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Schlicht und effizient

Umwelt. - Die fehlende Abwasseraufbereitung in Entwicklungsländern soll laut Weltbank für 80 Prozent der Krankheitskosten verantwortlich sein. Auf der Fachmesse IFAT in München haben sich Fachleute deshalb Gedanken darüber gemacht, welche Lösungen für Entwicklungsländer in Frage kommen.

Von Hellmuth Nordwig |
    Schon mal etwas von "fliegenden Toiletten" gehört? In Kibera, einem Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi, da gibt es so etwas. Einfach eine Plastiktüte statt Klo verwenden, und das Ganze in hohem Bogen aus dem Fenster werfen. Was die Website "Tears of Africa" da vorstellt, ist Alltag in vielen Entwicklungsländern. Kanalsysteme sind dort häufig zu teuer. Doch es gibt auch viel einfachere Lösungen. Vorausgesetzt, man sammelt Fäkalien und Urin getrennt von dem Abwasser, das etwa beim Abspülen oder Duschen entsteht. Dieses so genannte Grauwasser ist nur wenig mit Keimen belastet, sagt Dr. Michael Beckereit vom kommunalen Betrieb Hamburg Wasser.

    "Dieses Grauwasser hat eine relativ geringe Verschmutzung und kann in einer einfachen Behandlungsanlage gereinigt werden, so dass es dann in ein Gewässer eingeleitet werden kann oder für andere Nutzungen zur Verfügung steht."

    Zur Behandlung des Grauwassers genügt eine einfache Mini-Kläranlage, die ohne große Kosten dezentral installiert werden kann. Das ist auch am Rande eines Slums möglich oder in kleineren Dörfern. Bassim Abbassi, Professor an der Hochschule Al-Balqa in Jordanien, untersucht solche Möglichkeiten in einem Projekt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.

    "Eine dezentrale Behandlung erlaubt es, das Wasser dort wieder zu verwenden, wo es anfällt. Auch in kleinen Gemeinden ist das sinnvoll. Dort kann das gereinigte Grauwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft verwendet werden. Das ist gerade dort attraktiv, wo Wasser knapp ist, wie in unserer Region."

    Auch die menschlichen Exkremente können noch gute Dienste leisten. Voraussetzung ist, dass dieser Teil des Abwassers nicht, wie hier zu Lande mit viel Wasser verdünnt wird. Denn so eklig eine konzentrierte Fäkalienbrühe für uns ist – für bestimmte Bakterien ist sie ein gefundenes Fressen. Die Mikroorganismen erzeugen daraus Gase, aus denen man Energie gewinnen kann. In Kläranlagen geschieht das schon jetzt, wenn auch wenig effektiv wegen der großen Verdünnung. Auch viele Landwirte erzeugen aus den Abfällen ihres Betriebs Biogas.

    "Was wir heute auch schon nutzen, was wir aber durch den konzentrierteren Abwasserstrom in wesentlich größerer Menge gewinnen würden. Wir wären also in der Lage, bei einer entsprechenden Behandlung soviel Energie zu produzieren, dass wir die gesamte Behandlung des Abwassers mit dieser gewonnenen Energie bestreiten könnten."

    Dazu müsste es allerdings gelingen, die Exkremente getrennt vom Rest des Abwassers zu sammeln. Hierzulande wären Vakuumtoiletten eine mögliche Lösung, man kennt sie aus dem ICE oder aus dem Flugzeug. In Entwicklungsländern gibt es eine einfachere Option, meint Michael Beckereit von Hamburg Wasser.

    "Das von unseren Großvätern benutzte Plumpsklo wieder einzusetzen und die Entsorgung desselben über Fahrzeuge zu bewerkstelligen, die an zentraler Stelle die menschlichen Abgänge einer Entsorgung zuführen: Das wäre das System, übertragen auf die Rahmenbedingungen, die wir in solchen Städten vorfinden."

    Das Abwasser in zwei Anteile aufzutrennen – diese Idee gibt es schon lange, auch für die Entsorgung bei uns. Dem steht vor allem eines im Weg: Die vorhandenen Installationen in den Häusern müssten durch einen weiteren Strang ergänzt werden. Bisher gibt es nur wenige Gebäude, in denen das geschehen ist und wo mit Vakuumtoiletten experimentiert wird. In Hamburg soll sich das jetzt ändern: Geplant ist das europaweit größte Demonstrationsprojekt, eine neue Siedlung für 3000 Einwohner. Sie soll von vornherein so ausgelegt werden, dass die Abwasserströme getrennt werden. Die Hansestadt will damit zeigen, dass so etwas auch hier zu Lande sinnvoll ist. Auch wenn wir uns nicht vor "fliegenden Toiletten" hüten müssen.