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Schluss mit liberalen Treueschwüren

Treuenbrietzen, gut 70 Kilometer südwestlich von Berlin. Panda-Palast heißt das Chinarestaurant in der kleinen Stadt mit knapp 7500 Einwohnern, in dem sich die örtliche FDP-Fraktion trifft.

Von Axel Flemming |
    In Brandenburg macht ein FDP-Ortsverein seinem Ärger über die Personalquerelen an der Parteispitze Luft. In Treuenbrietzen, wo die Liberalen die größte Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung und sogar den Bürgermeister stellen, will man geschlossen aus der Partei austreten.

    Das Ambiente ist gemütlich und die Stimmung unter den Noch-FDP-Mitgliedern ist es auf den ersten Blick auch. Allerdings gärt es unter der Oberfläche. Treuenbrietzen galt lange als Hochburg der Liberalen in Brandenburg. Bei der vergangenen Kommunalwahl vor knapp vier Jahren kamen die Freien Demokraten auf etwa 30 Prozent und wurden damit stärkste Kraft. