen das Hauptquartier des Internationalen Roten Kreuzes in Bagdad. Dutzende Zivilisten kamen dabei ums Leben – allesamt Iraker. Moyad Yussuf, einer der dort stationierten Wachleute entging dem Tod wie durch ein Wunder:
"Wir haben stets mit Anschlägen oder Angriffen gerechnet. Aber nicht mit so etwas, nicht mit etwas derart Schrecklichem. Vielleicht, dass jemand den einen oder anderen von uns Wächtern beschießt oder ihn auf andere Weise zu töten versucht. Aber nicht mit so etwas. Aber das hier, das war anders als alle Anschläge, die sich bis dahin ereignet hatten. Es kam mir vor, als hätte jemand versucht, alle Menschen auf der Welt zu töten, jeden einzelnen von ihnen. Gegenüber dieser Rotkreuz-Station stand ein Gerüst. Es war voller Arbeiter, die gerade ein Haus renovierten. Die Arbeiter wurden regelrecht zerfetzt und an Wände geschleudert. Sehen Sie das Blut an den Wänden? Es ist nichts von ihnen übrig geblieben als winzig kleine Stück Fleisch. Man konnte nicht mehr erkennen, ob von Menschen, Tieren, oder ob es einfach Abfall war. "
Die Anschläge à la Sarkawi erwiesen sich zwar in einer Beziehung als höchst effizient: Sie säten tatsächlich Furcht, Schrecken und bald auch Zwist unter den Irakern. Sie bewirkten aber auch ein anderes Phänomen: Die meisten Iraker waren zwar höchst unzufrieden mit den Besatzern –- diese Art des Widerstands lehnten sie aber nicht minder ab.
"Das ist kein Widerstand, der die Besatzer aus dem Land treibt. Das ist Zerstörung, nichts als blinde Zerstörung."
Aus Sicht der national-irakischen Widerstandskämpfer waren die brutalen Aktionen des Ausländers Sarkawi in großen Teilen kontraproduktiv, diskreditierten sie doch einen Kampf, der für diese Art von Widerständlern legitim war. Nada ar-Ruba’i, Sprecherin der Iraqi Patriotic Alliance, einer Allianz irakischer Baathisten und Islamisten:
"Wir glauben nicht an eine Sarkawi-Gruppe im Irak. Wir glauben, dass es sich bei diesem Mann um ein Fantasieprodukt, um eine Hollywood-Figur handelt. Wir unterstützen den echten irakischen Widerstand, der die Invasoren, der die Besatzer bekämpft. Sarkawi eine wesentliche Rolle zuzuschreiben, ist lediglich die Strategie der Besatzer: Sie behaupten, es handele sich um kleine Gruppen, die aus dem Ausland eingesickert wären und die die Demokratie hassen. Aber das stimmt nicht. Der Widerstand bestand von Anfang an nicht aus irgendwelchen kleinen Gruppen, er kam aus der Bevölkerung, er wurde vom Mann auf der Straße getragen, von normalen Menschen, die gegen ihre Besatzung kämpfen."
Aus Sicht des nationalreligiösen-irakischen Widerstands der mehr als 90 Prozent des Widerstandes ausmacht, könnte sich der Tod Sarkawis sogar als etwas Positives erweisen. Er könnte ein Signal sein, die Selbstzerfleischung zu stoppen und sich wieder im gemeinsamen Kampf gegen die Besatzer zu vereinen.
Den Tod Sarkawis als den Anfang vom Ende des Widerstandes zu bezeichnen, wäre also übertrieben.
Viele Iraker haben heute gefeiert, als sie vom Tode des Al-Kaida-Mannes erfuhren. Doch es ist nicht zu erwarten, dass die tägliche Gewalt nun endet. Was bedeutet der Tod des Terroristen für den Irak und den Kampf gegen den Terror weltweit? Darüber habe ich mit Henner Fürtig gesprochen, dem Irak-Experten des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg. Meine erste Frage an ihn: Wo stand Sarkawi in der Hierarchie von Al Kaida und - wie wichtig war er?
