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Schlechte Prognosen für australische Schildkröten

Klima.- Der Bestand der australischen Mary-River-Schildkröte ist heute so weit dezimiert, dass die Art auf der Roten Liste der vom aussterben bedrohten Tiere steht. Inwieweit der Klimawandel im Zuge weiterer Temperaturerhöhungen den Schildkröten zusetzen wird, wollten Biologen aus Brisbane herausfinden.

Von Michael Stang | 04.07.2011
    Die Mary-River-Schildkröten legen ihre Eier in offene Sandbanken, die der Sonne per se stark ausgesetzt sind.
    Die Mary-River-Schildkröten legen ihre Eier in offene Sandbanken, die der Sonne per se stark ausgesetzt sind. (Jan-Martin Altgeld)
    Mit einem Panzer von bis 48 Zentimetern Länge zählt die Mary-River-Schildkröte zu den größten Süßwasserschildkröten Australiens. Ihr Gattungsname Elusor, lateinisch für ausweichen, deutet an, dass diese Schildkröte für Räuber schwer zu fassen ist. Dank ihres langen Schwanzes kann sie zum einen schnell schwimmen, zum anderen kann sie mithilfe eines speziellen Atmungssystems lange unter Wasser bleiben. Die Schildkröte kann über ihre Kloake atmen und sich damit bis zu drei Tage lang vor Angreifern verstecken. Ihr Bestand hat sich in jüngster Vergangenheit stark dezimiert. Ein Grund dafür könnte der Klimawandel sein, der direkten Einfluss auf die Fortpflanzung der Tiere hat, sagt Mariana Campbell von der University of Queensland.

    "Diese Schildkröten legen ihre Eier in offene Sandbanken, die der Sonne schon per se stark ausgesetzt sind. Hinzukommt, dass sich die Nester nicht sehr tief im Boden befinden. Während die großen Meeresschildkröten ihre Eier rund 50 Zentimeter tief vergraben, liegen die Eier der Mary-River-Schildkröte nur 20 Zentimeter tief im Boden. Dadurch sind sie den Temperaturschwankungen der Oberfläche sehr stark ausgesetzt."

    Die Biologin wollte herausfinden, ob und wie die Temperatur im Gelege Einfluss auf die Körpergröße, die Physiologie und das Verhalten der Schildkröten hat.

    "Dazu habe ich Thermometer in den Nestern versteckt, um die Temperatur dort eine ganze Saison lang zu messen. Ich wollte sehen, wie groß die vermuteten Unterschiede tatsächlich sind: sie reichten von 26 bis zu 31 Grad Celsius. Das sind wirklich erhebliche Schwankungen. Im Labor habe ich das dann nachgestellt und bei einem Gelege die konstante Temperatur sogar auf 32 Grad Celsius erhöht. Schnell war klar, dass diese hohe Temperatur den kleinen Schildkröten enorm zusetzt."

    Bei ihren Experimenten ließ Mariana Campbell Schildkröteneier bei 26, 29 und 32 Grad Celsius ausbrüten. Während aus den Eiern der normalen Bruttemperaturen zu 90 Prozent Jungtiere schlüpften, lag die Überlebensrate bei den anderen gerade einmal bei 54 Prozent. Das waren aber nicht die einzigen Unterschiede.

    "Die Tiere, die bei 32 Grad Celsius geschlüpft waren, unterschieden sich deutlich von den anderen. Sie waren kleiner, schwächer und sie schwammen nur im seichten Wasser und haben sich nicht wie ansonsten üblich im tiefen Wasser versteckt. Das ist in freier Natur sehr gefährlich, weil sie damit Räubern wie Vögeln schutzlos ausgesetzt sind. Das sind besorgniserregende Ergebnisse, denn der Klimawandel hat hier längst Einzug gehalten."

    Klimaarchive zeigen, dass die durchschnittlichen Jahrestemperaturen in Australien bis vor 20 Jahren konstant waren. Seitdem sind sie jedoch insgesamt um ein Grad Celsius gestiegen.

    "Ich habe bei meiner Studie die Bruttemperatur ja nur um ein Grad Celsius gegenüber dem bisherigen gefundenen Maximum in freier Wildbahn erhöht. Schaut man sich die berühmten 23 Klimasimulationen für Australien für die nächsten 60 Jahre an, die von einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung von 1,6 bis 3,5 Grad Celsius ausgehen, dann kann man erahnen, was das für die Schildkröten bedeutet. Denn sie vergraben ihre Eier nahe der Oberfläche, die dann den Temperaturerhöhungen unmittelbar ausgesetzt sind."

    Damit verschärft sich Mariana Campbell zufolge die ohnehin schon kritische Situation für die Schildkröten. Vor zwei Monaten wurden nach Ende der Untersuchungen alle Tiere freigelassen und zum Teil mit Funksendern markiert. Nun will die Forscherin untersuchen, ob sich die bei hohen Temperaturen geschlüpften Schildkröten auch noch als ausgewachsene Tiere anders verhalten. Vorerst hofft sie aber nur, dass sie überhaupt überleben.