Donnerstag, 25. April 2024

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Schleppende Visa-Vergabe für Hochschulen
"Diese Wartezeiten sind absolut unzumutbar"

Die langen Visa-Wartezeiten schreckten viele internationale Studierende und Forschende ab, sich für einen Aufenthalt in Deutschland zu entscheiden, sagte Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Dlf. Die Vergabe müsste durch mehr Personal in den Auslandsvertretungen deutlich beschleunigt werden.

Kai Gehring im Gespräch mit Jörg Biesler | 16.10.2018
    Gasthörer und Studenten der Uni Köln bei einem Vortrag in der Anatomie der Universität zu Köln. | Verwendung weltweit | Geisler-Fotopress / picture alliance
    Vorlesung an der Universität Köln: lange Wartezeiten für ausländische Studierende (Geisler-Fotopress / picture alliance)
    Jörg Biesler: Studieren in Deutschland - nicht für jeden ist es leicht, ein Visum zu bekommen. Das haben wir gerade gehört, und das gilt nicht nur für Studentinnen und Studenten, sondern auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Kai Gehring ist hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Bundestag, und die hat zur Situation eine kleine Anfrage an die Regierung gerichtet. Guten Tag, Herr Gehring!
    Kai Gehring: Guten Tag, ich grüße Sie!
    Biesler: Wie sind Sie überhaupt aufmerksam geworden auf das Thema?
    Gehring: Also das ist ein Thema, wo wir schon länger Whistleblower haben, die sich beschweren, seien es Organisationen, die sich um internationalen Austausch kümmern, Studierende, Spitzenwissenschaftler und Angehörige, dass die Visavergabe an manchen deutschen Auslandsvertretungen äußerst langsam verläuft. Das Fass zum Überlaufen brachte der Hinweis, dass es an der Deutschen Botschaft in Teheran über zwei Jahre dauern kann, bis man überhaupt einen Termin zur Abgabe eines Visumsantrags bekommt. Wenn man dann überlegt, dass man noch Däumchen drehen muss, bis dieser Visumsantrag dann bearbeitet ist, dann gehen da ja mal locker zweieinhalb bis drei Jahre ins Land, also die Dauer eines Bachelorstudiums oder einer zackigen Promotion. Diese Wartezeiten sind absolut unzumutbar, weil es internationale Studierende und Forschende abschreckt, sich für einen Aufenthalt in Deutschland zu entscheiden. Deshalb sagen wir, wenn wir Wissenschaftsnation und Land der Dichter und Denker sein wollen, dann müssen wir schneller werden für Hochqualifizierte und Spitzenforscher, die hier einen Aufenthalt wollen. Wir reden ja gerade viel über ein Einwanderungsgesetz, über den Mangel an Fachkräften, und dazu passt eine lange Visavergabe nicht.
    Biesler: Ja, es ist ja auch erklärter Wille der Bundesregierung, die deutschen Hochschulen zu internationalisieren. Dazu gehören natürlich auch Gäste aus dem internationalen Ausland. Sie haben Teheran erwähnt, das ist sozusagen die Spitze des Eisbergs, aber es ist in vielen deutschen Botschaften so, dass es verhältnismäßig lange dauert. Kann man denn etwas darüber sagen, wie es durchschnittlich aussieht oder wo es besonders schlimm ist?
    Sehr lange Wartezeiten in 20 Auslandsvertretungen
    Gehring: Also das Auswärtige Amt musste einräumen, dass es für Studierende und Forscher aktuell in 20 Auslandsvertretungen zu sehr langen Wartezeiten kommt, auch zwischen Terminanfrage und Termin über drei Monate oder bis über ein Jahr. Es wird davon gesprochen, dass das am ungewöhnlich starken Anstieg der Nachfrage liegt und an der Komplexität der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften, und es gibt dann ja auch gleichzeitig entscheidende Hinweise, wie man es ändern kann. Ich gehe davon aus, dass die deutschen Auslandsvertretungen gewissenhaft arbeiten, aber es braucht sicherlich mehr Personal, zusätzliche räumliche Kapazitäten und auch Verfahrensabläufe, die einfacher sind. Denn ich muss mich doch darauf verlassen, dass, wenn eine deutsche Hochschule