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Schlecht für die Kunden, gut für die Versicherungen

Eine Gesetzesänderung bei Lebensversicherungen kann für viele Kunden zu deutlichen Einbußen führen. Schuld daran ist, dass die stillen Reserven auf fest verzinsliche Wertpapiere nicht mehr eingerechnet werden. Verbraucherschützer Niels Nauhauser glaubt, die Regierung sei der Versicherungslobby einmal mehr auf den Leim gegangen.

Fragen von Britta Fecke an Niels Nauhauser | 05.12.2012
    Britta Fecke: Am 8. November beschloss der Deutsche Bundestag eine Gesetzesnovelle, die für viele Kunden von Lebensversicherungen eine harte Einbuße bedeuten könnte. In der Gesetzesänderung heißt es, dass ausscheidende Kunden von Lebensversicherungen in Zukunft nicht mehr automatisch mit der anteiligen Hälfte der stillen Reserve auf fest verzinsliche Wertpapiere beteiligt werden. Viele werden nicht verstehen, was damit gemeint ist und welche Auswirkungen diesem für Laien schlecht verständlichen Satz noch folgen könnten.

    Deshalb fragen wir an dieser Stelle Niels Nauhauser, er ist Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg. Herr Nauhauser, was bedeutet die Gesetzesnovelle für die Kunden einer Lebensversicherung?

    Niels Nauhauser: Ja man muss das so zusammenfassen: Eigentlich wird die Versicherung noch ein Stück weit intransparenter und auch ein Stück weit unfairer für die Versicherten. Ich will das an einem Beispiel kurz erläutern. Nehmen wir eine Lebensversicherung, die jetzt im Januar fällig wird, und vor Kurzem hat der Versicherer mitgeteilt, dass der Kunde noch 100.000 Euro erwarten kann und darin enthalten wären dann auch Kursgewinne von Anleihen, die beim Versicherer noch in den Büchern stehen. Das sieht das Gesetz bislang so vor. Und wenn diese Anleihen eben nicht verkauft werden, werden diese Kursgewinne nicht realisiert, sie sind aber da. Und diese Kursgewinne bezeichnet man dann als stille Reserven oder auch Bewertungsreserven. Das kann dann in diesem Beispiel gut und gerne 7000 Euro sein. Und wenn die Gesetzesnovelle so wie geplant in Kraft tritt, werden diese 7000 Euro nicht ausgezahlt, Sie verlieren also diese 7000 Euro. Sie bekommen nur 93.000 ausgezahlt, und das ist eben das, was sehr viele Verbraucher ärgert und wir zunehmend auch Anrufe und Briefe erhalten von Verbrauchern, die das jetzt mitbekommen, deren Versicherung in den nächsten Monaten fällig wird und die jetzt mitbekommen und Angst davor haben, dass da möglicherweise weniger ausgezahlt wird.

    Fecke: Sie haben es schon schön genannt als konkrete Zahl: 7000 Euro. Bisher war der nicht so konkrete Fall von zehn Prozent Einbußen beschrieben. Was kann denn ein Kunde, der jetzt bald ausscheidet aus der Versicherung, tun Ihrer Ansicht nach?

    Nauhauser: Zuerst kann man mal sagen, in gewisser Weise kann man beruhigen. Die 7000 Euro sind ja nicht ganz weg.

    Fecke: Die sind nur woanders?

    Nauhauser: Sie sind nur woanders. Und der Zweck der Regierung war ja oder dieses Gesetzes war ja, dass die 7000 Euro die Lebensversicherer stärken sollen. Die Lebensversicherer können in den nächsten Jahren damit ihre Garantien erfüllen, die haben ja zwei, drei, vier Prozent auch garantiert, und wenn die Zinsen weiterhin so niedrig bleiben, dann können sie einfach dieses Geld nehmen. Das ist insofern praktisch, weil dann muss man kein Aktionärsgeld nehmen, man muss keine Gewinne reduzieren und man kann weitermachen auf dem Niveau wie bisher.

    Was der Kunde jetzt machen kann, ist praktisch auch schwierig. Es gibt zwei Punkte, die man prüfen müsste. Die erste Frage wäre: Ist der aktuelle Rückkaufswert bei Kündigung größer als der Wert, der einen bei einer Ablaufleistung erwarten würde. Und wenn das der Fall ist, dann wäre eine Kündigung möglicherweise interessant. Aber dann müsste der zweite Punkt geprüft werden, nämlich kann man noch rechtzeitig kündigen, ist die Frist dafür nicht schon verstrichen, und das ist auch schwierig, weil die Fristen oftmals monatsweise sind oder wochenweise sind, sodass das bis zum 21. Dezember gar nicht mehr ginge.

    Fecke: Was glauben Sie, wie wird die Bundesregierung sich entscheiden?

    Nauhauser: Ob die nun den Fehler korrigieren wird, muss man abwarten. Da hilft wirklich auch nur möglichst ein großer Protest der Verbraucher, der Betroffenen. Ich befürchte, die haben gar nicht gewusst, was sie da so genau machen, und sind der Versicherungslobby, muss man dazu sagen, einmal mehr auf den Leim gegangen.

    Fecke: Die Auswirkung der Gesetzesänderung auf Lebensversicherung, die schilderte uns Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Danke schön.

    Nauhauser: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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