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Schlichtungsstelle Mobilität des VCD schließt zum 1. Dezember

Fällt ein Flug aus, können Reisende auf Entschädigungen hoffen, für die es in der Europäischen Union klare Regeln gibt. Aber immer wieder versuchen Airlines, sich darum zu drücken. Dann half bisher die Schlichtungsstelle Mobilität des Verkehrsclubs Deutschland - doch sie soll zum 1. Dezember schließen.

Von Ruth Reichstein |
    Stellen Sie sich vor: Sie wollen in den wohlverdienten Winterurlaub fliegen und plötzlich fällt Ihr Flug aus. Sie müssen den Urlaub verschieben, vielleicht sogar absagen. Für diese Fälle sieht die Europäische Union klare Entschädigungsregelungen vor. Aber immer wieder versuchen Airlines, sich um diese Zahlungen zu drücken. Für solche Fälle gab es bisher die Schlichtungsstelle Mobilität des Verkehrsclubs Deutschland in Berlin. Aber die soll zum 1. Dezember geschlossen werden.

    Wenn sich Peter Lenhardt die Fotos von seinem letzten Urlaub in Kalifornien anschaut, huscht immer wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ist der 50-Jährige zwei Wochen lang den Highway Number One entlang gefahren. Schöne Erinnerungen. Aber die Rückreise war für das Paar aus Bergheim bei Köln wahrlich kein Vergnügen. Peter Lenhardt erinnert sich:

    "Wir kamen zum Flughafen LA, wollten einchecken bei Air India. Mussten dann feststellen, dass Air India die Flugverbindung von LA nach Frankfurt komplett eingestellt hat. Das war uns nicht bekannt. Wir haben dann versucht, einen Ansprechpartner zu finden, aber es war keiner für uns da."

    Keiner kümmerte sich um das Paar. Erst nach langen Verhandlungen mit einer anderen Fluggesellschaft und dem Flughafenpersonal schaffte es Peter Lenhardt, einen Rückflug zu organisieren - am nächsten Tag. Die Hotelkosten hat das Paar selbst bezahlt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland bat Lenhardt bei der Fluggesellschaft Air India um die Rückerstattung. Ohne Erfolg:

    "Ich habe Air India angeschrieben, Einschreiben dahin. Keine Antwort erhalten. Habe mich dann nach ungefähr acht Tagen telefonisch gemeldet. Wurde vertröstet, die Sachbearbeiterin wäre im Augenblick nicht da, habe fünf, sechs Tage später wieder angerufen. Immer wieder der gleiche Spruch."

    Das ist kein Einzelfall. Jedes Jahr scheitern mehrere Tausend Fluggäste, wenn sie nach annullierten oder verspäteten Flügen Entschädigungsleistungen fordern, die ihnen eigentlich zustehen. Bisher konnten sie sich mit ihren Problemen an die Schlichtungsstelle Mobilität in Berlin wenden.

    Der Verkehrsclub Deutschland unterstützt im Auftrag der Bundesregierung Fluggäste, wenn die Airlines nicht bezahlen wollen. Auch Peter Lenhardt hat hier Hilfe bekommen: Die Schlichtungsstelle verhandelte für ihn mit Air India und schon ein paar Wochen später hatte er das Geld auf seinem Konto.
    Aber ab dem 1. Dezember bekommen Fluggäste wie Lenhardt diese Hilfe nicht mehr. Die Schlichtungsstelle Mobilität wird geschlossen. Zumindest in ihrer bisherigen Form, erklärt Birgit Zandke-Schaffhäuser, juristische Leiterin der Schlichtungsstelle:

    "Die Schlichtungsstelle Mobilität ist ein Projekt des Bundesverbraucherschutzministeriums, voll finanziert gewesen und angesiedelt beim Verkehrsclub Deutschland. Ende November endet unsere Finanzierung und es wird dann eine gänzlich neue Stelle geben, die auch verkehrsträgerübergreifend arbeiten soll, aber die zunächst nur von den Bahnen finanziert wird."

    Das heißt: Bei der neuen Stelle können sich in Zukunft nur noch Bahnkunden beschweren. Für Flugpassagiere gibt es keine Anlaufstelle mehr. Die Airlines wollen dafür nicht bezahlen ... und erst einmal kann sie dazu auch niemand zwingen. Denn Schlichtungsstellen sind laut EU-Gesetzen ausschließlich für Bahnkunden vorgeschrieben. Fluggesellschaften können, müssen sich daran aber nicht beteiligen. Ein Skandal, findet der EU-Abgeordnete der Grünen, Michael Cramer:
    "Ich finde das unglaublich, weil das zulasten der Kunden geht. Wenn ich mich als einzelner Fluggast jedes Mal darum kümmern muss: Was wird ersetzt, was nicht. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten. Dann werde ich genervt, zeitlich und finanziell und irgendwann gebe ich auf. Das ist kundenfeindlich, was die da machen."

    Jedes Jahr haben sich rund 4000 Fluggäste an die Schlichtungsstelle gewandt mit Forderungen, die den Passagieren gesetzlich zustehen: Innerhalb der EU müssen Fluggesellschaften zum Beispiel für einen annullierten Flug bis zu 600 Euro Schadensersatz bezahlen. Birgit Zandke-Schaffhäuser:
    "Grundsätzlich geht es im Flugverkehr so, dass es hier bei 50 Euro Streitwert losgeht. Es kommt aber auch vor, dass es sich um 4000 oder 5000 Euro handelt."

    Im zuständigen Bundesverbraucherschutzministerium gibt es nur eine schriftliche Stellungnahme zur Zukunft der Schlichtungsstelle. Darin heißt es lediglich, die Bundesregierung werde sich bemühen, eine Schlichtungsstelle für alle Verkehrsmittel - also auch für Flugpassagiere - gesetzlich zu verankern. Wie lange das noch dauern wird und wie genau diese Stelle organisiert werden soll, ist aber völlig offen.

    Bis dahin bleibt den Fluggästen nur der langwierige Weg vor Gericht. Viele werden den erst gar nicht gehen.