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Schlechte Noten für Moody's und Co.

Sollte ein bankrottes Land wie Island am internationalen Geldmarkt wieder Kredit bekommen? Wie ist es um Lettland, Ungarn, Rumänien oder die Ukraine bestellt? Darüber entscheiden Ratingagenturen in Bonitätsprüfungen. Ratingagenturen waren es aber auch, die mit ihren Unbedenklichkeitssiegeln für faule Kredite und Finanzprodukte eine verhängnisvolle Rolle bei der Entstehung der Finanzkrise gespielt haben. Das soll sich nicht wiederholen.

Von Christoph Birnbaum | 25.03.2009
    Thomas Friedman, der bekannte Buchautor und Kolumnist der "New York Times", hat vor etlicher Zeit einmal die Frage gestellt: Wie viele Supermächte gibt es auf der Welt? Damals war die Sowjetunion bereits auseinandergebrochen, Europa war - wie immer - zerstritten und China mehrheitlich mit sich selbst und vielleicht noch Taiwan beschäftigt. Was bis heute blieb sind - natürlich - die USA. Natürlich? Falsch, meint Friedman: Die USA - und Ratingagenturen wie Standard & Poor's, Moody's und Fitch Rating.

    "Die USA kann dich mit Bomben zerstören, und Moody's kann dich zerstören, indem es deine Anleihen runterstuft. Und, glaub mir, es ist nicht immer klar, wer mehr Macht besitzt",

    lästerte Friedman damals - lange bevor jemand ahnte, was mit der Finanzkrise heute über die ganze Welt gekommen ist. Lag Friedman aber wirklich so falsch? Auf dem Weltwirtschaftsgipfel der G-20-Länder Anfang April in London sollen mit der Regulierung und Neuordnung der internationalen Finanzmärkte auch die großen, global operierenden Ratingagenturen verstärkt unter staatliche Aufsicht und Kontrolle gestellt werden. Endlich, so scheint es, holt die Politik das nach, was sie jahrzehntelang versäumt hat.

    Dabei entscheiden Bonitätsprüfungen von Ratingagenturen heute wieder darüber, ob ein bankrottes Land wie Island auf absehbare Zukunft am internationalen Geldmarkt Kredit bekommt. Lettland, Ungarn und Rumänien geht es nicht viel besser. Von der Ukraine ganz zu schweigen. In all diesen Fällen haben Ratingagenturen über ganze Staaten und Volkswirtschaften den Daumen gesenkt - die gleichen Ratingagenturen, die den vielen faulen Krediten amerikanischer Hausbesitzer ihr Unbedenklichkeitssiegel aufdrückten, die Hypotheken anschließend bündelten und teilten - im Finanzjargon: "verbrieften" - um daraus sogenannte "strukturierte" Wertpapiere zu machen, die weltweit in Umlauf gebracht wurden.

    Das Urteil von Praktikern und Wissenschaftlern über die fatale Rolle der Ratingagenturen in der Finanzkrise ist deshalb auch vernichtend:

    "Sie haben eine ganz wichtige Rolle gespielt, ihre Einschätzungen zu den strukturierten Produkten waren ausschlaggebend dafür, mit welchen Werten, mit welchen Risikoeinstellungen die in den Bankbilanzen vorkamen - und die waren viel zu optimistisch. Die Ratingagenturen verweisen jetzt darauf, dass sie nur die echten Ausfallrisiken geratet haben und keine Liquiditätsrisiken. Also, sie versuchen sich jetzt ein wenig herauszureden, aber ich glaube, intern wissen sie auch, dass ihre Modelle nicht adäquat waren",

    meint etwa der Finanzmarktexperte des "Instituts der deutschen Wirtschaft" in Köln, Manfred Jäger, Und er bekommt Unterstützung und Zustimmung von einem Praktiker wie Michael Munsch, Vorstand der "Creditreform Rating Agentur" in Neuss:

    "Hier muss man ganz klar sehen, dass die Krise wurde mit ausgelöst durch Finanzierungsportfolios oder Finanzierungsprogramme mit nachrangig besicherten Immobilien-Portfolien, die aus heutiger Sicht ein deutlich zu gutes Rating hatten, und damit wurden den Marktteilnehmern Kaufsignale gegeben, die aus heutiger Sicht dann eben nicht richtig waren, und insofern haben Ratingagenturen mit dazu beigetragen, das die Krise entstanden ist."

