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Schlagabtausch zwischen Mann und Frau

Thomas Jonigk neues Stück "Ach, da bist du ja!" kommt so leicht daher, wie der Titel klingt. Es verwirrt dennoch heftig: Sämtliche Figuren geraten in zig Parallelwelten ins Schleudern, man kommt kaum mit, wer sich gerade mit wem wo befindet.

Von Christiane Enkeler | 11.01.2010
    Ein Mann steht wartend auf der Bühne, breitbeinig, starr, wie ein lebensgroßes Eisenbahnfigürchen in eine echauffierte Haltung gegossen, als um den Bühnensockel herum eine zierliche Frau den größtmöglichen Umweg macht, mit zwei braunen Einkaufstüten bepackt, im Kostüm und mit hoch gesteckten Haaren schließlich über ein Treppchen hinaufstöckelt.

    Dort postiert sie sich in angemessener Duell-Entfernung, und die beiden lesen sich die Leviten. Sie beschimpfen sich aufs Übelste und können nicht glauben, dass der andere so dumm ist. Dass sie sich verpasst haben, liegt nicht nur daran, dass sie ein anderes Auto gesucht hat, als er eines fährt, sondern vor allem daran, dass sie gar nicht miteinander verheiratet sind. Sie haben schlicht ihre Ehepartner verwechselt. Diese Erkenntnis ändert sofort die Stimmung und die beiden kommen sich näher.

    Jahre später tauchen verwirrende Fragen mit neuem Partner wieder auf. Warum hat sie Freunde eingeladen? Wessen Freunde sind das? Wie unterscheiden sie sich von anderen Freunden? Oder hat er eingeladen?

    "Ein grundsätzlicher Willkommensgruß, um endlich Deine Ex-Männer kennenzulernen, mit denen ich offenbar schon seit Jahren befreundet bin. Das ist doch befremdlich, wenn man seine Freunde nicht kennt."

    Autor Thomas Jonigk hat schon andere Texte vorgelegt wie den monologischen Roman "Jupiter", hervorragend geschriebene, schwere Kost, die Gewalt und Ausbeutung thematisiert und den Leser (oder Zuschauer) hoch verstört zurücklässt.

    Sein neues Stück "Ach, da bist du ja!" kommt dagegen so leicht daher, wie der Titel klingt. Es verwirrt dennoch heftig: Sämtliche Figuren geraten zwischen zig parallelen Welten ins Schleudern, man kommt kaum mit, wer sich gerade mit wem wo befindet.

    Nun liegt in diesen unendlich vielen Überraschungsmomenten die Komik und darin, dass ein Schlagabtausch zwischen Mann und Frau nach Boulevardregeln ja sowieso oft zwischen Paralleluniversen stattfindet.
    Es kommt auch ein Kommissar und später eine Polizistin, es findet Totschlag statt und wird Mord gestanden.

    Vielleicht ist alles in einer anderen Wirklichkeit schon passiert. Oder in derselben. Oder es könnte auch sein, dass ein paar Ereignisse in Daniels Leben eintreten, weil er sie sich selbst schon prophezeit hat, das aber gerne als Naturgesetz sieht. Auch das passte zu seiner Interpretation der Quantenmechanik, dass der Mond nur dann existiert, wenn man hinguckt.

    Aber er muss sich auch viel wundern:

    "Meine Frau, bis vor Kurzem noch nicht lesbisch – verlässt mich wegen einer, die es auch nicht ist. Und die werden sogar noch glücklich. Der Mord an meiner Mutter, meinem Vater und meinem idiotischen Bruder, dem ich keine Träne nachweine, wird nie geahndet werden."

    Das schlichtweg Absurde der Szenen gießt Regisseur Stefan Bachmann mit seinem Team in viele kontemplativ schöne Bilder, à la Magritte. Sie zeigen etwas, was sie behaupten, nicht zu sein: Dies ist keine Ehefrau. Oder umgekehrt: Dies ist ein toter Kommissar. Immer wieder tritt jemand auf den Lichtschalter der heimeligen Wohnzimmerlampe und beleuchtet eine ganz andere Wirklichkeit. Während man im Dunkeln immer dasselbe Geräuschmuster schlurfender Schritte hört, das aber nie mit einem logischen Ergebnis verbunden ist – Bachmann spielt hintergründig mit Erwartungshaltung und Motiven.

    Der Text verliert sicher, wenn er nur als Boulevardkomödie aufgeführt wird.

    Allerdings ist der Humor irgendwann auch "angekommen". Wer kein Vergnügen an solchen Spielereien hat und wer nicht in so einer guten Inszenierung sitzt, für den kann das Stück auch sehr lang werden.

    Infos:
    Düsseldorfer Schauspielhaus