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Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister fordert Wiedereinführung der Pendlerpauschale

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann hat sich hinter die Forderung von CSU-Chef Huber nach einer Rückkehr zur alten Pendlerpauschale gestellt. Angesichts der Mehreinnahmen des Staates sei es angemessen, einen Teil des Geldes an die Steuerzahler zurückzugeben, sagte der CDU-Politiker.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Finanzpolitischer Amoklauf in Bayern, so schimpft die SPD jetzt. Muss man Herrn Huber wegen seines Populismus in die Schranken weisen?

    Dietrich Austermann: Das ist natürlich eine völlig unangemessene Betrachtungsweise. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Staat, der in erheblichem Maße an der Preisexplosion bei den Spritpreisen profitiert, von den Windfall Profits einen großen Teil über die gestiegene oder steigende Mehrwertsteuer einsteckt, wenn man einfach die Differenz der Preise von vor zwei, drei Monaten sieht zu heute und sich anguckt, wie viel der Staat mehr einnimmt, dann ist es gerechtfertigt, damit zurückzugehen und zu sagen: Wir besinnen uns tatsächlich darauf, was eigentlich Werbungskosten sind - und Werbungskosten sind alle Ausgaben, die jemand hat, die sein Beruf mit sich bringt, die er hat, um überhaupt Arbeitslohn zu verdienen. Und das fängt nicht beim 21. Kilometer an, sondern es beginnt praktisch am Werkstor, so lange muss man nämlich fahren, um zum Arbeitsplatz zu kommen. Ich sage, es ist auch eine gesetzliche Verpflichtung, dies Ganze zurückzugeben, insofern hat der Bundesfinanzhof recht und der Bundesfinanzminister sollte ihm bald entsprechen.

    Klein: Das heißt, Sie sind voll und ganz an der Seite von Erwin Huber, wenn er für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale, so wie sie bisher stand, kämpfen will?

    Austermann: Ganz eindeutig ja, und zwar fordere ich dies seit Monaten, und ich bin der Meinung, es gibt fast jeden Tag eine stärkere Begründung. Wenn man sich allein die Preisentwicklung an den Zapfsäulen in den letzten Monaten anguckt, dann stellt man nicht nur fest, dass ja der Staat sowieso Haupteinnehmer ist bei Spritpreisen mit fast 70 Prozent, sondern auch am meisten einnimmt dadurch, dass die Preise nach oben gehen. Das gilt im Übrigen ja auch beim Strom und bei Lebensmitteln ganz genauso.

    Klein: Aber erstaunlich ist schon, Herr Austermann, dass Ihr Land ja damals sich durchaus für die Gesetzesänderung ausgesprochen hat, zumindest nicht wirklich Widerstand geleistet hat.

    Austermann: Das ist richtig, aber wie gesagt, es gibt diese neue Begründung, und diese neue Begründung heißt Preisentwicklung. Wir beklagen ja, dass die Arbeitnehmer heute immer weniger Geld in der Tasche haben, dass sie Reallohneinbußen haben. Die gegenwärtige Tarifrunde, die läuft, macht ja ganz deutlich, dass die Menschen es nicht hinnehmen wollen, dass sie immer mehr einbüßen, wenn sie arbeiten gehen und arbeiten fahren, und deswegen muss jetzt reagiert werden. Die Situation ist eine andere als zum Januar 2007, und auf diese muss man eingehen, dieser muss man Rechnung tragen. Ich sage, der Staat muss auch ein bisschen Druck vom tarifpolitischen Kessel nehmen.

    Klein: Aber die Situation hat sich insoweit nicht geändert, als es weiterhin gilt, den Haushalt zu sanieren - und würde die Pendlerpauschale wieder eingeführt werden, dann gelte es ja, ein Loch von 2,5 Milliarden zu füllen. Wie wollen Sie das tun?

    Austermann: Genauso hoch sind die Mehreinnahmen durch die gestiegenen Preise bei der Mehrwertsteuer beim Staat. Sie können das ganz leicht ausrechnen, bei 19 Cent auf eine Differenz von 20 Cent bei den Spritpreisen kommen Sie genau auf diese Größenordnung, das heißt, der Staat nimmt jetzt mehr ein, als er geplant hat, er nimmt im Übrigen sowieso wesentlich mehr ein, als er geplant hat, und das muss er den Arbeitnehmern zurückgeben, sonst haben die Leute immer weniger Lust, zur Arbeit zu fahren, und die Transferleistungen werden immer höher. Im Übrigen muss man natürlich seine Zweifel anmelden, wenn man sagt, der Staat spart. Bisher hat sich das Sparen beschränkt im Wesentlichen auf staatliche und steuerliche Mehrbelastung, aber nicht auf Kürzungen beim staatlichen Konsum.

    Klein: Aber genau diese Rechnung, die Sie jetzt aufgemacht haben, auf die will sich Bundesfinanzminister Steinbrück ja nicht einlassen. Er bleibt ganz klar bei seiner Haltung. Dennoch schon noch mal die Frage: Wie erfolgversprechend ist dieser Vorstoß, der aus Bayern jetzt kommt, wenige Monate vor der Landtagswahl dort?

    Austermann: Ich denke, dass es zwar einen zeitlichen Zusammenhang gibt zwischen der Landtagswahl, aber keinen direkten Bezug, wenn man sich die Entwicklung der Preise ansieht. Und ich glaube auch, das ist nach wie vor gerechtfertigt angesichts der Steuereinnahmen. Man muss sich vorstellen, dass der Staat zwischen 2006 und 2011 125 Milliarden mehr an Steuern einnimmt. Diese Steuern sind erwirtschaftet auch von den Arbeitnehmern. Wenn keiner zur Arbeit ginge, gäbe es kein Geld, und wenn die Leute zur Arbeit gehen, dann müssen sie auch merken, dass sie davon etwas haben, dann kann man nicht pausenlos Kürzungen verfügen und sich hinterher wundern, dass die Bereitschaft, sich für wenig mehr als Transferleistungen auch anzustrengen, nicht mehr da ist. Also, insofern hier eine Verpflichtung, diesen großen Teil an Mehreinnahmen auch teilweise an die Arbeitnehmer zurückzugeben - das muss auch einem Finanzminister einleuchten, der im Übrigen sich ja bisher durch Sparaktionen überhaupt nicht ausgezeichnet hat, insofern den Menschen gar nicht deutlich machen kann, dass in seinem Haus ein Vorbild geleistet wird.

    Klein: Herr Austermann, abschließend: Wird Ihr Bundesland, wird Schleswig-Holstein auch einen entsprechenden Vorstoß vornehmen, oder ist das jetzt Ihre Meinung einfach als einzelner Minister in dem Kabinett in Kiel?

    Austermann: Nein, wir überlegen konkret, welche Maßnahmen man treffen kann, Arbeitnehmer tatsächlich zu entlasten, und das muss an verschiedenen Stellen geschehen, ein Beispiel ist die Arbeitnehmerregelung bei der Kilometerpauschale.

    Klein: Dietrich Austermann, CDU, Minister für Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein war das. Danke für das Gespräch, Herr Austermann!