    Professor Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität Köln, sieht hingegen noch einen anderen Grund dafür, dass Ratingagenturen eine so verhängnisvolle Rolle spielen konnten:

    "Die Ratingagenturen haben eine enorme Bedeutung bekommen, weil auf organisierten Finanzmärkten kein Handel mehr möglich ist ohne ein Ratingurteil. Und je mehr gehandelt wird an Finanztiteln, desto bedeutsamer sind die Ratingagenturen. Und das hat eben auch in der Finanzkrise jetzt sehr schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Insbesondere bei den Ratings der Verbriefungstransaktionen haben wir festgestellt, dass die Ratingurteile nicht vergleichbar sind mit den Ratingurteilen von ganzen Unternehmen oder ganzen Banken."

    Denn der Stoff, aus dem die Träume von Managern sind, hat drei Buchstaben: A-A-A. Dieses "Triple A" ist die Bestnote, mit der Unternehmen oder andere große Schuldner von Ratingagenturen ausgezeichnet werden können. "Triple A" entspricht quasi 15 Punkten in der Abi-Prüfung oder einer "1+" in der Klassenarbeit. Freilich bezieht sich ein Rating nicht auf schulische Leistungen, sondern auf die Fähigkeit eines Schuldners, seine finanziellen Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen.

    Ein AAA ("außergewöhnlich gut") - oder auch ein AA ("sehr gut"), ein A ("gut") oder zumindest ein BBB ("angemessen") - ist so am Ende bare Münze wert. Denn wann immer sich Unternehmen Geld am Anleihemarkt leihen wollen, orientieren sich die Investoren an Ratings. Ein Konzern, der ohne Zeugnis um Kredit bittet, kann sich die Anstrengungen im Grunde heute eigentlich sparen, denn die Beurteilung bestimmt, wie gut sich ein Wertpapier an den Finanzmärkten verkaufen lässt.

    Doch gerade auf dem Verbriefungsmarkt für Immobilienkredite basierten die Daten der Agenturen offenkundig auf Schönwettermodellen; sie taugten nicht für die große Immobilienblase, die den Ausgangspunkt für die heutige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise bildete. Dabei hatte sich gerade das Verbriefungsgeschäft für Ratingagenturen, also das weltweite Handeln von Hypotheken-Schuldverschreibungen, in den letzten Jahren zu einem lukrativen Geschäft entwickelt.

    Weltweit wird es faktisch von einem multinationalen Triumvirat beherrscht: den beiden US-Giganten Moody's sowie Standard & Poor's (S&P). Die britisch-französische Agentur Fitch rangiert deutlich dahinter. Jede der großen drei bewertet ständig die Bonität von Tausenden von Unternehmen, darunter Banken, Versicherungen und Investmentfonds, erteilt laufend Noten für Zehntausende von Wertpapieren wie Anleihen, Aktien, Staatspapiere sowie Derivate und eben "strukturierte Finanzprodukte".

    Bei den drei weltweit tätigen Agenturen handelt es sich allerdings nicht um irgendeinen halbstaatlichen Finanz-TÜV, oder eine "Stiftung Warentest" für Finanzdienstleistungen, sondern um Firmen in Privatbesitz. Wann immer sie urteilten - sie urteilten im Auftrag ihrer Auftraggeber: Investoren und Emittenten.

    Moody's wird an der Börse notiert, S&P gehört zum Medienkonzern McGraw-Hill, bei Fitch hat der französische Dienstleister Fimalac das Sagen. Sie teilen rund 90 Prozent des Markts unter sich auf. Moody's, mit über 40 Prozent Marktanteil, machte 2002 über 33 Prozent ihres Milliardenumsatzes mit Bewertungen von "strukturierten Finanzprodukten". Darunter fielen jene faulen Immobilienkredite, die zu neuen Wertpapieren zusammengefasst, gebündelt, d.h. "verbrieft" wurden. 2006 waren es schon über 44 Prozent. Die Zahlen für Standard & Poor's sind ähnlich eindrucksvoll: Kein Geschäft der Firma ist so rasant gewachsen wie die Bewertung von Hypothekenkrediten. Fitch, mit 15 Prozent Marktanteil die kleinste der drei Großen, machte im letzten Jahr über 50 Prozent ihres Umsatzes mit der Bewertung solcher Papiere.

