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"Schlicht und einfach ihre Rolle klar definieren"

Hochschulräte - vielen sind sie ein Dorn im Auge. Zuviel Bürokratie, "Klüngel" und wenig Transparenz. Nun hat die Heinz-Nixdorf-Stiftung zusammen mit dem Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung das "Handbuch Hochschulräte" als Wegweiser für gute Hochschulpolitik herausgebracht.

Ulrich Müller im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 09.09.2010
    Ulrike Burgwinkel: Angekündigt als Empfehlungen für ein umstrittenes Gremium, umstritten – also schon im Titel – des "Handbuch Hochschulräte", herausgegeben vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der Heinz-Nixdorf-Stiftung und dem Centrum für Hochschulentwicklung, dem CHE.

    Heute Mittag eben vorgestellt - und Ulrich Müller vom CHE hat die zugrunde liegende Studie mit geleitet. Guten Tag nach Berlin!

    Ulrich Müller: Guten Tag, ich grüße Sie!

    Burgwinkel: Herr Müller, was war denn die Basis für das Handbuch?

    Müller: Eigentlich eine dreifache. Wir haben natürlich uns die Länderregelung angeschaut, da gibt es ja wie üblich kein deutsches Modell, kein einheitliches, sondern 15 verschiedene – Bremen hat ja keinen Hochschulrat. Wir haben zweitens natürlich die Forschungsliteratur, die existiert, ausgewertet, aber drittens, das ist das Wichtigste, wir haben viele Interviews geführt mit, ja, Betroffene sagt man jetzt nicht, mit Hochschulräten, mit Präsidenten, Rektoren, Ministerienvertreter, und haben die einfach gefragt: Wie funktioniert das? Weil uns hat interessiert die Frage: Die einen Hochschulen sagen, der Hochschulrat ist Gold wert, ist wirklich ein Gewinn für die Hochschule. Und die andere Hochschule sagt, da ist ein Haufen von Amateuren, die man nicht ernst nehmen kann, die aber sich sehr wichtig nehmen. Was stimmt jetzt von beidem?

    Burgwinkel: Ja, und welche Ergebnisse konnten Sie daraus filtern, wenn es so disparate Ergebnisse waren?

    Müller: Es stimmt beides. Also ich würde ja gerne den Slogan aus der Betonindustrie reinbringen. Die haben mal gesagt: Es kommt drauf an, was man draus macht. Und im Prinzip gilt das für Hochschulräte genauso. Also Hochschulräte können einen großen Schaden anrichten, wenn sie falsch besetzt sind, falsch konstruiert sind, zum Beispiel als Landeshochschulrat, wenn sie selbstherrlich agieren. Da gibt es ja auch genügend Beispiele, die durch die Presse gegangen sind. Oder wenn sie nicht unterstützt werden durch die Hochschule. Sie können aber ein echter Gewinn werden für die Hochschule, wenn sie ihre Rolle gut definieren, wenn sie kundig sind, also die richtigen Leute, die richtige Tagesordnung und das richtige Vorgehen haben.

    Burgwinkel: Ja, gut, aber was ist richtig? Haben Sie da Empfehlungen ausgearbeitet jetzt?

