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Schlagartig widerstandslos

Kabel, die Strom verlustfrei leiten und dadurch superstarke Magneten und Elektromotoren möglich machen. Das sind die Perspektiven der Hochtemperatur-Supraleiter. So nennt man eine Klasse von Keramiken, die vor 25 Jahren entdeckt wurde und allmählich in die Praxis Einzug hält. Nur: Warum diese Keramiken überhaupt supraleitend sind, ist den Experten nach wie vor nicht so recht klar. Licht ins Dunkel bringt nun ein Experiment in Hamburg: Dort schossen Physiker ultrakurze Laserblitze auf eine Keramik - und machten eine verblüffende Beobachtung.

Von Frank Grotelüschen |
    Andrea Cavalleri steht in seinem Labor am CFEL in Hamburg, dem Center of Free-Electron Laser Science. Die Lüftung rauscht und es ist schummrig, dennoch hat der italienische Physikprofessor eine Art Sonnenbrille auf. Ihre getönten Sicherheitsgläser schützen das Auge vor unsichtbarer Laserstrahlung. Denn:

    "In diesem Labor haben wir mehrere große Laser - und zwar Laser, die extrem kurze Blitze erzeugen. Kurz bedeutet: Die Blitze sind nur einen Bruchteil eines Millionstel von einer Millionstelsekunde lang."

    Mit diesen ultrakurzen Laserblitzen hat Cavalleris Team eine der spannendsten Materialklassen der Physik untersucht - die Hochtemperatur-Supraleiter. Das sind Keramiken, die ihren Widerstand komplett verlieren und Strom verlustfrei leiten. Man kann aus ihnen verlustfreie Stromkabel machen. Oder man kann sie zu Spulen wickeln, die als ultrastarke und energiesparende Magneten fungieren. Allerdings muss man die Keramiken, damit sie supraleitend werden, kühlen, auf etwa minus 200 Grad. Doch das soll nicht das Ende sein, sagt Cavalleri.

    "Es gibt ein regelrechtes Wettrennen um immer höhere Temperaturen - mit dem Ziel, Materialien zu finden, die bei Raumtemperatur supraleitend sind. Dann müsste man sie nicht mehr kühlen, was für die Technik natürlich hochinteressant wäre. Deshalb werden Hochtemperatur-Supraleiter intensiv erforscht - wobei immer noch nicht ganz klar ist, warum diese Stoffe überhaupt supraleitend sind."

    Einiges aber wissen die Physiker schon: Zwei Schritte sind nötig, damit das Material supraleitend wird: Erstens müssen sich die Elektronen in ihm zu Zweierpärchen zusammentun, Cooper-Paare genannt. Und zweitens müssen sich diese Cooper-Paare dann miteinander synchronisieren, müssen sich einhaken und im Gleichschritt marschieren. Nur: Wie diese beiden Schritte im Detail ablaufen, darüber streitet die Fachwelt noch.

    "Manche Experten glauben, dass sich die Elektronen eigentlich liebend gerne synchronisieren würden. Aber irgendwas im Material scheint sie daran zu hindern. Mit unserem Experiment wollten wir herausfinden, ob man dieses Hindernis nicht mit Hilfe von Laserlicht aus dem Weg räumen kann."

    Als Hindernis entpuppte sich die spezielle Schichtstruktur jener Keramik, mit der die Forscher experimentierten. Bildlich gesprochen waren manche der Schichten nicht glatt, sondern gewellt wie ein Stück Wellpappe. Genau das schien die Synchronisierung der Elektronen zu verhindern, und damit die Supraleitung. Doch dann schossen die Forscher einen kurzen, präzise abgestimmten Lichtblitz in die Keramik.

    "Dabei passierte Folgendes: Unser Lichtblitz bügelte die Wellpappe regelrecht glatt. Dadurch wurde das Material supraleitend, und zwar schlagartig. Danach dann blieb die Keramik relativ lange supraleitend, für eine Millionstelsekunde."

    Der Lichtblitz schaltete die Supraleitung ein, und zwar überraschend schnell. Andrea Cavalleri wertet das als Zeichen dafür, dass sich die Elektronen in der Keramik bereits zu Cooper-Paaren zusammengetan haben und nur drauf lauern, sich zu synchronisieren.

    "Über technische Anwendungen lässt sich zumindest spekulieren, etwa für den Einsatz von Hochtemperatursupraleitern in starken Magneten. Man könnte sich vorstellen, das Magnetfeld mit Licht extrem schnell ein- und wieder ausschalten zu können."

    Doch vor allem könnte das Ergebnis helfen, Supraleiter besser zu verstehen und neue Generationen von Keramiken zu entwickeln, um einen alten Traum zu verwirklichen - ein Supraleiter, den man nicht mehr auf Eiseskälte kühlen muss, damit er funktioniert.