    Doch seit der Finanzkrise ist der äußerst lukrative Markt für "verbriefte", "strukturierte" Kreditprodukte - besonders auf dem Immobiliensektor - zum Erliegen gekommen - zumindest für die nächsten Jahre. Aber auch auf dem ureigensten Gebiet - der Bewertungen von Unternehmen - haben sich Ratingagenturen in der jüngsten Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert:

    Im Jahr 2000 meldete das im badischen Ettlingen ansässige Unternehmen Flowtex Konkurs an. Es war der bis dahin größte Wirtschaftsbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Ratingagenturen hatten - genauso wie Banken und Wirtschaftsprüfer - das Schneeballsystem der Flowtex-Manager nicht durchschaut,



    2001 ging der texanische Energiegigant Enron - "The World's Greatest Company" (die beste Firma der Welt) wegen massiver Bilanzfälschungen pleite. 20.000 Mitarbeiter verloren ihren Job. Ratingagenturen wussten bis zuletzt nicht, wie es um Enron wirklich stand. Noch vier Tage, bevor der Konzern seine Insolvenz erklärte, bescheinigten ihm Standard & Poor's und Moody's eine ausgezeichnete Bonität.

    2002 meldete der Telefonriese Worldcom der amerikanischen Börsenaufsicht, dass er zahlungsunfähig ist und löst einen der bis dahin größten Börsenskandale aus. Den Ratingagenturen war bis zuletzt entgangen, wie es um das Unternehmen aus Virginia wirklich stand.

    2003 meldete der italienische Lebensmittelkonzern Parmalat, der zu den größten Molkereinunternehmen in Europa zählte, Insolvenz an. Auch hier waren Bilanzbetrügereien ausschlaggebend dafür, dass auch die Ratingagenturen bis zum Schluss nichts ahnten.

    Alle diese Fälle stehen für Fehleinschätzungen - nicht ausschließlich und nicht in erster Linie von Ratingagenturen. Aber sie können sich eben auch nicht dadurch freisprechen, dass andere vor ihnen die Fehlentwicklungen in den Unternehmen nicht entdeckt hätten.

    Ratingagenturen haben nun einmal für den Kapitalmarkt eine gewisse Frühwarnfunktion. Und weder haben die Agenturen in diesen Fällen eine überlegene Einsicht in einzelne Unternehmen bewiesen noch in das undurchdringliche Dickicht der Märkte - trotz ihrer vermeintlichen Objektivität, trotz der "mathematischen Methoden" und der analytischen Kompetenz, der sie sich rühmen. Nach wie vor behandeln Ratingagenturen ihre Bewertungsmethoden als Geschäftsgeheimnis. Niemand weiß, welche Rolle bloße Meinungen, Wohlwollen und Bauchgefühl dabei spielen. Für den Ratingexperten Oliver Everling steht deshalb fest:

    "Bei Parmalat, Worldcom auch bei Flowtex in Deutschland, überall wo damals Investmentgrade-Ratings verteilt wurden - also Ratings in Anlagequalität - war die tiefere Ursache das Versagen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, von Wirtschaftsprüfern, die Testate gegeben hatten, auf deren Basis dann die Ratingagenturen wiederum mit dem Material aus den Jahresabschlüssen arbeiteten, sie also getäuscht wurden von dem Zahlenmaterial, was ihnen an die Hand gegeben worden ist. Dies kann man nun in der Krise seit 2007 nicht mehr behaupten. Hier haben die Ratingagenturen auf Basis testierter richtiger Daten geurteilt - aber eben, sie sind zu den falschen Schlussfolgerungen gekommen."

    Das alles wirft kein gutes Licht auf eine ganze Branche. Und doch sieht ein Experte wie Manfred Jäger vom "Institut der deutschen Wirtschaft" die ursächlichen Fehler nicht so sehr bei den Ratingunternehmen selbst, sondern bei der Politik - den Regulatoren - die Ratingagenturen erst das ermöglicht hätten, was ihnen heute zum Vorwurf gemacht wird:

    "Dadurch, dass man die Ratingagenturen so wichtig gemacht hat und ihnen so viel zugetraut hat, hat man den anonymen Finanzmarkt gestärkt, also den Prozess, dass Forderungen aus den Bankbilanzen auf den Markt gegeben werden, dort den Stempel der Ratingagenturen bekommen und dann handelbar sind."

    Und das weltweit! Denn das zeichnet die derzeitige Finanzkrise ja gerade aus: Die Globalisierung der Finanzmärkte hat in kürzester Zeit eine Bank nach der anderen wie Dominosteine in sich zusammenstürzen lassen und in mehr oder minder große, Existenz bedrohende Schwierigkeiten gebracht. Und die Ratingagenturen - sie haben, wie im Fall von Lehman-Brothers - noch bis kurz vor Schließung der Bank im September letzten Jahres nichts geahnt, nichts gesehen und nichts gewusst - erst recht nicht, was die Folgen und Weiterungen einer Bankpleite für die weltweiten Finanzmärkte bedeuten würde.

