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Schluss mit Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen

Frankreich will per Gesetz den Einsatz von Bisphenol A in allen Lebensmittelverpackungen untersagen. Die Chemikalie ist in Kunststoffen enthalten und soll Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit und das Hormonsystem haben. Deutschland tut sich mit einem Verbot noch schwer.

Von Suzanne Krause | 11.10.2011
    Auch Babyflaschen enthalten Bisphenol A.
    Auch Babyflaschen enthalten Bisphenol A. (picture alliance / dpa/ Weng lei - Imaginechina)
    Ab dem 1. Januar 2014 sollen in Frankreich alle Verpackungen im Lebensmittelbereich komplett frei von Bisphenol A sein, fordert das aktuelle Gesetzesprojekt. Für Kleinkindnahrung und Babygeschirr soll dies sogar schon ab 2013 gelten. Nur Dänemark verfügt bis heute über ein ähnliches Gesetz, allerdings begrenzt auf Produkte für Kinder bis drei Jahre: Lebensmittelverpackungen, Geschirr, Beißringe, Spielzeug. Das reicht nicht aus, meint die Ärztin Michèle Delaunay. Die sozialistische Parlamentarierin hat einen Bericht zum Gesetzesprojekt verfasst.

    "Bisphenol A gelangt hauptsächlich über die Nahrung in den menschlichen Körper. Und am gefährdetsten ist eine bestimmte Bevölkerungsgruppe: Neugeborene, wahrscheinlich auch Ungeborene sowie Kleinkinder. All die, bei denen der Organismus noch im Aufbau ist. Um kleine Kinder zu schützen, müssen wir Maßnahmen für die gesamte Bevölkerung ergreifen. Ein Beispiel: 39 Prozent des Bisphenol A, das ein Säugling aufnimmt, stammt aus der Muttermilch. Und einige Monate nach der Geburt werden einem Säugling auch beispielsweise zerquetschte Dosenerbsen beigefüttert."

    Das Gesetzesprojekt hat politisch einigen Rückenwind. Denn zwei Tage bevor Michele Delaunay Ende September ihren Bericht präsentierte, veröffentlichte die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit die Ergebnisse zweier Studien. Die eine listet seitenlang all die Alltagsprodukte auf, die Bisphenol A enthalten. Bei der anderen, eine Metastudie, wurden sämtliche bisherigen Forschungsarbeiten unter die Lupe genommen. Zwar gibt es bislang keine direkten Belege für schädigende Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Doch eines der Ergebnisse der Metastudie lautet: schon in kleinsten Mengen kann Bisphenol A gefährlich sein. Soll heißen: weit unter den 0,05 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, die wiederum die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA als höchstzulässige Tagesdosis festgesetzt hat. Der Verein RES, das landesweite "Netzwerk Umwelt und Gesundheit", macht seit Jahren Kampagnen zu den Gefahren von Bisphenol A, sagt dessen Chemieexperte Yannick Vicaire.

    "Wenn man sich in den Studien anschaut, ab welch geringer Menge Bisphenol A schädlich wirken kann, muss man den aktuellen Grenzwert für eine zulässige Tagesdosis senken: unserer Rechnung nach um das Zweimillionenfache. Wenn man in der Größenordnung Pikogramm angelangt, ist es das einfachste, Bisphenol A schlicht zu verbieten, zumindest im Bereich der Lebensmittelverpackungen."

    Bis Ende Oktober 2012 muss die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit dann unschädliche Chemikalien benennen, die Bisphenol A bei der Plastikproduktion ersetzen könnten. Michèle Delaunay hätte den Beamten lieber zwei Jahre zugestanden, um die dazugehörigen Studien beispielsweise der Chemieindustrie zu prüfen. Delaunay schreibt es der Lobbyarbeit der Chemieindustrie, insbesondere dem Bayer-Konzern, zu, dass die Frist viel kürzer ausfällt – und damit mangels Ersatzstoffe das Verbot noch scheitern könnte. Kein Wunder, sagt Yannick Vicaire:

    "Was die Chemieindustrie sehr stört, ist die Philosophie, dass nun festgehalten wird: Bisphenol A wird verboten, weil selbst geringste Mengen ausreichen, das Hormonsystem zu stören. Damit wird eine Tür geöffnet, der Weg geebnet zum Verbot anderer chemischer Wirkstoffe. Für die Volksgesundheit ist das ein Fortschritt, für die Chemieindustrie eine Belastung."

    Die französischen Initiativen sollten die EU zur Nachahmung anregen, hofft die Sozialistin Delaunay. Und wirbt gleichzeitig bei der einheimischen Nahrungsmittelindustrie damit, dass Bisphenol A-freie Verpackungen bald einen Wettbewerbsvorteil darstellen könnten.