Henner Fürtig: Also er war vor allen Dingen für Irak wichtig. In der Al-Kaida-Hierarchie kann man nur mutmaßen. Wir müssen auch davon ausgehen, dass er sich erst 2004 offiziell zur Zugehörigkeit zur Al Kaida bekannt hat. Vorher hat er versucht, im Irak auf eigene Rechnung zu arbeiten, und hat Verbindungen zur Al Kaida eigentlich eher geleugnet. Also müssen wir davon ausgehen, dass er das vor allen Dingen gemacht hat, um an dem Spendenfluss - vor allen Dingen was den Terror betrifft -. der an Al Kaida geht, davon ein größeres Stück Kuchen abzuschneiden. Das bedeutet also, dass er in der Hierarchie der Mutterorganisation selber, hierarchisch erst mal nicht die besonders große Rolle spielte.
Christina Janssen: Al Kaida ist ja weltweit betrachtet ein loses Netzwerk. Viele kleine und Kleinstgruppen agieren da mehr oder weniger eigenständig. Vermutlich gibt es auch keine klaren Befehlsstränge. War das den im Irak, wo Sarkawi Al Kaida dann, als er sich die Ideen von Al Kaida zu eigen gemacht hatte, geführt hat anders?
Fürtig: Nun, er war das bekannteste Gesicht des Terrors. Dafür hat er auch alles getan, um diesen Nimbus aufzubauen. Aber seine Organisation, die ja wie gesagt erst seit 2004 "Al Kaida im Zweistromland" offiziell heißt, war eben nur eine von drei weiteren großen Organisationen. Er war der bekannteste. Er ist ja erst vor wenigen Wochen mit einem Video wieder an die Öffentlichkeit gegangen, um seine Stärke zu demonstrieren, zu zeigen, dass er keine Angst hat, dass er sich frei bewegt. Er war die Symbolfigur des Terrors. Insofern ist seine Liquidierung natürlich auch eine besondere symbolische Aktion gewesen.
Janssen: Aber ist es denn auch mehr als Symbolik? Wie sehr wird Al Kaida, wie sehr wird der Terror im Irak denn durch den Tod Sarkawis nun geschwächt?
Fürtig: Also zunächst kann man sagen, dass ist ja gerade eine Eigenart, dieser Form von Terror, dass sie nicht strikt hierarchisch aufgebaut sind, also nicht dem Bild entsprechend, so des Spinnennetzes mit der Spinne im Zentrum, und wenn die Spinne tot ist, ist das Netz nutzlos. Sondern diese Organisationen, mit der Mutterorganisation Al Kaida als Vorbild, arbeiten ja eher horizontal, das heißt ohne strikte vertikale Strukturen. Man kann also davon ausgehen, dass diese Führungspositionen innerhalb kürzester Frist wieder aufgefüllt wird. Und wenn wir sehen, was wir jetzt in den letzten Stunden über das Internet verfolgen können, dann muss man auch sagen, dass wir eher für die nächsten Tage und Wochen befürchten müssen, dass es zu neuen Terroraktionen kommt, denn diese Organisationen schwören schlicht und einfach Rache.
Janssen: Das hat Al Kaida ja heute im Internet, wie Sie gerade sagen schon mehrfach angekündigt. Wird das denn voraussichtlich ein zeitlich vorübergehendes Phänomen sein, oder muss man jetzt tatsächlich langfristig mit einer weiteren Eskalation der Gewalt, nicht nur im Irak rechnen?
Fürtig: Al Sarkawi hatte vor allen Dingen eine Bedeutung für Irak. Was das für die Umgebung oder vielleicht sogar für Europa bedeutet, kann man jetzt schlecht abschätzen. Es kann möglicherweise eine etwas andere Farbgebung oder eine Stoßrichtung des Terrors geben. Sarkawi hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein fanatischer Schiitenhasser war. Das er vor allen Dingen wert darauf gelegt hat, die Rivalitäten zwischen den Konfessionsgruppen zu schüren, und möglicherweise einen Bürgerkrieg herbeizuführen, das war sein persönliches Anliegen. Es könnte sich also durchaus ergeben, dass ein Nachfolger die Schwerpunkte anders setzt. Aber am Terror selbst, wird sich mit Sicherheit nicht viel ändern.
Janssen: Sie sprechen schon von einem Nachfolger. Gibt es jemanden, der sozusagen in der Szene einschlägig bekannt ist, der als Nachfolger in Frage käme?
