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Schlag gegen den öffentlichen Rundfunk

Rundfunkgebühren sind für die Polen ein lästiges Übel, das kaum jemand zahlt. Deshalb will die Tusk-Regierung sie nun ganz abschaffen und die öffentlichen Medien aus einem Fonds aus Haushaltsmitteln finanzieren. Der öffentliche Rundfunk wird quasi zum Sprachrohr der Regierung. Sowohl Medienvertreter, Künstler als auch die Oppositionspartei üben Kritik.

Von Jan Pallokat |
    Die rechtsliberale Bürgerplattform PO um Premierminister Donald Tusk hatte bereits im Wahlkampf versprochen, die unpopuläre Rundfunkgebühr zu streichen. Theoretisch muss jeder Pole binnen zwei Wochen nach Kauf eines Fernseh- oder Radiogerät dieses anmelden und dann eine Gebühr entrichten: für Radio und Fernsehen zusammen umgerechnet rund 50 Euro im Jahr. Praktisch aber zahlt nur eine Minderheit die Gebühr; nach verschiedenen Schätzungen dürfte nur etwa jeder Dritte das Salär entrichten. Kontrollen finden praktisch nicht statt.

    Der Vorschlag der Tusk-Regierung sieht vor, zunächst den polnischen Rentner von der Rundfunkgebühr zu befreien und sie dann ganz abzuschaffen. Stattdessen sollen die öffentlichen Medien künftig aus einem Fonds bezahlt werden, der aus Haushaltsmitteln gespeist wird - indirekt also eine Finanzierung durch den Staatshaushalt. Przemyslaw Gosiewski von der oppositionellen Kaczynski-Partei PiS ist damit nicht einverstanden.

    "Das Ende der Rundfunkgebühr ist ein Schlag gegen den öffentlichen Rundfunk. In ganz Europa werden die Sender in der Regel aus Gebühren finanziert. Unüblich ist es hingegen, dass die jeweilige politische Mehrheit das Budget bestimmt. Es wäre ein Kuriosum, einzelne Länder aus dem Haushalt zu finanzieren."

    Freilich war es mit der Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks Polens auch im bestehenden System nicht gut bestellt. Traditionell weht der politische Wind aus der Richtung, die die jeweilige Regierungsmehrheit in Warschau vorgibt. Nach der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Kaczynski-Brüder landeten landauf, landab Parteigänger der Kaczynski-Partei und ihrer Koalitionspartner in den bestimmenden Funktionen; das Programm drehte rasch auf Kaczynski-Kurs. Auch die Leitung des sogenannten Medienrates, einer Art Kontroll- und Verwaltungsbehörde, übernahm eine Kaczynski-Getreue, die inzwischen ausgeschieden ist. Der Reformansatz der Bürgerplattform PO sieht nun eine Reform eben dieses Rates vor. Zbigniew Chlebowski, Parteichef der PO, erläutert:

    "Der Medienrat soll die Gelder des zu schaffenden Medienfonds verwalten. Wir haben vorgesehen, dass die Mitglieder des Rats künftig nicht mehr von der Politik bestimmt werden, sondern von Kultur- und Journalistenverbänden. Die Idee ist, die öffentlichen Medien zu entpolitisieren. Der Medienrat soll sich auf professionelle Weise darum kümmern, dass die öffentlichen Medien ihre Aufgaben erfüllen, und er soll andererseits das Geld verwalten."

    Nur bleiben Zweifel, ob der Rat wirklich unabhängig agieren kann, wenn dessen Finanzmittel direkt aus den Budgets einzelner Fachministerien kommen, nach den Plänen der Regierung nämlich aus den Ressorts Kultur, Bildung, Außenbeziehungen und Forschung. Die Regierung Tusk, die derzeit auf einer Popularitätswelle reitet, verspürt bei diesem Thema Gegenwind, der beileibe nicht nur von der Opposition ausgeht. So wandten sich jetzt namhafte polnische Künstler in einem offenen Brief gegen das Vorhaben. Der öffentliche Rundfunk sei schwer zu reformieren, aber leicht zu ruinieren, heißt es in dem Schreiben, das etwa auch vom bekannten Filmregisseur Andrzej Wajda unterzeichnet worden war. Auch aus dem Rundfunk selbst erklingt Widerstand. Während das öffentliche Fernsehen weitaus mehr Geld aus Werbeeinnahmen erzielt als aus dem Gebührentopf, ist insbesondere das Radio zu zwei Dritteln gebührenfinanziert. Radiochef Krzystof Czabanski:

    "Die Regierung zielt darauf ab, uns ökonomisch zu schwächen, nur darum geht es beim Aus für die Gebühren. Wir hier im Radio können alles verlieren, Polskie Radio wäre am Ende."

    Die Kritik aus dem Rundfunklager zeigt aber immerhin eines: Die bisherige Praxis, nach dem Regierungswechsel auch die Verantwortlichen bei Radio und Fernsehen nach Parteibuch auszuwechseln, wurde von der neuen Regierung Tusk bislang nur teilweise wiederholt. Das mag sich womöglich ändern, wenn Tusks Reformansatz am Veto des Präsidenten Lech Kaczynski scheitert. Den Programmen selbst kann mehr Unabhängigkeit nur nutzen; ihre Linientreue zur Kaczynski-Zeit ist ihnen jedenfalls nicht bekommen: Zwar sind die beiden öffentlichen Fernsehprogramme TVP 1 und 2 noch immer Marktführer, aber sie haben in den letzten Jahren deutlich an die private Konkurrenz verloren, die gerade im Bereich von Nachrichten und Information ein durchaus ansprechendes Angebot entwickelt haben.