    In keiner einzigen Finanzkrise der letzten Jahrzehnte haben die Agenturen je eine zutreffende Prognose gegeben oder ihre Bewertungen rechtzeitig korrigiert. Wenn sie es taten, war die Krise schon da, und ihre verspäteten Aktionen haben nur den Kursverfall beschleunigt und die Panik der Anleger angeheizt. Für Manfred Jäger vom "Institut der deutschen Wirtschaft" in Köln steht deshalb fest:

    "Ich glaube, wir haben die Möglichkeiten der Ratingagenturen überschätzt - und damit meine ich die Gesetzgeber, die Wissenschaftler und die Marktteilnehmer, weil es so bequem war. Wir konnten halt sagen: Da steht "A-A-A" drauf, und das wurde dann auch von dem Regulator akzeptiert, und damit war das sicher. Wir haben nicht mehr durchschauen müssen auf die eigentlichen Sicherheiten, die dahinter stecken."



    Haben wir also mit den Verbriefungen von faulen Immobilienkrediten - mit den kunstvoll aufgeteilten und wieder verschnürten und anschließend noch einmal gebündelten "strukturierten" mehrfach verbrieften Wertpapieren, die von einer Bank zur nächsten quer über den Globus weitergereicht wurden, eine Art finanzmarkttechnischen "Homunkulus" geschaffen, ein Teufelswerk von Faustischen Ausmaßen, das am Ende niemand mehr beherrschen konnte? Haben die Finanzmathematiker und Ratingspezialisten in den Agenturen zu hoch gepokert? Sind sie zu viele Risiken bedenkenlos eingegangen? Professor Thomas Hartmann-Wendels:

    "Wir werden in den nächsten Jahren auch sehen, dass man die Handelbarkeit von bestimmten Risiken eben skeptischer beurteilen wird. Wir haben in den letzten Jahren eine Entwicklung gehabt, dass man glaubte, man könnte jegliche Risiken handeln durch Verbriefungs-Transaktionen. Das geht bei Kreditrisiken nicht so ohne weiteres, weil die Kreditrisiken schwer einschätzbar sind. Und da hat man gedacht, durch die Ratings könnte man dieses Problem auch elegant lösen. Und das hat sich als Trugschluss erwiesen. Und ich glaube, dass man in den nächsten Jahren vorsichtiger sein wird mit dem Handel von Kreditrisiken."

    Also: Ganz ohne Risiken wird es wohl auch nicht gehen. Für den Ratingspezialisten Oliver Everling ist das sogar eine ganz grundsätzliche Frage:

    "Wenn Sie sich vorstellen würden, eine Welt ohne Risiko, eine Welt, wo alles sicher wäre, dann gäbe es den größten Teil unseres Finanzsystems nicht, denn es geht im Finanzsystem vor allen Dingen auch um die Allokation, die Zuordnung von Risiken. Die Ratingagenturen stehen hier ganz im Mittelpunkt dieser Funktion, denn sie sind es, die die Risiken klassifizieren, zuordnen, die mit einem dreifach "A" zum Ausdruck bringen, dass sie der Meinung sind, dass eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Emittenten ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Das heißt, sie haben hier eine ganz zentrale Rolle. Es ist daher mehr als erstaunlich, dass der Gesetzgeber die Ratingagenturen über ein Jahrhundert hinweg ausgeklammert hat, alles andere hoch reguliert hat. Banken sind hoch regulierte Institutionen, aber Ratingagenturen aber eben überhaupt nicht."

    Das soll sich nun ändern. In den USA haben die oberste Börsenaufsicht SEC, die "Securities and Exchange Commission" sowie die Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten Ohio und New York offizielle Untersuchungen eingeleitet. Die EU-Kommission ist sehr ungehalten und will zukünftig verhindern, dass Ratingagenturen gleichzeitig beraten und Produkte bewerten dürfen, der EU-Binnenmarktskommissar droht mit "Konsequenzen". Europäische Aufsichtsbehörden arbeiten an einem neuen Regelwerk für den europäischen Finanzmarkt. Sie wollen ein weltweit abgestimmtes Zertifizierungsverfahren, größere Transparenz und eine verstärkte Aufsicht. Etwa durch den Europäischen Ausschuss der Wertpapieraufseher. Bei dem sollen sich, nach dem Willen des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments, alle Ratingagenturen in Europa registrieren müssen.

