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Schlichtheit ist Trumpf

Umwelt. - Im italienischen Florenz wurde gestern offiziell der Weltkongress für Erneuerbare Energien eröffnet. Die alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung erörtert Stand und Trends rund um die Technik umweltfreundlicher Energiequellen.

Von Volker Mrasek |
    Der Weltkongress für Erneuerbare Energien in Florenz hat gerade erst begonnen. Donald Swift-Hook bittet deshalb zunächst einmal um Nachsicht:

    "Wie viele es diesmal sind, kann ich Ihnen noch nicht genau sagen. Aber vor zwei Jahren, auf dem letzten Weltkongress für Erneuerbare Energien in den USA, hatten wir Teilnehmer aus 108 Ländern der Erde."

    Swift-Hook ist Sekretär des Globalen Netzwerkes für Erneuerbare Energien, einer gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in England. Sie richtet regelmäßig den Weltkongress für alternative Energieformen aus. Es ist inzwischen schon der neunte. Erneuerbare Energien seien inzwischen zu einer wahren Welt-Bewegung geworden, so der studierte Mathematiker und Elektronik-Ingenieur. Es gebe kaum ein Land, in dem sie heute noch nicht eingesetzt würden.

    Wie der Kongress zeigt, ist die Entwicklung in den Industriestaaten der westlichen Welt am weitesten. Dort, sagt Swift-Hook, stehe das technische Know-how und auch das nötige Investitionskapital zur Verfügung, um zum Beispiel Windkraftanlagen oder Sonnen-Kollektoren zu bauen. Doch die englische Stiftung arbeitet auch an Konzepten für ärmere Regionen der Erde. In Florenz berichtet Swift-Hook jetzt über jüngste Erfolge in einem Land, das sonst eher als Kriegsschauplatz Schlagzeilen macht:

    "Vor drei Monaten war ich in Afghanistan. Wir haben dort über Konzepte für Windkraftanlagen gesprochen. Und wir haben demonstriert, wie man mit einfachsten Mitteln und für gerade mal 60 Dollar Wasserkocher baut, die mit Sonnenenergie arbeiten. Dafür braucht man lediglich Holz, Glas und ein paar Kunststoff-Bauteile. So etwas wird in einem Land wie Afghanistan wirklich gebraucht. Keine Hightech, sondern billige und einfache Lösungen."

    Auch im führenden Industriestaat USA kommen die Dinge stärker in Gang. Die Regierung in Washington verweigert sich zwar weiter dem Kioto-Klimaschutzprotokoll. Außerdem verfolgt sie unbeirrt ihren Plan, neue Öl-Lagerstätten zu erschließen, zum Beispiel in der Arktis. Doch einzelne US-Bundesstaaten haben damit begonnen, regenerative Energien stärker zu fördern. Stanley Bull schilderte heute auf dem Kongress in Florenz einige der Projekte. Der Chemieingenieur ist Forschungsdirektor im Staatlichen Labor für Erneuerbare Energien in den USA:

    "Kalifornien und New Jersey haben Quoten festgelegt, die erneuerbare Energien bald im gesamten Energie-Mix erreichen sollen. Texas ist inzwischen Spitzenreiter bei der Installation von Windturbinen. Auch Staaten im Mittleren Westen wie Minnesota und Iowa setzen immer mehr auf Windkraft. Noch stärker nimmt im Moment nur die Nutzung der Sonnenenergie zu. Den größten Zuwachs gibt es bei der Photovoltaik. In Arizona und in Kalifornien sind die Hausdächer fast alle flach - ideale Bedingungen, um sie mit Solarzellen nachzurüsten."

    Kalifornien war der weltweit erste Standort von solarthermischen Kraftwerken. Solche Anlagen bündeln das Sonnenlicht, bringen damit ein Arbeitsmedium zum Verdampfen, und eine angeschlossene Turbine speist den Dampf in einen Stromerzeuger. In Spanien entsteht derzeit das erste kommerzielle Sonnenkraftwerk Europas. Nordafrikanische Länder wollen die Technologie ebenfalls einführen. In den USA dagegen herrschte fast zwei Jahrzehnte lang Stillstand. Laut Stanley Bull ändert sich das jetzt:

    "In Nevada entstehen bald neue Anlagen. Und hier in Florenz ist zu hören, dass auch Kalifornien zusätzliche Solarkraftwerke bauen will. Man muss einfach sagen: Viele US-Bundesstaaten sind fortschrittlicher als die Regierung in Washington."

    Der Weltkongress in Florenz beginnt also mit angenehmen Neuigkeiten. Erneuerbare Energien erreichen heute zunehmend auch Entwicklungsländer. Und in den USA könnte eine Art Bewegung von unten dafür sorgen, dass die Regierung in Washington ihre klima- und energiepolitischen Grundsätze vielleicht bald revidiert.