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Schlechte Zeiten für heimliche Trinker

Medizin. - Der Karneval ist vorbei und für so manchen Jecken beginnt jetzt die Zeit der Ausnüchterung und des typischen Katergefühls. Während er jedoch bislang mit Unschuldsmiene zum Arzt gehen und über seinen Alkoholverzicht berichten konnte, stehen seit kurzem viel genauere Tests zur Verfügung, die sogar noch nach Monaten ein Glas Bier anzeigen.

Von Sabine Goldhahn |
    Bisher bleiben heimliche Trinker fast immer unentdeckt. Eine Flasche Bier oder ein Gläschen Sekt – spätestens nach ein paar Stunden ist der Alkoholtest unauffällig und niemand merkt etwas. Denn die direkten Abbauprodukte des Alkohols im Körper konnte man bisher nicht nachweisen. Zwar gibt es noch andere Laborwerte, die indirekt für einen Alkoholkonsum sprechen, aber sie weisen oftmals nur Organschäden nach, die durch den Alkohol entstanden sind Am bekanntesten dürfte wohl die sogenannte Gamma-GT sein, ein Enzym der Leber.

    Das ist zwar ein sehr preiswerter Test, aber er kann nicht unterscheiden, ob der Konsum von Alkohol stattgefunden hat oder ob jemand zum Beispiel eine Hepatitis C hat, oder ob er Medikamente hat, die ebenfalls die Leber beinträchtigen können.

    Deshalb suchte Friedrich Wurst von der Uniklinik Basel gemeinsam mit anderen Kollegen nach Verfahren, die die Abbauprodukte des Alkohols direkt nachweisen. Dabei wurde er nicht nur im Blut fündig, sondern auch im Urin und sogar in Haut und Haar. Mit drei neuen Alkohol-Tests kann er die Trinkgewohnheiten eines Menschen mittlerweile über mehrere Monate hinweg lückenlos nachvollziehen

    Das eine ist das Ethylglucuronid, das deckt im Urin einen Zeitrahmen von etwa fünf Tagen ab. Das Phosphatidylethanol wird positiv bei einem längerfristigen Konsum von mehr als 60 Gramm Alkohol pro Tag, das entspricht einem Liter Bier oder 0,6 Liter Wein. Wenn man das länger als zwei Wochen trinkt, dann wird das Phosphatidylethanol positiv und bleibt positiv für zwei bis vier Wochen. Das wäre der zweite Marker und der dritte direkte Ethanolmetabolit, das wären die Fettsäureethylester in Haaren, ...

    ... berichtet der Psychiater. Am empfindlichsten ist offensichtlich das Ethylglucuronid. Das lässt sich nämlich bei einer abstinenten Versuchsperson schon nach hundert Milliliter Sekt im Urin nachweisen. Besonders interessant ist jedoch der Test auf Fettsäureethylester. Wenn jemand längerfristig mehr als 1,5 Liter Bier pro Tag trinkt, kann man diese Fettsäureethylester nachweisen. Die lagern sich nämlich in den Haaren ein.

    Ein Haar wächst etwa einen Zentimeter pro Monat, das heißt, wenn jemand zwölf Zentimeter Haare hat, kann man ein Jahr zurückschauen, bei dreißig Zentimetern entsprechend dann noch sehr viel länger.

    In den Haaren kann man also nicht nur Kokain nachweisen, sondern auch wann und in welchem Monat jemand wie viel getrunken hat und wann er abstinent war... wie in einem Kalender oder Tagebuch. Die Gefahr dabei – es gibt auch noch andere Faktoren, die eine Haaranalyse beeinflussen können: die Haarfarbe, Pflegemittel oder die Häufigkeit der Haarwäsche.
    Dennoch gibt es die Tests bereits in den USA, und auch in Deutschland werden sie vereinzelt angeboten. Die Zahl der möglichen Anwendungen ist nämlich riesig. So können Ärzte überprüfen, ob jemand trinkt oder nicht. Oder ob die Entziehungskur bei alkoholkranken Patienten etwas nützt.

    Die Patienten sind ja tatsächlich um Abstinenz bemüht, scheitern aber immer wieder daran, und es entstehen Scham und Schuldgefühle. Und es fällt ihnen oftmals recht schwer, darüber zu sprechen.

    Die Folge: Selbst ein erfahrener Therapeut schätzt seine Patienten oftmals falsch ein. Da können nachweisbare Ergebnisse mehr Klarheit schaffen.

    Und schließlich geht es auch um Hang-over, also um den Kater nach Alkoholkonsum. Zum Beispiel, man kann sich vorstellen, jemand in einem 'safety-sensity-job' wie ein Pilot oder ein Arzt hat zwar keinen Alkohol mehr im Blut, aber ist verkatert, von der neuropsychologischen Leistungsfähigkeit nicht so gut wie sonst, macht einen Fehler ...

    ... und dann kann man zumindest im Nachhinein den Alkoholkonsum beweisen. Um jedoch die medizinische Diagnose Alkoholiker zu stellen, reichen auch die neuen Tests nicht alleine aus. Denn dazu gehören noch andere Faktoren wie beispielsweise zwanghaftes Trinken oder Entzugserscheinungen.