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Schlaganfall
Ärzte warnen vor frauenspezifischen Risiken

Frauen haben sich in ihrem Lebensstil den Männern angenähert. Das betrifft sowohl den Beruf und den Stress im Alltag als auch den Zigarettenkonsum. Insofern sind viele Risikofaktoren für die Gesundheit bei Frauen und Männern gleich. Es gibt jedoch einige frauenspezifische Aspekte, die die US-amerikanische Herzgesellschaft nun veranlasst haben, die erste Schlaganfall-Leitlinie für Frauen zu veröffentlichen.

Von Michael Engel |
    Die Station 43 c der Medizinischen Hochschule Hannover - die "Stroke Unit" - wird von Karin Weissenborn geleitet. Frauen, sagt die Professorin, erlitten den Schlaganfall statisch gesehen fünf Jahre später als Männer. Deshalb seien sie in der Regel älter, wenn sie in die "Stroke Unit" kämen, doch die Behandlung sei für alle identisch. "Die Lysetherapie wird gewichtsadaptiert durchgeführt", erläutert Prof. Karin Weissenborn. "Dort gibt es keinen Unterschied, ob Mann oder Frau. Die Blutdruckmedikamente sind bei Männern und Frauen die gleichen. Da machen wir keine Unterschiede."
    Unterschiede gibt es gleichwohl. Nicht bei der Behandlung, wohl aber in Sachen Vorbeugung. Denn Frauen haben bei Problemen während der Schwangerschaft ein höheres Risiko für einen Schlaganfall. So empfiehlt die US-amerikanische "Heart Association" bei vorbestehender Hypertonie eine Blutdrucksenkung mit ASS und Kalziumpräparaten. Diese Empfehlung gelte längst auch in Deutschland, sagt der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, Dr. Christian Albring. "Bei prädisponierten Frauen in der Schwangerschaft ist das sicherlich eine adäquate Therapie. Da gibt es mehrere Studien. Die eine hat insbesondere im Vergleich einer Therapie vor der 19. Schwangerschaftswoche und nach der 19. Schwangerschaftswoche zeigen können, dass Acetylsalizylsäure - ASS 100 - eine tolle Wirkung zeigen kann."
    Deutschland ist Vorreiter bei Schwangeren-Therapie mit ASS
    So wie der Berufsverband der Frauenärzte empfiehlt auch die "Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe" schon seit vielen Jahren eine ASS-Dosierung bei einem Blutdruck ab 150/100 in der Schwangerschaft. Dieser Tage nun gibt die "American Heart Association" eine Leitlinie mit eben diesen Werten heraus. "Man muss sagen, die Welt hinkt hinter Deutschland hinterher", sagt dazu Dr. Albring. "Hier hat die junge Frau schon mit zwölf oder zehn Jahren das Anrecht auf eine Beratung zur Kontrazeption. Und es wird immer auch der Blutdruck gemessen. Insofern ist das für die Frauen hier in Deutschland nichts Ungewöhnliches."
    In beiden Ländern gilt die Empfehlung einer regelmäßigen Blutdruckkontrolle, wenn die Anti-Baby-Pille eingenommen wird. Die US-Kardiologen zählen auch Diabetes, Depressionen und Stress zu den einschlägigen Risiken. Auch Migräne mit Aura erhöht das Schlaganfallrisiko bei Frauen. Voneinander abweichende Ansichten gibt es bei der hormonellen Ersatztherapie nach der Menopause. Amerikanische Fachgesellschaften raten grundsätzlich davon ab. Nicht so in Deutschland, wie Dr. Albring erläutert: "Das liegt vielleicht daran, dass in den USA von den Kardiologen eine Studie aufgelegt wurde, die 'Women Health Initiative Study', die eben gezeigt hat, dass manche Frauen in den Wechseljahren Schlaganfall-gefährdet waren. Aber das waren in der Mehrzahl solche Frauen, die spät angefangen haben mit der Hormonersatztherapie."
    In Deutschland gilt die Leitlinie "Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause" - verbunden allerdings mit einer strengen "Risiko-Nutzen-Abwägung". So darf die Hormonersatztherapie zum Beispiel zur Prävention der Osteoporose eingesetzt werden, nicht aber zur "allgemeinen Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität". Hormone erhöhen das Brustkrebsrisiko und die Gefahr für Schlaganfälle. Das - so die Leitlinie - gilt es abzuwägen. Karin Weissenborn: "Man hat früher ja gedacht, weil bei den Frauen der Schlaganfall fünf Jahre später auftritt, dass das möglicherweise etwas mit der anderen hormonellen Ausstattung der Frau zu tun hat. Und dass es von daher gut wäre, wenn man den Frauen noch etwas länger diese Hormone zuführt und damit das Schlaganfall-Risiko noch weiter senken könnte. Das Gegenteil war der Fall. Und deswegen hat man jetzt gesagt, nein, also bitte, versucht, ohne Hormone auszukommen in der Postmenopause."