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Schlechte Aussichten für Pflanzen- und Tiervielfalt

Jeden Tag sterben weltweit etwa 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Hauptverantwortlich ist laut britischen Forschern die Intensivierung der Landwirtschaft. Denn die Konzentration auf größtmöglichste Erträge führt dazu, dass nur wenige Nutzpflanzensorten angebaut und nur bestimmte Tierrassen gehalten werden.

Von Peter Kolakowski | 11.10.2011
    Jeden Tag sterben weltweit etwa 150 Tier- und Pflanzenarten aus, darunter auch solche, die Lebensmittel liefern. Im Umweltprogramm der Vereinten Nationen wurden zwar alle Staaten dringend aufgefordert, konkrete Maßnahmen gegen das Artensterben durchzuführen. Dennoch ist und bleibt die Landwirtschaft nach wie vor hauptverantwortlich für das Artensterben. Die Konzentration auf größtmögliche Erträge führt immer mehr dazu, dass nur wenige Nutzpflanzensorten angebaut und nur bestimmte Tierrassen gehalten, resümieren die Landwirtschaftsexperten auf dem Bonner Kongress zur sogenannten Agrobiodiversität. Antje Feldmann, die Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen.

    "Die alten Rassen sind Mehrnutzungstiere gewesen . Eine Kuh wurde nicht nur aus Milchinteresse gehalten, aus Fleischinteresse, man hat ein Zugtier gehabt, ein Tier das Milch gibt, und heute hat man diese Spezialisierung durchgeführt und da werden die alten Mehrnutzungstiere, auch bei Schafrassen, um Längen abgehängt. Wenn sich ein Landwirt heute entscheidet Milchwirtschaft zu machen, dann nimmt er die, die bis zur dreifachen Menge Milch erzeugen."

    Und weil der Handel mit wenigen Sorten und Arten weiter zunimmt, steigt auch die Gefahr, dass die seltenen Nutzpflanzen und Tiere aussterben. Der Rückblick über die letzten 20 Jahre Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Agrobiodiversität ist daher eher mager. Immerhin: 90 Prozent der Bürger fordern von der Politik mehr Engagement für Umwelt und Artenvielfalt. Der Erhalt dieser Arten sei allerdings nur gemeinsam mit der Landwirtschaft und dem Handel möglich. Denn Landwirtschaft ist nicht nur Zerstörer, sondern auch der wichtigste Produzent von Biodiversität in Deutschland; ohne sie wäre in Deutschland die biologische Vielfalt deutlich geringer. Der Intensivierungsdruck im Agrarbereich verlange daher nach kooperativen Wegen zur Umsetzung von Artenschutzbelangen in der landwirtschaftlich genutzten Fläche, so die Experten. Der Naturschutz könne dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Eine besondere Verantwortung liegt jedoch bei denen, die die Flächen bewirtschaften und bei den Verbrauchern selbst. Neben der Förderung des ökologischen Landbaus sind hierbei der Erhalt vielfältiger Fruchtfolgen, und die Vermarktung regional angepasster Sorten- und Rassen von Kulturpflanzen und Nutztieren von zentraler Bedeutung. Betont auch das Bundesagrarministerium. Dr. Frank Begemann, Leiter des Koordinations- und Informationszentrums für biologische Vielfalt beim Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung.

    "So versuchen wir doch verstärkt in den Focus zu nehmen, dass nicht nur regionale Produkte eine Rolle spielen sondern hinter den regionalen Produkten dann auch Kriterien mit stehen müssen, dass nicht nur regional verpackt wird, sondern auch regional produziert wird und das auch heimische, nur lokal vorkommende Sorten, Nutzpflanzen und Nutztierrassen, die eigentliche Produktion speisen."

    Zwar wurde national 2007 mit der Agrobiodiversitäts-Strategie des Bundesagrarministeriums ein Rahmen für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Agrobiodiversität in Deutschland geschaffen. Doch genau dagegen wird vor allem von Seiten der etablierten Landwirtschaftsverbände immer wieder massiv gekämpft. So kritisierte der deutsche Bauernverband die Pläne Brüssels, ökologische Vorrangflächen als Beitrag der Landwirtschaft zum Erhalt von Natur und Umwelt einzuführen. Hierdurch, so die Lobbyisten, würde allein der Hunger in Welt gefördert. Diplom-Agraringenieur Rudi Vögel von Fern e.V. einem Verein der sich für den Schutz und die Verbreitung alter Nutzpflanzensorten einsetzt.

    "Sie werden keine Privatperson mit dem Begriff Agrobiodiversität hinter dem Ofen vorholen das versteht keiner, sie bekommen die Person mit Namen wie Champagnerroggen, Bamberger Hörnchen, Vorderwälder Schinken und Würste und Bentheimer Schweine und Schinken, wenn Sie dem Verbraucher vermitteln können, dass er etwas hat, was anders ist, was etwas Besonderes ist, und sei es auch nur durch die Kulturhistorie. Dann besteht die Chance, alte Rassen, alte Genpotenziale nachhaltig zu erhalten."