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Schleim als Korallen-Stress-Barometer

Biologie. - Mit Korallenriffen verbindet man normalerweise bizarre Schönheit und Farbenpracht. Dass die Meeresschönheiten aber auch glibberigen Schleim produzieren, war bisher nicht so geläufig. Welche wichtige Funktion dieser Korallenschleim erfüllt, hat jetzt ein Forscherteam herausgefunden. Und möglicherweise obendrein einen Weg gefunden, wie man den Ursachen des weltweiten Korallensterbens auf die Spur kommen kann: Nämlich mit Hilfe einer genauen Korallenschleim-Analyse.

Von Gabi Mayr |
    Das Korallenriff leuchtet in sanften Pastelltönen. Tellergroße Steinkorallen stehen starr neben Weichkorallen mit pumpenden Polypen. Ein Hauch von Südsee und Great Barrier Riff in einem Aquarium des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. Meeresbiologe Christian Wild holt eine der flachen, runden Steinkorallen heraus, und es dauert gerade mal drei Minuten, bis das bräunlichgraue Lebewesen klaren, dünnflüssigen Schleim absondert:

    Sobald sie an der Luft sind, müssen die Korallenpolypen sich vor dem Austrocknen schützen und ein sehr wirksamer Mechanismus ist die Schleimproduktion. Ich tu sie jetzt mal wieder zurück, damit sie nicht leidet.

    Besonders viel Schleim produziert die Koralle, wenn sie unter Stress steht - das heißt, wenn sie trocken fällt oder außergewöhnlicher Verschmutzung etwa durch Schiffsverkehr und Abwässer ausgesetzt ist. Aber auch die entspannte Koralle sondert Schleim ab: Um sich zu reinigen und ihre Oberfläche zu schützen vor Bakterien und Bewuchs. Die Rolle des Korallenschleims im Naturkreislauf der Korallenriffe haben der Meeresbiologe Markus Hüttel und Kollegen untersucht:

    Diese Korallenriffe wachsen in Gebieten, die normalerweise sehr nährstoffarm sind. Und dennoch zeigen sie eine sehr, sehr hohe Produktion - das heißt, da finden wir Wachstumsraten, die dem entsprechen, was man normalerweise nur dort findet, wo auch viele Nährstoffe vorliegen.

    Die Korallen nutzen also die wenigen Nährstoffe höchst effektiv. Und das offensichtlich mit Hilfe des Korallenschleims. Denn der ist dort reichlich vorhanden, wo Korallen wachsen. Am Heron Island Riff vor der australischen Ostküste beobachtete Christian Wild dichte Schleimschwaden in dem flachen, warmen Wasser der Lagune zwischen Strand und Korallenriff: Ein Teil des Schleims löst sich im Wasser auf, ein anderer Teil funktioniert als Nahrungsfänger, und zwar....

    .... sorgt er durch die klebrige Matrix dafür, dass kleine Zooplankton- oder Phytoplanktonorganismen, kleine Algen, kleine Krebse aus dem Umgebungswasser an der klebrigen Schleim-Matrix haften bleiben und so dem Ökosystem Korallenriff neu hinzugewonnen werden.

    Ob angereichert oder pur - schließlich sinkt der Schleim in den sandigen Boden, erklärt Markus Hüttel:

    Der wichtige Punkt, der dann passiert, ist der, dass diese Schleimaggregate und auch der gelöste Schleim im porösen Lagunensand umgesetzt werden. Natürlich werden die Nährstoffe, wenn der Schleim im Sediment abgebaut wird, wieder frei und können zurück zu den Korallen gelangen, um diesen Kreislauf zu schließen.

    Ein ausgeklügelter, bewährter Kreislauf. Dennoch verändern sich seit etwa zehn Jahren vielerorts die farbenfrohen Korallenriffe zu ausgezehrten Skeletten. Klimaerwärmung und Meeresverschmutzung wurden rasch als Übeltäter ausgemacht. Aber eine Antwort auf die Frage, warum das Korallensterben so rasch voranschreitet, gibt es bisher nicht. Immerhin, auch das hat das Team rund um die Bremer Meeresbiologen festgestellt, liefert der Korallenschleim wichtige Informationen über den Zustand einer Koralle, denn es ist so....

    ... dass die kleinen Algen, die in der Koralle wachsen, frei gegeben werden können, wenn der Stress zu groß wird, und die finden wir dann auch in diesem Schleim.

    Korallenschleim als Korallen-Stress-Barometer. Liefert der Korallenschleim auch Hinweise, wie man kranken Korallen helfen kann? Korallenforscher Hüttel bleibt vage:

    Wenn wir feststellen würden, der Schleim hat die und die Inhaltsstoffe, wenn die Temperatur zu hoch ist, oder hat die und die Inhaltsstoffe, wenn der Stickstoffgehalt im Wasser zu hoch ist, dann könnte man hergehen und sagen: gut, ich hab das bei diesem Riff gefunden und dieses Riff ist in der Nähe eines Flusses. Wenn ich jetzt die Nährstofffrachten in diesen Fluss reduziere, geht es den Korallen besser - so könnte man sich das unter Umständen vorstellen.