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Schleswig-Holstein
Grüner Minister geht wild zelten

Von Dietrich Mohaupt | 14.08.2014
    Robert Habeck ist ein deutscher Schriftsteller und Politiker.
    Grüner Minister Robert Habeck: "Eigene, unverwechselbare Programmatik aufbauen". (dpa/Bodo Marks)
    Da hat sich der Herr Minister ja einiges vorgenommen – bis zum Übernachtungsplatz liegen gut 17 Kilometer Fußmarsch vor Robert Habeck. Am Startpunkt bei Kiel lässt er sich den Streckenverlauf von Vera Breuer von der Stiftung Naturschutz erläutern.
    "Wir stehen jetzt ungefähr hier – wir werden jetzt durch das Vieburger Gehölz laufen und versuchen, hier auf die Landstraße zu treffen und dann durch das Meimersdorfer Moor den Eidertal-Wanderweg treffen" – "o.k.!" "Und dann werden wir auf dem Eidertal..." "Ist das der, wo diese Heckrinder stehen, ist das dieses Gebiet?" "Das ist das Gebiet, da werden Sie auf jeden Fall hinkommen, bei den Heckrindern werden Sie übernachten!"
    So liebt es der Minister: Durch Schleswig-Holsteins Wälder und moorige Wiesen wandern, entlang des noch völlig unverbauten Flüsschens Eider – dann die Übernachtung in freier Natur, in direkter Nachbarschaft zu einer Herde Heckrinder, einer den Auerochsen recht ähnlichen alten Hausrindrasse.
    "Das ist ja so ein bisschen das "Heimatland" noch einmal von einer anderen Seite – wild und fremd – erleben. Der ganze Plan ist ja, über diese Kampagne "Wildes Schleswig-Holstein" Natur als erlebbaren Raum – und das heißt für mich, als Raum großer Freiheit – deutlich zu machen. Und genauso fühle ich mich – frei!! Jetzt geht's los."
    Bislang ist diese Art Freiheit, wildes Campen nämlich, in Deutschland verboten. Zwei Jahre lang will die Stiftung Naturschutz das nun aber zunächst einmal auf bis zu fünf Testflächen ausprobieren – natürlich nach klaren Regeln, erläutert Vera Breuer.
    "Wir werden keine großen Gruppen zulassen, wir möchten auch nicht, dass die Menschen mit dem Auto anreisen oder mit lauter Musik, sondern es ist für Menschen gedacht die wandern, die auf ihrer Wanderung eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen und am nächsten Tag weiter wandern wollen."
    Im Klartext: Maximal zwei Zelte für jeweils höchstens drei Personen, kein offenes Feuer, sämtliche Abfälle müssen wieder mitgenommen – und die unvermeidlichen menschlichen Hinterlassenschaften ordentlich verbuddelt werden. Robert Habeck hat sich darauf eingestellt. Nach vier Stunden und 17 Kilometern baut er sein kleines Zwei-Mann-Zelt auf einer einsamen Wiese auf – seine gute Laune lässt er sich dabei auch nicht von einem leichten schleswig-holsteinischen Landregen vermiesen.
    "Das macht total Spaß – gleich leg' ich mich da schön rein, irgendwo habe ich noch eine Sturmlampe, und lese noch ein bisschen, und wenn ich Glück habe, dann finde ich auch noch eine Flasche Bier im Rucksack."
    Ganz nett, nur ohne roten Faden, findet der NABU den grünen Minister
    So ist er eben, der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein – jedenfalls präsentiert er sich vorzugsweise so in der Öffentlichkeit: als engagierter, natur- und umweltverbundener Grüner, als bodenständiger Politiker mit Vorlieben für das einfache Leben. Ganz nett, meint die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes BUND in Schleswig-Holstein, Ina Valenda. Nur leider ist ihr der grüne Minister oft nicht grün genug, es fehlt ein roter, bzw. eben grüner Faden in seiner Politik, kritisiert sie.
    "Was wir einfach nicht wissen ist, welche Vision hat er, wo Schleswig-Holstein sich hin entwickeln soll. Das haben wir ihn auch oft gefragt, wo sieht er z. B. die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein in 10 Jahren, in 15 Jahren? Es wird sehr viel an einzelnen Gesetzen herum gedoktert, aber es fehlt so ein Gesamtkonzept, wo soll die Reise eigentlich hingehen?"
    Ein sympathischer und netter Minister, aber zu lasch und nachgiebig gegenüber dem Bauernverband – so der Vorwurf der Umweltverbände. Ganz anders die Landwirte, die zwar auch nicht immer ganz glücklich mit allem sind, was Robert Habeck so treibt, und die ihn auch gelegentlich richtig attackieren. Prinzipiell habe man sich aber mit dem Minister und seiner Politik einigermaßen angefreundet, betont der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes, Werner Schwarz.
    "Es ist sachlich, es ist fachlich, und, das ist für mich ganz wichtig, dass wir nicht anfangen, emotional zu werden. Der Mensch Robert Habeck ist mir durchaus sympathisch, wir haben ein vertrauensvolles Verhältnis und die Zusammenarbeit ist bisher von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gekennzeichnet."
    Mehr noch: Robert Habeck könnte durchaus als Vorbild für den Rest der Republik und auch für die Politik in der Hauptstadt Berlin gelten – ein "Grüner" mit Potenzial quasi.
    "Ich glaube schon, dass das Modellcharakter auch für die Bundesrepublik haben kann – dass wir nicht auf Konfrontation sehen, sondern dass wir Prozesse einleiten, die weder in der Landwirtschaft zu Brüchen führen noch Unmögliches verlangen."
    Da ist doch was im Busch – Schwarz-Grün, glaubt Werner Schwarz, könnte mit Robert Habeck möglich sein – oder etwa nicht? Die üblichen Klassiker der Koalitionsarithmetik sieht der jedenfalls als überholt an. Schon im Landtagswahlkampf im Mai 2012 wollte er sich keinesfalls auf Rot-Grün als einzige Option festlegen. Sein Name taucht seither immer mal wieder auf, wenn es um neue Wege für die Grünen im Bund geht. Wenn das eigene Profil stimmt, so Robert Habeck, dann können und müssen die Grünen über alles nachdenken.
    "Man muss eine starke eigene Programmatik, eine eigene Linie, eine eigene Haltung aufbauen, und die muss so unverwechselbar sein, dass man den Spagat sowohl zur Linkspartei wie zur CDU aushalten kann."
    Lust am Camping in freier Wildbahn
    Und zu seiner ganz persönlichen Programmatik gehört eben auch die Lust am Camping in freier Wildbahn. Es ist ein Versuch, betont er – und für die Grünen vielleicht auch eine Chance, sich weiter von ihrem Image als Verbots- und Regulierungspartei zu befreien.
    "Letztlich hängt es auch an den Menschen – wenn das jetzt nach einem Jahr alles vermüllt und vollgekotet ist, dann werden wir sagen: Deutschland ist nicht reif genug, mit so viel Freiheit umzugehen, das wäre allerdings echt kläglich. Nun traut sich Politik mal, nicht immer nur Regeln zu erlassen, sondern Freiraum zu geben – wenn die Menschen das nicht vernünftig annehmen, dann verliert man den Glauben an Vieles glaube ich."
    Erstmal hat Robert Habeck aber beschlossen, die Nacht im Freien – bei zirpenden Grillen und vielleicht auch dem einen oder anderen Regentropfen – in vollen Zügen zu genießen.
    "So, Feierabend. Gute Nacht!"