Fürtig: Nun, wenn das alles so offiziell wäre, dann wäre es keine Terrororganisation im Untergrund. Wichtig ist vor allen Dingen, dass man in der vergangenen Woche, das ist weniger bekannt geworden, einen seiner erklärten Stellvertreter, nämlich Kassim al-Ani verhaftet hat. Und also ich persönlich mutmaße, dass die Liquidierung Sarkawis wohl eng mit dieser Verhaftung zusammenhängt, denn ansonsten muss man sich fragen, warum ausgerechnet jetzt das Aufspüren gelungen ist.
Janssen: Welche Rolle könnte den Osama bin Laden dabei spielen, wenn es jetzt darum geht, die Lücke zu füllen. Denken Sie, er wird versuchen da Einfluss zu nehmen?
Fürtig: Also bisher ist es ja eher anders herum, dass sich bestimmte Terrorgruppen und auch einzelne Terroristen Al Kaida anschließen oder den Treueeid auf Osama bin Laden leisten und nicht anders herum, dass Osama einzelne Leute für bestimmte Regionen einsetzt. Es wird sich also im Irak jemand durch besonders brutale und besonders perfide Terroranschläge hervortun, um damit sozusagen zu behaupten, in die Fußstapfen Sarkawis zu treten. Denn Osama bin Laden verfügt einfach nicht über die logistischen Möglichkeiten, von Afghanistan oder Pakistan aus jetzt tatsächlich Einfluss auf Personalentscheidungen im Irak zu nehmen.
Janssen: Wenn man Sie so reden hört, dann hat man fast den Eindruck, dass das ein Pyrrhus-Sieg werden könnte, dieser Schlag, der nun gegen Sarkawi gelungen ist. Was wäre denn eine Alternative gewesen?
Fürtig: Nein, ich warne ja nur vor überzogenen Erwartungen. Ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass das von der Symbolik her durchaus ein Erfolg ist, denn man darf nicht vergessen, er hat ja genau mit dieser Videoverbreitung versucht, das Bild der Unbesiegbarkeit zu malen und seine Anhänger weiter zu motivieren. Dieses Bild ist natürlich nun in den Grundfesten erschüttert, insofern ist die Symbolik auf jeden Fall vorhanden und zeigt natürlich in dieser Auseinandersetzung auch ihre Wirkung. Mein Anliegen ist nur zu verdeutlichen, dass die Strukturen dieser Organisation es einfach nicht zulassen, dass mit einzelnen Führungspersönlichkeiten das Terrornetzwerk steht und fällt und davor muss man sich also hüten, vor diesen Erwartungen.
Janssen: Was kann denn die gerade erst gebildete irakische Regierung unter Nori al Maliki tun, um die Gewalt zu stoppen, um Schiiten und Sunniten zu einen?
Fürtig: Also, es ist ja schon mal ein Fortschritt, dass diese Regierung nun endlich steht, dass die Schlüsselpositionen nun endlich besetz sind. Das ist vier Wochen nach der offiziellen Regierungsbildung. Das sind ja alles Schritte, die natürlich unendlich mühsam vorangehen, aber die doch einen gewissen Fortschritt signalisieren. Wenn wir uns daran gewöhnen, Fortschritte im Irak mit ganz kleinem Maß zu messen, dann ist das auf jeden Fall ein Fortschritt und man muss auch sehen, die irakische Armee war offensichtlich an dieser Militäraktion in Bakuba beteiligt. Also auch daraus wird sie auch einigen Mut und einige Motivation schöpfen.
Janssen: Wie lange wird es noch dauern, bis die Iraker die Lage im Irak, in ihrem Land selbst unter Kontrolle haben können. Kann man da irgendwelche Prognosen geben?
Fürtig: Es hat sich ja in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass zu optimistische Prognosen sich in Luft aufgelöst haben, dass aber auch die totale Schwarzmalerei ebenfalls nicht angebracht ist. Viele Schritte, die ganz mühsam vorangebracht worden sind haben ja am Ende doch zu bestimmten Konturen und Strukturen der Rekonstruktion des Landes geführt. Wir werden uns weiterhin zwischen diesen beiden Polen bewegen, und Spekulationen sind eigentlich nicht besonders hilfreich.
