Archiv


Schlechte Quoten

Am vergangenen Montag veröffentlichte das Hochschulinformationssystem in Hannover aktuelle Daten über die Zahl der Studienabbrüche an deutschen Universitäten. Ganz besonders schlecht weg kommen dabei die Informatiker: Die Quote der Studienabbrecher liegt hier bei 37 Prozent, und damit an zweiter Stelle hinter den Sprach- und Sozialwissenschaften. Diese alarmierenden Zahlen kamen pünktlich zur Ausbildungstagung der deutschen Informatiker, die in der gleichen Woche gemeinsam mit dem Informatik-Weltverband in Dortmund tagten. Die Frage, wie sich das Informatik-Studium verändern muss, um den Anforderungen von Studierenden und Wirtschaft besser zu genügen, war dort eines der Hauptthemen.

Sascha Ott |
    Der Präsident der Gesellschaft für Informatik Heinrich Mayr trat die Flucht nach vorn an. Man müsse, wie so oft bei Statistiken die Welt hinter den Zahlen berücksichtigen. Der Grund für mehr als ein Drittel Studienabbrecher in der Informatik sei nicht, dass das Studium zu schwer sei oder die Studenten das Interesse verlören - im Gegenteil:

    Wir haben ja jetzt das Problem, dass fast jeder Student, der die ersten zwei Semester geschafft hat und bei der Informatik bleibt, dass der bereits für die Industrie interessant wird.

    Die Wirtschaft werbe die Studierenden nach wie vor früh von der Uni ab. Die Folge sind entweder eine lange Studiendauer, wenn neben dem Studium gearbeitet wird, oder eben hohe Abbruchzahlen, wenn die Informatiker ohne Abschluss bei einer Firma einsteigen. Eine mögliche Lösung für dieses Problem wäre, kürzere und kompaktere Informatik-Studiengänge anzubieten. Beim Bundesforschungsministerium sieht man darin auch eine Form wünschenswerter Elitenförderung. Staatssekretär Uwe Thomas:

    Ich glaube, dass wir zumindest für die Besten unter ihnen auch so was wie ein Turbo-Studium machen können. Wir machen das jetzt in Bonn in einem neuen Institut, es gibt hier in Dortmund etwas, es gibt in Saarbrücken etwas. Die Leute kommen zum Teil mit einer enormen Vorbildung ins Studium rein, und die dürfen wir nicht brachliegen lassen. Für die Besten glaube ich an ein Turbo-Studium.

    Die Dortmunder Fakultät für Informatik, mit 3000 Studierenden die größte in Deutschland, bietet seit kurzem eine solche Turbo-Ausbildung an. Nach einem Eignungs-Test können sich Informatik-Talente an einem IT-Center in nur zwei Jahren zum "IT-Professional" schulen lassen. Was dieses Studium gegenüber herkömmlichen Angeboten auszeichnet, erklärt Sigrid Schubert von der Dortmunder Informatik-Fakultät.

    Das Besondere ist, dass Sie Studierende aufnehmen, die von einem Unternehmen unterstützt werden. Das heißt, sie erhalten ein monatliches Stipendium und das Unternehmen zahlt zusätzlich noch eine Ausbildungsgebühr an dieses IT-Center Dortmund. Das verpflichtet die Studierenden tatsächlich alle Kraft und Zeit in zwei Jahren ausschließlich auf eine Basis-Informatik-Ausbildung, die sehr praxis-orientiert ist, zu richten.

    Den fertigen IT-Professionals steht dann immer noch die Entscheidung offen, die Grundausbildung zu einem Vollstudium Informatik zu erweitern. Die Dortmunder bewerben dieses Angebot als kürzestes Studium Deutschlands. Kritiker beklagen allerdings, dass die komplexen Herausforderungen moderner Computersysteme nicht in zwei Jahren sinnvoll zu lernen sind. Mit solchen Schnellstudiengängen würden keine vollwertigen Informatiker ausgebildet, sondern nur kurzfristig Löcher in der Wirtschaft gestopft. Dort gibt es trotz der Flaute in der IT-Branche immer noch den vielbeklagten Mangel an Fachkräften, rechnet der Präsident der Informatiker-Gesellschaft Heinrich Mayr vor.

    Aktuelle Studien sagen, dass wir derzeit einen Mangel von rund 50-60.000 Kräften in dieser Art haben und dass das steigen wird bis ins Jahr 2005 auf etwa 155.000. Hintergrund ist einfach der: Wir haben zwar jetzt eine gewisse Baisse, die auch durch die wirtschaftliche Entwicklung so ist, aber es darf auf gar keinen Fall der Fehler gemacht werden, jetzt wieder Negativ-Werbung zu betreiben, denn dann kommt der nächste extreme Engpass wieder.

    Vor allem im Bereich der Software-Entwicklung würden immer noch händeringend gute Leute gesucht. Um Firmen und Informatiker zusammen zu bringen, fand in Dortmund am Donnerstag ein "Tag der Wirtschaft" statt. Aber das Interesse blieb trotz mehrfacher Aufrufe der Organisatoren sehr gering. Nur etwa 30 Vertreter von Unternehmen nahmen das Angebot wahr. Miriam Meckel, Staatssekretärin für Medienfragen der nordrhein-westfälischen Landesregierung, vermutet den Grund für diese geringe Resonanz in der angespannten wirtschaftlichen Lage.

    Wir haben eben eine Situation, die wirtschaftlich problematisch ist und damit manche Unternehmen vor die Herausforderung stellt zu entscheiden, wollen wir auch in Weiterbildung, in Diskussions-Foren investieren oder wollen wir das nicht und möglicherweise könnte auch da ein Problem liegen.

    Für den Kontakt zur Universität fehlt der IT-Branche im Moment offenbar die Zeit - und auch den künftigen Informatikern wird in Zukunft wohl immer weniger Zeit an der Universität zugestanden.