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Schleichender Zerfall der Leber

Grundsätzlich kann sich das menschliche Immunsystem gegen das Hepatitis-C-Virus wehren, bei jeder dritten Infektion verschwindet der Erreger wieder. Doch in 50 bis 60 Prozent der Fälle versagen die Abwehrmechanismen: Es kommt zu einer chronischen Leberentzündung bis zum Endstadium, der Leberzirrhose.

Von Margrit Braszus | 18.07.2006
    "Ich bin betroffen, und woher das kommt, weiß ich nicht, ich bin sogar Abstinenzler. Und dann bin ich hier in die Uniklinik Freiburg und habe alle Untersuchungen machen lassen, und da sagten die zu mir zum Schluss: 'Ja, Sie haben auch Hepatitis C', dann habe ich ihn gefragt: 'Was, ein Virus?'"

    So wie dem 30-jährigen Jens Ahrens geht es den meisten Menschen, die sich mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert haben: Sie ahnen nichts davon, denn die Leberentzündung bereitet keine Schmerzen. Selbst wenn die Leberwerte nachweislich zu hoch sind, fühlen Hausärzte sich oft nicht alarmiert. Fatal für die Betroffenen, meint der Freiburger Hepatologe Prof. Dr.Robert Thimme :

    "Man sollte erhöhte Leberwerte aktiv nachverfolgen und unter anderem die Gelegenheit nutzen, auf eine Virus-Hepatits zu testen, dann kann verhindert werden, dass das eintritt, was wir häufig erleben, dass Patienten zu uns kommen, die über Jahre hinweg dokumentiert erhöhte Leberwerte haben und sich zu einer Phase vorstellen, wo die Lebererkrankung bereits fortgeschritten ist, vielleicht sogar zu einem Stadium, wo keine antivirale Therapie mehr möglich ist."

    Schwierig bei der Bekämpfung von Hepatitis C ist, dass das Virus - ähnlich wie das Aidsvirus - sich schnell verändert und verschiedene so genannte Genotypen des Virus existieren. In den USA überwiegt Genotyp 1, in Asien und Indien Genotyp 2 und 3, die auch nach Europa übergreifen: In Deutschland geht bereits jede dritte Infektion auf Genotyp 2 und 3 zurück. Wichtigstes Ziel bei der medizinischen Therapie ist es, die Anzahl der Viren, die sich billionenfach vermehren, zu reduzieren. Am besten funktioniert das mit Interferon, erklärt Prof. Dr. Jens Rasenack von der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg:

    "Einmal wirkt das Interferon virustatisch, also es bekämpft in den Zellen selbst die Viren, regt die Zellen an, dass sie sich gegen dieses Virus wehren, und es hat einen günstigen Effekt auf die Bildung von Leberzellkarzinomen. Die erfolgreiche Therapie bewirkt, dass das Entzündungsgeschehen und die Entwicklung einer Leberzirrhose nicht nur aufgehalten wird, sondern sogar rückgängig gemacht werden kann."

    Maximal 48 Wochen lang spritzt der Patient sich einmal wöchentlich Interferon und schluckt täglich das Medikament Ribavirin. Patienten, die sich mit Viren des Genotyps 2 und 3 infiziert haben, können durch die Kombination beider Präparate in der Regel geheilt werden. Von den Patienten, die mit Genotyp 1 infiziert sind, hat jeder zweite Heilungschancen.

    Der 43-jährige Michael Fröhlich, der nach einem Autounfall durch eine Blutkonserve mit Hepatitis C infiziert wurde, hat vor einem halben Jahr mit der Therapie begonnen:

    "Die Therapie hat mich schon gebeutelt. Ich konnte fast kein Auto mehr fahren, da hat sich alles nur noch gedreht um mich rum. Dann war ich zwei Wochen krank zu Hause, habe mich ausgeruht, weil ich nachts nur noch zwei Stunden schlafen konnte, Appetitlosigkeit, habe sieben Kilo abgenommen, das ist nicht so toll."

    Appetitlosigkeit, Schafstörungen, juckende Hautekzeme, depressive Verstimmungen – 10 bis 15 Prozent der Patienten brechen wegen starker Nebenwirkungen die Therapie ab. In der Forschung sucht man besser verträgliche Substanzen, und die Aussichten dafür sind gut. Prof. Dr. Thimme:

    "Daran wird gerade gearbeitet, es sind erfolgsversprechende Ansätze mit Medikamenten, die das Virus direkt angreifen, ähnlich wie bei HIV, dass die Vermehrung des Virus gehemmt wird, da laufen derzeit Studien, das ist ein wichtiger Aspekt, den Patienten das mitzuteilen, die Zukunft sieht eher rosig aus, es kommen hilfreiche Medikamente, die nicht die starken Nebenwirkungen haben."

    Neue Medikamente sind vor allem auch eine Chance für Patienten, die nicht auf die konventionelle Behandlung angesprochen hatten. Zwei große internationale Studien untersuchen die Wirkung einer vierjährigen, niedrig dosierten Interferon-Gabe, auch das körpereigene Histamin sowie das Parkinson-Medikament Amantadin werden erprobt. Bis die zurzeit getesteten Substanzen allgemein zugelassen sind, wird es noch mindestens fünf Jahre dauern.
    Um die Folgen der Therapie zu mildern und die Abheilungstendenz der Hepatitis zu fördern, setzt der Hepatologe Prof. Dr. Thomas Peters aus Basel auf einfache und nahe liegende Mittel:

    "Die Patienten müssen ausreichend mit Kalorien und Eiweiß versorgt werden, die Vitamine im natürlichen Zusammenhang sind wichtig, und das Dritte ist die Bewegung, damit wir den Muskelaufbau fördern, und der ist bei den Leberpatienten häufig gestört beziehungsweise. es kommt zu Muskelverlust, und daran erkranken die Patienten dann langfristig mehr als durch die Hepatitis selber."