Janssen: Noch einmal auf etwas zurückzukommen, was Sie vorher schon angedeutet hatten. Muss man jetzt möglicherweise im Westen mit Racheaktionen von Al Kaida rechnen?
Fürtig: Also, natürlich kann man daraus jetzt nicht direkt schlussfolgern, dass wir in eine akutere Phase von Gefahr getreten sind. Ich kann immer nur sagen, Sarkawis Bedeutung war insbesondere für Irak, auch im irakischen Kontext zu sehen. Ich sehe einfach keine direkte Verbindung zu möglichen Terroranschlägen in Europa. Wie gesagt, dafür war seine Bedeutung zu stark auf Irak konzentriert.
Janssen: Henner Fürtig vom Deutschen Orient-Institut zur Rolle des Top-Terroristen Abu Mussab al Sarkawi.
US-Präsident Bush zum Tod Abu Mussab al Sarkawis. Ein Schlag gegen Al Kaida, ein wichtiger Tag für den Irak. Mit Anschlägen, Entführungen und Morden hat Sarkawi das Land an den Rand eines Bürgerkrieges getrieben. Sein Terrorfeldzug begann im Sommer 2003 mit einem Anschlag auf das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Bagdad. Wenige Tage später tötet eine Autobombe in Nadschaf mehr als 85 Menschen. Eines der Opfer: der einflussreiche, gemäßigte Schiiten-Führer Ayatollah al Hakim. Die Schockwellen dieser Anschläge gelten als Auslöser für den Aufstand der Sunniten im Irak. Al Sarkawi - ein Stratege des Terrors. Marc Thörner mit einem Rückblick:
Heute gegen neun Uhr deutscher Zeit meldeten die Nachrichtensender weltweit den Tod eines der meistgesuchten Terrorchefs der Welt; den Tod von Abu Musab al Sarkawi. Als Premierminister al Maliki die Abgeordneten des irakischen Parlaments darüber informierte, brach Jubel aus. Und in London erklärte Premierminister Tony Blair dies als einen schweren Schlag gegen das Terrornetzwerk Al Kaida:
"Der Tod al Sarkawis ist ein Schlag gegen Al Kaida im Irak und ein Schlag gegen Al Kaida überall"
In einer Gemeinschaftsaktion von US-Luftwaffe und irakischer Armee war der selbsternannte Al-Kaida-Repräsentant im Irak mit wichtigen Anhängern nach langer Suche nahe Bakuba aufgespürt worden. Das Ende einer Karriere, die vor drei Jahren begann.
Najaf im Herbst 2003. Vor der Imam-Ali-Moschee, dem wichtigsten Heiligtum der Schiiten, steht eine Gruppe Pilger und rezitiert die Namen der heiligen schiitischen Imame. Die bunt gekachelte Mauer der Moschee ist rußgeschwärzt. Mosaikteile sind herausgebrochen. Ein Bild des Schiitenführers Bakr al Hakim klebt, mit einem Trauerflor versehen, daneben. Rahim, ein Anhänger des Ermordeten, zeigt auf das Tor der Moschee.
"An dieser Stelle hat sich die Explosion ereignet. Sie hat Ayatollah Mohammed Bakr al Hakim und viele Menschen getötet, die ihn zum Freitagsgebet begleitet hatten. Es geschah, als er aus dieser Tür trat. Ein in der Nähe geparktes Auto explodierte, es war voller TNT und richtete all diese Zerstörungen hier an. Ayatollah Bakr al Hakim war einer der wichtigsten Widerstandskämpfer, die sich für den Sturz Saddam Husseins eingesetzt hatten. "
Bakr al Hakim hatte im iranischen Exil die SCIRI-Organisation gegründet, den Hohen Rat für eine islamische Revolution im Irak. Er war der populärste unter den religiös motivierten Gegnern Saddams und genoss unter den Irakern insgesamt großes Ansehen. Seine Ermordung löste wilde Spekulationen aus. Stand etwa al Hakims wichtigster Gegenspieler hinter der Tat, der junge Schiitenprediger Muqtada as-Sadr? Die Führung der Schiiten-Partei SCIRI ortete die Urheber schon damals ganz woanders. Scheich Bakr Humam al Hammudi vom Zentralkomitee von SCIRI:
"Der Anschlag hat sich vor der Imam Ali-Moschee ereignet, im Rajat, im heiligen Monat! Beim Freitagsgebet! Es ist undenkbar, dass ein Schiit dahinter steht! Dagegen haben wir Zeugen, die belegen können, dass es sich um eine logistisch hochpräzise Operation gehandelt hat, der offenbar ein ausgetüfteltes Training vorausging. Wir nehmen an, dass die Attentäter von außerhalb des Landes gekommen sind und dass sie sich auf Kräfte aus dem Innern des Irak gestützt haben."