einem Studierenden schon grünes Licht gegeben hat oder sogar ein Stipendium genehmigt ist, dass dann jemand studierfähig ist und nach Deutschland kommen kann. Wenn dann trotzdem eine deutsche Auslandsvertretung ablehnt, dann wirft das viele Fragen auf, oder wenn es so lange dauert, dass das Stipendium verfällt, dann ist das auch alles andere als adäquat. Deshalb muss man dringend dafür Sorge tragen, dass die Visavergabezeiten reduziert werden, denn wir wollen ja, dass wir für internationale Talente attraktiv sind. Deshalb würde ich sagen, spätestens nach drei Monaten muss man seinen Visumsantrag dann auch eingereicht haben können und auf eine sehr schnelle Entscheidung vertrauen müssen.
    Biesler: Das ist ja sonst wahrscheinlich auch nicht realistisch. Wenn man studieren will in einem Land, dann hat man ja meistens nicht Planungsvorläufe von zwei Jahren, in denen man dann halt mal irgendwas anderes macht, statt zu studieren. Sie haben gesagt, die Richtlinien sind sehr streng, und deswegen dauert es sehr lange, das Personal fehlt. Das Auswärtige Amt sagt ja, die Räumlichkeiten für mehr Personal, die können in Botschaften, weil das sicherheitsrelevante Gebäude sind, die man nicht eben mal umbauen kann, die können so schnell nicht geschaffen werden. Wie könnte man denn die Verfahren entschlacken?
    Stipendien verfallen während Visa-Vergabe
    Gehring: Also, Sie haben recht, dass es dringend notwendig ist, für mehr Räume zu sorgen, auch für mehr Personal zu sorgen. Wir haben auch einen Änderungsantrag im Auswahlverfahren, dass wir die Personalreserve des Auswärtigen Amtes aufstocken wollen, damit in den Konsulat- und Visaabteilungen auch schneller entschieden werden kann. Man kann sicherlich auch bei den Verfahren optimieren, selbstverständlich nicht bei Sicherheitschecks. Bei Sicherheitsbedenken wird kein Visum erteilt, aber dieses ständige Überprüfen der Studienmotivation, das geht zu weit. Wenn eine deutsche Hochschule gesagt hat, da bekommt jemand den Studienplatz und findet den Studienwunsch plausibel und hält es für richtig, dass genug Motivation vorhanden ist, dann sollte hier doch das eine entscheidende Voraussetzung sein, um erfolgreich in Deutschland zu studieren. Wie gesagt, es kann nicht sein, dass bei der Dauer der Visavergabeverfahren dann teilweise erteilte Stipendien oder erteilte Studienplätze verfallen oder auch jemand abgelehnt wird, der hier mit offenen Armen empfangen würde. Das ist schwierig, das ist schade, weil wir natürlich als Wissenschaftsnation attraktiv sein wollen.
    Biesler: Jetzt haben Sie die Fakten auf dem Tisch, also die Antwort auf die kleine Anfrage der Fraktion der Grünen ist erfolgt. Können Sie denn erkennen, dass sich da was tut jetzt?
    Gehring: Also wir haben das Auswärtige Amt da sicherlich stark sensibilisiert. Klar ist auch, dass das beste Einwanderungsgesetz zu verpuffen droht, wenn die Basics wie die Visavergabe derart langsam vonstattengehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es hier auch zu Verbesserungen kommt. Wir werden da auch weiter Druck machen in der Opposition, weil wir den Austausch von internationalen Talenten wollen, und dafür braucht es mehr Visa für Studienaufenthalte und Forschungsaufenthalte, und das gilt auch für, wenn da die nicht USA und China heißen, und deswegen braucht man hier in allen deutschen Botschaften auch Standards. Ich finde sowas wie beim Anerkennungsgesetz, wo man Monatsfristen drin hat, könnte man auch hier entsprechende Standards setzen, damit die Wartezeiten nicht so lange sind, sondern dann auch zackig und fundiert entschieden werden kann.
    Biesler: Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen im Bundestag zur Visavergabe an deutschen Botschaften und Konsulaten, die sich oft ziemlich in die Länge zieht. Danke, Herr Gehring!
    Gehring: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.