    Müller: Ja, also man könnte zusammenfassend sagen, die Hochschulräte in Deutschland funktionieren vielleicht noch nicht überall perfekt, aber sind auf dem Weg, ein Erfolg zu werden, zumindest ist das zu befördern, wenn drei Akteure ein wenig sich anders verhalten als bisher. Fangen wir mit der Politik mal an: Es gibt in den Gesetzen, die sehr unterschiedlich sind, auch sehr verschiedene Erfahrungen natürlich in den Ländern aufgrund der Unterschiedlichkeit der Gesetzeslage. Und man kann ein bisschen beobachten, was hat sich bewährt und was hat sich nicht bewährt. Zum Beispiel hat sich nicht bewährt, wenn Hochschulräte operative Details übernehmen müssen, meinetwegen Studienordnungen durchwinken oder diskutieren über einzelne Leistungszulagen von Professoren. Das gehört nicht dahin. Die müssen auf einer strategischen Ebene sich beschäftigen mit der Hochschule.
    Ein weiterer Punkt wäre, es fehlt halt jetzt eine Rechenschaftspflicht. Wem kann denn der oder wem muss denn der Hochschulrat Rechenschaft ablegen, ob er eine gute Arbeit macht? Dann – Sie hatten es eben schon erwähnt, das Beispiel Paderborn – unhaltbare Hochschulratsmitglieder müssen abgerufen werden können, das gibt es derzeit auch nicht.
    Und was das Thema Landeshochschulrat angeht, das gibt es in Schleswig-Holstein und Brandenburg, das ist eine absolute Fehlkonstruktion. Das wäre sozusagen die Verantwortung der Politik. Wenn wir zu den Hochschulen gehen, die müssen die Hochschulräte unterstützen, sie müssen ernst nehmen und vielleicht in Teilzeit, vielleicht in Vollzeit eine Geschäftsstelle bereitstellen, einfach auch um sicherzustellen, dass die entscheidungsfähige Unterlagen haben. Sie müssen den Hochschulrat in entsprechende, in die entscheidenden Fragestellungen einbeziehen.
    Und die Hochschulräte selber, um beim letzten Akteur zu bleiben, die müssen auch schlicht und einfach ihre Rolle klar definieren in diesem Machtgefüge, dem neuen, zwischen Hochschulleitung, Hochschulrat und Senat. Sie müssen von sich aus auch ganz stark die hochschulinterne Kommunikation suchen. Sie sprachen eben auch davon, dass teilweise Akzeptanzprobleme existieren, die kann man nur so regeln, wenn man offen redet und die Ergebnisse, die man zustande bringt, auch klar kommuniziert und begründet.

    Burgwinkel: Optimal wäre ja eine Identifikation der jeweiligen Hochschulräte mit genau der Hochschule, an der sie gerade bestellt sind.

    Müller: Natürlich, das ist …

    Burgwinkel: Also Alumni zum Beispiel.

    Müller: Ja, auch das wäre eine Möglichkeit, auf die man zurückgreifen könnte. Wichtig ist, dass sobald jemand Hochschulrat ist, also Mitglied eines Hochschulrates, ist es seine Aufgabe, das Beste für die Hochschule zu suchen. Er bringt zwar seine individuelle Perspektive rein, aber er muss sich dafür einsetzen, dass die Hochschule ihre Ziele, ihre Aufgaben gut erledigen kann.

    Burgwinkel: Was sagen Sie denn jetzt abschließend, Herr Müller, den Kritikern der Räte, die zum Beispiel eine zu enge Bindung an die Wirtschaft oder zu starke Einflussnahme bei der Rektorenwahl bemängeln, sogar manche sprechen von einer Einschränkung der Hochschulfreiheit. Sehen Sie deren Argumente jetzt entkräftet durch Ihre Studie?

    Müller: Entkräften kann man auf jeden Fall den Vorwurf, ein Hochschulrat sei ein trojanisches Pferd mithilfe derer die Wirtschaft Macht erlangt über die Hochschule. Das bestätigt sich rein empirisch nicht. Aus der Wirtschaft stammt nur ungefähr jedes dritte Mitglied, jedes zweite ist aus der Wissenschaft. Ansonsten würde ich das konstruktiv drehen und sagen, ein Hochschulrat entfaltet dann seine wahre Stärke, nicht indem er dominiert – dann polarisiert er und dann spaltet er –, er entfaltet seine wahre Stärke, wenn er im Zusammenspiel mit Hochschulleitung und Senat einfach ein gutes Gegenüber ist, ein kritisches, aber freundliches Gegenüber. Und aus diesem Miteinander, nur so kommt das Potenzial zur Geltung.

    Burgwinkel: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch an Ulrich Müller vom CHE, vom Centrum für Hochschulentwicklung. Heute wurde vorgestellt das "Handbuch Hochschulräte". Und wer gerne noch mehr erfahren möchte, der kann nachschauen im Internet ganz einfach unter der Adresse hochschulraete.de.