Wer unter den Irakern wäre solch einer Gotteslästerung fähig? Wer könnte es wagen, am Grab des Propheten-Schwiegersohnes Ali eine Bombe zu zünden? Viele Iraker waren sich einig: Nur Atheisten, Ausländer oder völlig ungebildete, von Hass verzerrte Zyniker. In diesem Zusammenhang tauchte bald immer häufiger ein Name auf: Abu Musab al Sarkawi. Kein Zufall. Denn der palästinensische Afghanistan-Veteran, der den Irak als sein neues Betätigungsfeld entdeckt hatte, hatte neben den US-Amerikanern die Schiiten als den Hauptfeind ins Visier genommen. Wenige Monate nach dem Mord an Ayatollah Bakr al Hakim verkündete Sarkawi in einer Botschaft:
"Der Schlüssel zur Veränderung der Verhältnisse sind die Schiiten. Auf sie müssen wir zielen, sie müssen wir treffen, in ihrer religiösen politischen, militärischen Kapazität. Wir versetzen den Schiiten, wie ich dringend empfehle, Schlag um Schlag, lassen das Blut fließen. Dann können weder der irakische Regierungsrat noch die Amerikaner ihren Einfluss behalten."
In derselben Botschaft, die im Januar 2004 von der CIA abgefangen wurde, erklärte al Sarkawi seine Unterordnung unter das weltweite Netzwerk der Al Kaida und unter dessen Chef Bin Laden. Aus seiner Sicht nichts anderes als klare Kontinuität: Zusammen mit den Taliban kämpfte er in Afghanistan gegen die US-Truppen. Anschließend ging er in den Iran und half die dortige Al-Kaida-Gruppe aufzubauen. Nach den Bombenattentaten von Riad wurde Sarkawi im Mai 2003 auf Druck Saudi-Arabiens in Teheran unter Hausarrest gestellt, doch bald darauf wieder entlassen. Ihm wurde sogar sicheres Geleit über die Grenze zum Irak gewährt. Im Irak machte er sich daran, ein Terrorkonzept zu realisieren, dessen wichtigste Säule der Kampf zwischen den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften war. Der Mord an Bakr al Hakim, der auf das Konto von Sarkawi ging, markierte den Wendepunkt: Weg vom militärischen Kampf gegen die US-Truppen, hin zu einem Terror, der sich in erster Linie gegen Iraker richtet - und der den Tod Unschuldiger und Zivilisten ganz bewusst einkalkuliert.
Damals wurden die Weichen zu einer völlig neuen Dimension der Gewalt gestellt, die die Iraker völlig unerwartet traf. Im November 2003 zerstörte eine Bombe zu großen Teilen das Hauptquartier des Internationalen Roten Kreuzes in Bagdad. Dutzende Zivilisten kamen dabei ums Leben – allesamt Iraker. Moyad Yussuf, einer der dort stationierten Wachleute entging dem Tod wie durch ein Wunder:
"Wir haben stets mit Anschlägen oder Angriffen gerechnet. Aber nicht mit so etwas, nicht mit etwas derart Schrecklichem. Vielleicht, dass jemand den einen oder anderen von uns Wächtern beschießt oder ihn auf andere Weise zu töten versucht. Aber nicht mit so etwas. Aber das hier, das war anders als alle Anschläge, die sich bis dahin ereignet hatten. Es kam mir vor, als hätte jemand versucht, alle Menschen auf der Welt zu töten, jeden einzelnen von ihnen. Gegenüber dieser Rotkreuz-Station stand ein Gerüst. Es war voller Arbeiter, die gerade ein Haus renovierten. Die Arbeiter wurden regelrecht zerfetzt und an Wände geschleudert. Sehen Sie das Blut an den Wänden? Es ist nichts von ihnen übrig geblieben als winzig kleine Stück Fleisch. Man konnte nicht mehr erkennen, ob von Menschen, Tieren, oder ob es einfach Abfall war. "
Die Anschläge à la Sarkawi erwiesen sich zwar in einer Beziehung als höchst effizient: Sie säten tatsächlich Furcht, Schrecken und bald auch Zwist unter den Irakern. Sie bewirkten aber auch ein anderes Phänomen: Die meisten Iraker waren zwar höchst unzufrieden mit den Besatzern –- diese Art des Widerstands lehnten sie aber nicht minder ab.
