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Schlappe für Telekom-Kleinaktionäre

Tausende Kleinanleger griffen Ende der 90er Jahre zu, als die Telekom an die Börse ging. Der Wert der sogenannten Volks-Aktie sank aber rapide. Die Aktionäre fühlten sich betrogen - und klagten gegen die Telekom. Der Vorwurf: Sie seien über die Risiken des Papiers nicht ausreichend informiert worden.

Von Michael Braun | 16.05.2012
    Der Börsenplatz war ganz in Magenta gehüllt, Licht- und Tonspiele erfüllten den Raum rund um Bulle und Bär. Die Deutsche Telekom hatte schon 1996 bei ihrem ersten Börsengang Kosten und Mühe nicht gescheut, um ihre Aktie zur Volksaktie zu machen. Später warb auch der Schauspieler Manfred Krug. Werbung für das Papier, was er heute bereut. Anleger ein Opfer von Werbefeldzügen? Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt heute nicht akzeptiert. Die Deutsche Telekom habe im Börsenprospekt für ihren dritten Börsengang im Jahr 2000 nichts falsch dargestellt, nicht ihre Vermögenslage, nicht ihren Immobilienbesitz, auch nicht die möglichen Risiken, die sich aus der damals noch nicht offiziell bekannten, aber schon verhandelten Übernahme der amerikanischen Mobilfunkgesellschaft Voicestream ergeben könnten. Der Anwalt der Deutschen Telekom, Bernd-Wilhelm Schmitz, beantwortete jede Frage mit der gleichen stoischen Antwort:

    "Ich kann nur nochmals bestätigen, dass wir mit dem heutigen Ergebnis sehr zufrieden sind und freuen uns natürlich, dass das Oberlandesgericht dem uneingeschränkt gefolgt ist und sich damit alle Vorwürfe gegen die Deutsche Telekom als substanzlos erwiesen haben."

    Die Kläger also sind unterlegen. Es waren solche wie dieser hier, der vor zwölf Jahren 66.50 Euro je Telekom-Aktie gezahlt hatte, danach den Kurs nur fallen sah und seine Aktien an die Telekom zum Ausgabepreis zurückgeben wollte.

    "Sicherlich wäre es sehr angenehm, wenn ich einen Teil des investierten Geldes zurückbekommen könnte. Aber es geht mir hier in erster Linie auch ums Prinzip. Die Anlegerrechte in Deutschland sind eben einfach nicht gut. In den angelsächsischen Ländern, sagt man mir, ist alles viel besser. Da wird zwar auch geschummelt, aber die Leute kommen dann hinter Schloss und Riegel. Und die Unseren machen alle weiter."

    Deshalb hatte er wie gut 17.000 andere zwischen 2001 und 2004 gegen die Telekom geklagt, hatte erlebt, wie das Gericht, um der Klageflut Herr zu werden, auf ein neues Gesetz wartete, um Musterklagen verhandeln zu können. Peter Gundermann aus der Kanzlei Andreas Tilp vertrat diese Musterkläger:

    "Beide haben über eine Million Euro verloren in diesen Börsengängen, zweiter und dritter Börsengang. Und sie werfen der Telekom vor, dass sie hier getäuscht wurden im Rahmen der Börsengänge, dass sie hier fehlerhaft prospektiert hat, insbesondere fehlerhaft informiert hat über ihr Immobilienvermögen."

    Das Oberlandesgericht Frankfurt gab ihnen heute nicht Recht. Die vorsitzende Richterin, Birgitta Schier-Amann, entschied, im Börsenprospekt habe es Fehler nicht gegeben. Dabei habe das Gericht den "bilanzkundigen Leser zu Grunde gelegt." Das hat den Anwalt der Kläger, Rechtsanwalt Andreas Tilp, auf die Palme gebracht. Er sagte nach dem Urteil:

    "Aus unserer Sicht muss man auf einen durchschnittlichen unerfahrenen Anleger abstellen, der keine Bilanz lesen kann. Das Oberlandesgericht meint jedoch, dass ein Anleger eine Bilanz lesen und verstehen können muss. Das kann noch nicht einmal die Mehrzahl der Richter am Oberlandesgericht, nach unserer festen Überzeugung."

    Tilp will nun vor den Bundesgerichtshof ziehen. Die Beschwerde sei schon eingereicht. Außerdem erinnerte er daran, schon 2003 ein Urteil erstritten zu haben, wonach Rechtsschutzversicherungen die Telekom-Klagen ihrer Kunden decken müssten.