    Kritiker wie Oliver Everling bemängeln, dass ausgerechnet die großen drei - Standard & Poor's, Moody's und Fitch - mit ihrer marktbeherrschenden Stellung sich dem Zertifizierungsverfahren, das z. Zt. zwischen der EU-Kommission und dem EU-Parlament in Brüssel diskutiert wird, nicht zu stellen brauchen. Sie sind bereits "gesetzt". Oliver Everling:

    "Das, was bisher in der Diskussion ist, ist absolut unzureichend, weil das, was die EU-Kommission bisher dazu vorgelegt hat, ist sehr stark von den angelsächsischen Interessen der US-Agenturen geprägt. Die US-Agenturen führen hier die Feder, obwohl es nach außen hin gar nicht so scheint, als ob sie eher reaktiv sind. Die Ratingagenturen beteiligen sich hier sehr geschickt an der Diskussion, indem sie jede Art von Öffentlichkeit vermeiden, sondern eben darauf Wert legen, hinter verschlossenen Türen zu beraten."

    Die Übermacht der "großen drei" färbt demnach auch auf den politischen Beratungs- und Entscheidungsprozess ab. Das wirft kein gutes Licht auf die vollmundigen Versprechen der Politik, die notwendigen Lehren aus der Subprime-Krise zu ziehen. Wird es also, auf der einen Seite, gelingen, den bisher nahezu unregulierten Markt der Ratingagenturen ausreichend zu regulieren, ihn transparenter zu machen und unter eine funktionstüchtige Aufsicht zu stellen? Auf der anderen Seite warnt ein Finanzmarktexperte wie Professor Thomas Hartmann-Wendels davor, alleine im Gedanken an mehr Wettbewerb einen Ausweg aus der Krise der zu sehen:

    "Wir brauchen mehr Alternativen an Ratingagenturen - ja. Aber Wettbewerb alleine wird es nicht richten können. Gerade bei Ratingagenturen kann der Wettbewerb auch verheerende Nebenwirkungen haben, nämlich wenn es zu einem Preiswettbewerb kommt. Beim Rating ist das Problem, dass wir die Qualität der Ratings nicht unmittelbar beobachten können. Nur über sehr lange Zeiträume kann man sich ein Urteil bilden, ob die Ratings zuverlässig sind oder nicht, und da kommt die Gefahr auf, dass bei einem Wettbewerb der Ratingagenturen untereinander es zu einem Preiswettbewerb käme, der dann zu Lasten der Qualität ginge."

    Doch noch mehr als die Politik drängt der Markt selbst darauf, dass Ratingagenturen die notwendigen Konsequenzen aus dem Desaster der vergangenen zwei Jahre ziehen. Michael Munsch von "Creditreform Rating" sieht hier die Bewegung aus einer ganz anderen Richtung auf die Agenturen zukommen - und es ist vielleicht nicht der schlechteste Druck, der sich da gegenüber den Ratingagenturen aufbaut:

    "Wir sehen, dass der Markt - und das sind nicht die Politiker oder Behörden -, sondern es sind die kapitalsuchenden Unternehmen sowie auch Investoren - einen Bedarf haben, dass Ratingagenturen überprüft werden. Das heißt nicht, dass der Ratingprozess überprüft werden soll. Ganz im Gegenteil. Der soll nach Marktkenntnis und bestem Wissen und Gewissen durchgeführt werden, sondern dass die Prozesse einer Ratingagentur intern von einem Dritten überprüft werden, ob diese Ratingagentur wirklich einen guten Stand hat, entsprechend Daten verarbeiten kann, gut ausgebildete Mitarbeiter hat, einen stabilen Ratingprozess hat, eine entsprechende Dokumentation vorweisen kann. Das ist dringend erforderlich."

    Mehr staatliche Regulierung wird also kommen, mehr Transparenz vom Markt gegenüber den Ratingagenturen eingefordert. Das ist gut und richtig und vor allem auch dringend nötig. Aber vielleicht ist eine ganz einfache Lehre aus der Finanzkrise dieser Wochen und Monate das, was das "Finance Stability Forum", der internationale Zusammenschluss der Finanzaufseher, als Quintessenz gefordert hat: Die Ratingagenturen selbst müssten von Investoren und kreditsuchenden Unternehmen in ihrer Bedeutung "heruntergestuft" werden. Man solle als Investor nicht mehr blindlings alles Vertrauen auf sie delegieren, argumentieren die Finanzaufseher wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Denn auch für Profis in Banken und Versicherungen gilt: Kaufe nur, was du verstanden hast. Vor allem dann, wenn es um große Summen geht. Und wer spricht in diesen Tagen nicht von großen, milliardenschweren Summen.