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Schlummernde Gewalt in der Tiefe

Geologie. - Gestern ereignete sich in Südwestchina ein verheerendes Erdbeben - mit 12.000 wird die Zahl der Opfer bislang angegeben, zahllose weitere gelten als vermisst. Monika Sobiesiak, Seismologin vom Geoforschungszentrum Potsdam, erläuterte im Gespräch mit Uli Blumenthal die Ursachen der Erdstöße.

    Monika Sobiesiak: Bei diesem Erdbeben handelte es sich um ein so genanntes Intra-Plattenbeben. Das heißt, normalerweise kommen die Erdbeben gehäuft an den Plattengrenzen vor. Die Erdkruste teilt sich in verschiedene Platten und durch die Bewegung dieser Platten aneinander entstehen dann die Erdbeben. In diesem Fall ist es wie gesagt ein so genanntes Intra-Plattenbeben, weil dadurch, dass natürlich an den Grenzen dieser eurasischen Platte verschiedene Bewegungszustände auftreten, gibt es auch innerhalb dieser Platte Spannungen, die dann zu großen Erdbeben führen können.

    Uli Blumenthal: Ist das eher ungewöhnlich oder eine häufige Ursache für Erdbeben, dass es nicht an den Rändern einer Platte passiert, sondern dass es in der Platte selbst passiert?

    Sobiesiak: Ich würde sagen, ungewöhnlich nicht, weil wir immer wieder Intra-Plattenbeben gehabt haben, wir können die auch historisch belegen. Sagen wir einmal so, sie sind weniger vorhersehbar als die Erdbeben, die an den Plattenrändern stattfinden. Das heißt, sie sind unberechenbarer, sowohl in der Magnitude als auch in der Wiederkehrperiode. Also dieses Gebiet ist bekannt für die Erdbeben, weil es findet auf einer Verwerfung statt, die bekannt ist. Von daher gab es auch schon in historischen Zeiten dort in dem Gebiet größere Erdbeben auch ähnlicher Magnitude, das heißt, durchaus Stärke sieben und größer.

    Blumenthal: Aber das war jetzt kein Risikogebiet, wo Sie als Seismologin sagen, in den nächsten 10, 20,30 Jahren muss mit einem solchen Erdbeben gerechnet werden?

    Sobiesiak: Das ist sehr schwer für diese Art Intra-Plattenbeben, das so einzugrenzen. Sie wissen, wir können Erdbeben noch nicht, vor allen Dingen in der Zeit noch nicht sehr genau vorhersagen. Wir wissen sehr genau, wo Beben entstehen können und wo es seismisch aktive Gebiete gibt, aber wir können vom Zeitpunkt her sehr schwer Erdbeben vorherzusagen. Und gerade bei diesen Intra-Plattenbeben ist es relativ schwierig.

    Blumenthal: Das verheerende Erdbeben in Südwestchina hatte eine Stärke von 7,8 auf der Richterskala. Jetzt wird vor schweren Nachbeben gewarnt, die bis zu 6,5 auf der Richterskala erreichen können. Ist das Panikmache und Spekulation oder gibt es dafür realistische Grundlagen?

    Sobiesiak: Nein, dafür gibt es realistische Grundlagen, das ist auch schon relativ gut erforscht, das heißt, jedes Beben kreiert auch wieder eine große Anzahl an Nachbeben. Vor allen Dingen bei einem Beben dieser Magnitudenklasse können Sie mit mehreren hundert Beben pro Tag rechnen, die sowohl relativ hohe Magnituden von sechs bis 6,5 durchaus haben können, allerdings auch sehr viele kleine. Die Magnitude als auch die Häufigkeit der Nachbeben, die auftreten, nimmt allerdings im Lauf der Zeit ab.

    Blumenthal: An der Tibet-Eisenbahn gibt es seit August 2007 ein Frühwarnsystem, zehn Erdbebenüberwachungsgeräte entlang der Bahnstrecke. Die Auswirkungen dieses Erdbebens waren ja wohl bis Tibet zu spüren, welche anderen Frühwarnsysteme gibt es in China, um vor solchen Erdbeben zu warnen?

    Sobiesiak: Also in China selbst ist mir weiter kein Frühwarnsystem bekannt. Hier in Europa soll jetzt demnächst für Istanbul ein Frühwarnsystem installiert werden. Das ist allerdings alles noch in der Erprobung und muss eben zunächst einmal noch getestet werden.

    Blumenthal: Das Erdbeben hatte eine Stärke von 7,8 auf der Richterskala. Was sagt diese Einstufung über die freigesetzte Energie, kann man das quantifizieren?

    Sobiesiak: Also man kann zumindest sagen, wie lang zum Beispiel ein solcher Bruch sein würde, der diese Magnitude hat. Wir liegen da bei so 200 Kilometern Bruchlänge. Die Bruchlänge des Erdbebens, das damals den großen Tsunami hervorgerufen hat in Sumatra, hatte eine Bruchlänge von 1200 Kilometern und hatte eine Magnitude von über neun. Da kann man ungefähr die Größenordnung daran ersehen.