"Das ist kein Widerstand, der die Besatzer aus dem Land treibt. Das ist Zerstörung, nichts als blinde Zerstörung."
Aus Sicht der national-irakischen Widerstandskämpfer waren die brutalen Aktionen des Ausländers Sarkawi in großen Teilen kontraproduktiv, diskreditierten sie doch einen Kampf, der für diese Art von Widerständlern legitim war. Nada ar-Ruba’i, Sprecherin der Iraqi Patriotic Alliance, einer Allianz irakischer Baathisten und Islamisten:
"Wir glauben nicht an eine Sarkawi-Gruppe im Irak. Wir glauben, dass es sich bei diesem Mann um ein Fantasieprodukt, um eine Hollywood-Figur handelt. Wir unterstützen den echten irakischen Widerstand, der die Invasoren, der die Besatzer bekämpft. Sarkawi eine wesentliche Rolle zuzuschreiben, ist lediglich die Strategie der Besatzer: Sie behaupten, es handele sich um kleine Gruppen, die aus dem Ausland eingesickert wären und die die Demokratie hassen. Aber das stimmt nicht. Der Widerstand bestand von Anfang an nicht aus irgendwelchen kleinen Gruppen, er kam aus der Bevölkerung, er wurde vom Mann auf der Straße getragen, von normalen Menschen, die gegen ihre Besatzung kämpfen."
Aus Sicht des nationalreligiösen-irakischen Widerstands der mehr als 90 Prozent des Widerstandes ausmacht, könnte sich der Tod Sarkawis sogar als etwas Positives erweisen. Er könnte ein Signal sein, die Selbstzerfleischung zu stoppen und sich wieder im gemeinsamen Kampf gegen die Besatzer zu vereinen.
Den Tod Sarkawis als den Anfang vom Ende des Widerstandes zu bezeichnen, wäre also übertrieben.
Viele Iraker haben heute gefeiert, als sie vom Tode des Al-Kaida-Mannes erfuhren. Doch es ist nicht zu erwarten, dass die tägliche Gewalt nun endet. Was bedeutet der Tod des Terroristen für den Irak und den Kampf gegen den Terror weltweit? Darüber habe ich mit Henner Fürtig gesprochen, dem Irak-Experten des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg. Meine erste Frage an ihn: Wo stand Sarkawi in der Hierarchie von Al Kaida und - wie wichtig war er?
Henner Fürtig: Also er war vor allen Dingen für Irak wichtig. In der Al-Kaida-Hierarchie kann man nur mutmaßen. Wir müssen auch davon ausgehen, dass er sich erst 2004 offiziell zur Zugehörigkeit zur Al Kaida bekannt hat. Vorher hat er versucht, im Irak auf eigene Rechnung zu arbeiten, und hat Verbindungen zur Al Kaida eigentlich eher geleugnet. Also müssen wir davon ausgehen, dass er das vor allen Dingen gemacht hat, um an dem Spendenfluss - vor allen Dingen was den Terror betrifft -. der an Al Kaida geht, davon ein größeres Stück Kuchen abzuschneiden. Das bedeutet also, dass er in der Hierarchie der Mutterorganisation selber, hierarchisch erst mal nicht die besonders große Rolle spielte.
Christina Janssen: Al Kaida ist ja weltweit betrachtet ein loses Netzwerk. Viele kleine und Kleinstgruppen agieren da mehr oder weniger eigenständig. Vermutlich gibt es auch keine klaren Befehlsstränge. War das den im Irak, wo Sarkawi Al Kaida dann, als er sich die Ideen von Al Kaida zu eigen gemacht hatte, geführt hat anders?
