Archiv


Schlag gegen Parasiten

Sie gehören zu den "vergessenen Krankheiten" – obwohl sie gefährlich, oft sogar tödlich sind. Viele Millionen Menschen auf der Welt leiden an der Schlafkrankheit, der Chagas-Krankheit oder der Leishmaniose. Es gibt keine Impfungen gegen diese Parasiten-Erkrankungen. Medikamente wirken schlecht, oder sie sind sehr giftig. Internationale Forscher haben jetzt das Erbgut der drei Parasiten entschlüsselt. Die Forscher hoffen, jetzt neue Wirkstoffe entwickeln zu können.

Von Martin Winkelheide |
    Die Erreger der Leishmaniose, der Chagas-Krankheit und der Schlafkrankheit ähneln sich äußerlich sehr, sagt Najib El-Sayed vom Genom-Forschungszentrum TIGR in Rockville im US-Bundesstaat Maryland.

    " Die Parasiten sehen unter dem dem Mikroskop fast gleich aus. Unterainierte Ärzte können sie gar nicht auseinander halten. Trotzdem werden die Parasiten von unterschiedlichen Insekten auf den Menschen übertragen, sie haben ganz eigene Strategien, den Angriffen des Immunsystems zu entkommen und sie verursachen vollkommen unterschiedliche Krankheiten. "

    Die Frage für die Forscher war: wie ähnlich oder wie verschieden ist die genetische Ausstattung der Parasiten?

    " Der Vergleich der Genome zeigt uns, dass die Parasiten genetisch viel ähnlicher sind, als wir dachten. Wir finden bei ihnen rund 6200 gemeinsame Gene. Das ist ein aufregendes Ergebnis. Denn einige dieser 6200 Gene werden uns helfen, neue Medikamente zu entwicklen, die gegen alle drei Krankheiten gleichzeitig helfen könnten. "

    Und neue Medikamente werden dringend gebraucht, so Mathew Barriman vom Sanger Center des britischen Wellcome Trust.

    Es sei erschütternd, so Berriman, die Standardmedikamente zur Behandlung der tödlichen Schlafkrankheit etwa stammten aus den Jahren 1916 und 1946. Sie seien wenig wirksam und noch dazu hoch giftig. Wenig besser sei die Situation bei den Medikamenten gegen die Chagas-Krankheit und die Leishmaniose.

    " Es gibt keine wirklich neuen Wirkstoffe - seit über zehn Jahren. Es dauert lange, Ansatzpunkte für neue Medikamente zu finden und neue Wirkstoffe zu entwickeln. Unser Genomprojekt wird dies enorm vorantreiben. "

    Mathew Barriman ist deshalb so optimistisch, weil der Genomvergleich schon erste Hinweise auf mögliche Angriffspunkte für neue Wirkstoffe geliefert hat.

    " Wir haben mindestens vierzig Enzyme gefunden, die allen drei Parasiten gemeinsam sind. Diese Enzyme ähneln - anders als wir es erwartet haben - denen von Bakterien. "

    Und sie haben wenig Ähnlichkeit mit menschlichen Enzymen. Das heißt, es müsste möglich sein, Wirkstoffe zu finden, die verträglich sind und nur wenige unerwünschte Nebenwirkungen aufweisen. Solche Substanzen zu entwickeln und am Menschen zu testen, wird nach Ansicht Berrimans aber rund zehn Jahre dauern.

    Ein phantastisches Modell für internationale wissenschafltiche Zusammenarbeit - so das Fazit des Genomforschers Najib El-Sayed. 20 Forschungsinstitute, mehr als 200 Forscher aus sechs Kontinenten haben sich zu dem Parasiten- Genom-Projekt zusammen geschlossen - darunter viele Forscher aus Entwicklungsländern. Das Netzwerk geht auf die Initiative des Brasilianers Carlos Morel von der Oswaldo Cruz Stiftung in Rio de Janero zurück.

    " Das Genomprojekt ist ein akademisches Projekt. Die Herausforderung besteht jetzt darin, in den Entwicklungsländern entsprechende Impfstoffe, Medikamente und diagnostische Tests zu entwickeln. Wir brauchen eine eigene pharmazeutische Industrie, Qualitätsstandards und Regeln für die Zulassungsbehörden. Viel mehr also, als nur Forschung. "

    Die grossen Pharma-Unternehmen, so Morel, hätten kein Interesse an der Entwicklung von Medikamenten gegen die Schlafkrankheit, Chagas-Krankheit oder die Leishmaniose. Entwicklungsländer seien kein lukrativer Markt für die Konzerne. Die Entwicklungsländer seien jetzt gefragt, mit Hilfsfonds und Stiftungen als Partnern, ihre Gesundheitsprobleme selbst in die Hand zu nehmen und zu lösen.