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Schleichender Wandel

Paläoklimatologie. - Vor 10.000 Jahren waren weite Teile der Sahara ein Paradies, in dem sich Elefanten, Krokodile und Flusspferde tummelten – und Menschen siedelten. Dann änderte sich das Klima und das Paradies verdorrte. Wie der Wandel vor sich ging, haben Kölner Geowissenschaftler rekonstruiert und in der aktuellen "Science" vorgestellt.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Seen von Ounianga Kebir liegen am Ende der Welt. Allein eine Woche dauert die Fahrt von der Hauptstadt des Tschad N'Djamena hierher. Aber nicht nur deshalb gilt die Oase als schwer zugänglich. Über die Gefährlichkeit des Gebiets hatte schon Herodot berichtet, erzählt Stephan Kröpelin von der Universität Köln:

    "Das Problem dort waren und sind die unsicheren Verhältnisse, da sich in diesem extrem entlegenen Gebiet bis heute Banditen und Rebellen tummeln, dass das Gebiet im Laufe des Krieges zwischen Libyen und Tschad Anfang der achtziger Jahre schwer vermint ist, so dass man also sehr froh ist, wenn man wieder heil zurück ist von solchen Einsätzen."

    Das Risiko ist es wert, denn in Ounianga Kebir gibt es einen See, der als einziger bezeugt, wie die Sahara zur Wüste wurde. Lake Yoa verdankt seine Existenz dem Regen, der vor mehr als 5000 Jahren fiel. Heute verdunstet aus dem See jährlich so viel Wasser wie die Großstadt Köln verbraucht. Das uralte, nubische Grundwasser gleicht diesen Verlust seit Jahrtausenden aus. Sonst wäre er längst verschwunden. Kröpelin:

    "Die Besonderheit dieses Sees liegt darin, dass wir zum ersten Mal Klimainformationen über die letzten 3500 Jahre extrahieren können."

    Das macht ihn zu einem idealen Klimaarchiv, in dem sich vielleicht seit mehr als 90.000 Jahren äußerst fein geschichtete Sedimente ansammeln. Jahr für Jahr trägt der Wind so viel Staub, Sporen und Pollen heran, dass eine etwa 1,3 Millimeter feine Schicht hinzukommt, in der sich sogar Sommer und Winter unterscheiden lassen. Schon mit ihrer ersten Bohrung konnten die Forscher die jüngsten 6000 Jahre Klimageschichte der Sahara entschlüsseln – auf die Jahreszeit genau. Kröpelin:

    "Dabei zeigte sich eben, dass die bisherige Hypothese, dass die Sahara relativ schlagartig ausgetrocknet ist, dass die nicht mehr haltbar ist und dass wir heute sagen können, dass die Sahara sehr graduell und sehr kontinuierlich ausgetrocknet ist und dass dieser Prozess zumindest bis in die allerjüngste Vergangenheit anhält und eben heute die Sahelzone erreicht hat."

    Die Lehrbuchtheorie von der katastrophalen Klimaverschlechterung in der Sahara beruht auf Informationen, die von einem einzigen Bohrkern stammen – und der wurde aus dem Meer vor Nordwestafrika gezogen. Aufgrund komplexer Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Oberfläche und Vegetation sollte es einen abrupten Wechsel von der "grünen" Sahara zur Sandwüste gegeben haben. Kröpelin:

    "Leider wurden diese Daten jetzt sehr weit aufgenommen, gerade von den Klimamodellierern, die dann versuchten, diese schlagartige Klimaänderung auch in ihren Modellen wiederzufinden."

    Dabei sei dieser Bohrkern nur überinterpretiert worden, urteilt Kröpelin. Mit den neuen Daten aus dem Lake Yao und auch aufgrund der archäologischen Befunde in der Sahara könne man den abrupten Klimawandel aufgrund eines schlagartigen Ausbleibens des Monsuns – und damit des Regens – getrost ad acta legen. Kröpelin:

    "Diesen Übergang haben wir wirklich in diesem Bohrkern erfasst in den letzten 6000 Jahren, so dass man sagen kann, dass eben nahezu niederschlagslose Bedingungen eben etwa um 2700 vor heute eingesetzt haben, dass es vorher aber auch schon einen kontinuierlichen Trend gab hin zu trockeneren Verhältnissen, während um 6000 eben sicherlich nicht das Optimum der letzten Feuchtzeit gefunden wurde, aber immerhin doch noch ausgesprochen günstige Lebensbedingungen."

    Als der Monsun noch kam, füllte Süßwasser die Seen von Ounianga, und Menschen siedelten an ihren Ufern. Dann veränderte sich die Erdachse ein wenig – und damit das Klima. Über 3000 Jahre hinweg wurde der Regen seltener, blieb schließlich aus. Der Sand siegte langsam, so Kröpelin:

    "Wir sehen in den Signalen, die hauptsächlich aus den Pollen und den Sporen rekonstruiert werden, ganz deutlich, wie sich die Vegetation geändert hat, dass es dort eben einen Übergang gab von einer wirklich sehr prächtig ausgebildeten Baumsavanne bis hin eben heute zu den absolut wüstenhaften Verhältnissen, wo also bis auf die Oase von Ounianga Kebir praktisch keine Vegetation mehr existiert, nicht einmal ein Grashalm."

    In Ounianga, wo einst Elefanten und Nashörner durch die Savanne zogen und Krokodile und Flusspferde sich in riesigen Seen badeten, überlebt heute noch nicht einmal mehr ein Skorpion.