Fürtig: Nun, er war das bekannteste Gesicht des Terrors. Dafür hat er auch alles getan, um diesen Nimbus aufzubauen. Aber seine Organisation, die ja wie gesagt erst seit 2004 "Al Kaida im Zweistromland" offiziell heißt, war eben nur eine von drei weiteren großen Organisationen. Er war der bekannteste. Er ist ja erst vor wenigen Wochen mit einem Video wieder an die Öffentlichkeit gegangen, um seine Stärke zu demonstrieren, zu zeigen, dass er keine Angst hat, dass er sich frei bewegt. Er war die Symbolfigur des Terrors. Insofern ist seine Liquidierung natürlich auch eine besondere symbolische Aktion gewesen.
Janssen: Aber ist es denn auch mehr als Symbolik? Wie sehr wird Al Kaida, wie sehr wird der Terror im Irak denn durch den Tod Sarkawis nun geschwächt?
Fürtig: Also zunächst kann man sagen, dass ist ja gerade eine Eigenart, dieser Form von Terror, dass sie nicht strikt hierarchisch aufgebaut sind, also nicht dem Bild entsprechend, so des Spinnennetzes mit der Spinne im Zentrum, und wenn die Spinne tot ist, ist das Netz nutzlos. Sondern diese Organisationen, mit der Mutterorganisation Al Kaida als Vorbild, arbeiten ja eher horizontal, das heißt ohne strikte vertikale Strukturen. Man kann also davon ausgehen, dass diese Führungspositionen innerhalb kürzester Frist wieder aufgefüllt wird. Und wenn wir sehen, was wir jetzt in den letzten Stunden über das Internet verfolgen können, dann muss man auch sagen, dass wir eher für die nächsten Tage und Wochen befürchten müssen, dass es zu neuen Terroraktionen kommt, denn diese Organisationen schwören schlicht und einfach Rache.
Janssen: Das hat Al Kaida ja heute im Internet, wie Sie gerade sagen schon mehrfach angekündigt. Wird das denn voraussichtlich ein zeitlich vorübergehendes Phänomen sein, oder muss man jetzt tatsächlich langfristig mit einer weiteren Eskalation der Gewalt, nicht nur im Irak rechnen?
Fürtig: Al Sarkawi hatte vor allen Dingen eine Bedeutung für Irak. Was das für die Umgebung oder vielleicht sogar für Europa bedeutet, kann man jetzt schlecht abschätzen. Es kann möglicherweise eine etwas andere Farbgebung oder eine Stoßrichtung des Terrors geben. Sarkawi hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ein fanatischer Schiitenhasser war. Das er vor allen Dingen wert darauf gelegt hat, die Rivalitäten zwischen den Konfessionsgruppen zu schüren, und möglicherweise einen Bürgerkrieg herbeizuführen, das war sein persönliches Anliegen. Es könnte sich also durchaus ergeben, dass ein Nachfolger die Schwerpunkte anders setzt. Aber am Terror selbst, wird sich mit Sicherheit nicht viel ändern.
Janssen: Sie sprechen schon von einem Nachfolger. Gibt es jemanden, der sozusagen in der Szene einschlägig bekannt ist, der als Nachfolger in Frage käme?
Fürtig: Nun, wenn das alles so offiziell wäre, dann wäre es keine Terrororganisation im Untergrund. Wichtig ist vor allen Dingen, dass man in der vergangenen Woche, das ist weniger bekannt geworden, einen seiner erklärten Stellvertreter, nämlich Kassim al-Ani verhaftet hat. Und also ich persönlich mutmaße, dass die Liquidierung Sarkawis wohl eng mit dieser Verhaftung zusammenhängt, denn ansonsten muss man sich fragen, warum ausgerechnet jetzt das Aufspüren gelungen ist.
Janssen: Welche Rolle könnte den Osama bin Laden dabei spielen, wenn es jetzt darum geht, die Lücke zu füllen. Denken Sie, er wird versuchen da Einfluss zu nehmen?
Fürtig: Also bisher ist es ja eher anders herum, dass sich bestimmte Terrorgruppen und auch einzelne Terroristen Al Kaida anschließen oder den Treueeid auf Osama bin Laden leisten und nicht anders herum, dass Osama einzelne Leute für bestimmte Regionen einsetzt. Es wird sich also im Irak jemand durch besonders brutale und besonders perfide Terroranschläge hervortun, um damit sozusagen zu behaupten, in die Fußstapfen Sarkawis zu treten. Denn Osama bin Laden verfügt einfach nicht über die logistischen Möglichkeiten, von Afghanistan oder Pakistan aus jetzt tatsächlich Einfluss auf Personalentscheidungen im Irak zu nehmen.
Janssen: Wenn man Sie so reden hört, dann hat man fast den Eindruck, dass das ein Pyrrhus-Sieg werden könnte, dieser Schlag, der nun gegen Sarkawi gelungen ist. Was wäre denn eine Alternative gewesen?
Fürtig: Nein, ich warne ja nur vor überzogenen Erwartungen. Ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass das von der Symbolik her durchaus ein Erfolg ist, denn man darf nicht vergessen, er hat ja genau mit dieser Videoverbreitung versucht, das Bild der Unbesiegbarkeit zu malen und seine Anhänger weiter zu motivieren. Dieses Bild ist natürlich nun in den Grundfesten erschüttert, insofern ist die Symbolik auf jeden Fall vorhanden und zeigt natürlich in dieser Auseinandersetzung auch ihre Wirkung. Mein Anliegen ist nur zu verdeutlichen, dass die Strukturen dieser Organisation es einfach nicht zulassen, dass mit einzelnen Führungspersönlichkeiten das Terrornetzwerk steht und fällt und davor muss man sich also hüten, vor diesen Erwartungen.
Janssen: Was kann denn die gerade erst gebildete irakische Regierung unter Nori al Maliki tun, um die Gewalt zu stoppen, um Schiiten und Sunniten zu einen?
Fürtig: Also, es ist ja schon mal ein Fortschritt, dass diese Regierung nun endlich steht, dass die Schlüsselpositionen nun endlich besetz sind. Das ist vier Wochen nach der offiziellen Regierungsbildung. Das sind ja alles Schritte, die natürlich unendlich mühsam vorangehen, aber die doch einen gewissen Fortschritt signalisieren. Wenn wir uns daran gewöhnen, Fortschritte im Irak mit ganz kleinem Maß zu messen, dann ist das auf jeden Fall ein Fortschritt und man muss auch sehen, die irakische Armee war offensichtlich an dieser Militäraktion in Bakuba beteiligt. Also auch daraus wird sie auch einigen Mut und einige Motivation schöpfen.
Janssen: Wie lange wird es noch dauern, bis die Iraker die Lage im Irak, in ihrem Land selbst unter Kontrolle haben können. Kann man da irgendwelche Prognosen geben?
Fürtig: Es hat sich ja in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass zu optimistische Prognosen sich in Luft aufgelöst haben, dass aber auch die totale Schwarzmalerei ebenfalls nicht angebracht ist. Viele Schritte, die ganz mühsam vorangebracht worden sind haben ja am Ende doch zu bestimmten Konturen und Strukturen der Rekonstruktion des Landes geführt. Wir werden uns weiterhin zwischen diesen beiden Polen bewegen, und Spekulationen sind eigentlich nicht besonders hilfreich.
Janssen: Noch einmal auf etwas zurückzukommen, was Sie vorher schon angedeutet hatten. Muss man jetzt möglicherweise im Westen mit Racheaktionen von Al Kaida rechnen?
Fürtig: Also, natürlich kann man daraus jetzt nicht direkt schlussfolgern, dass wir in eine akutere Phase von Gefahr getreten sind. Ich kann immer nur sagen, Sarkawis Bedeutung war insbesondere für Irak, auch im irakischen Kontext zu sehen. Ich sehe einfach keine direkte Verbindung zu möglichen Terroranschlägen in Europa. Wie gesagt, dafür war seine Bedeutung zu stark auf Irak konzentriert.
Janssen: Henner Fürtig vom Deutschen Orient-Institut zur Rolle des Top-Terroristen Abu Mussab al Sarkawi.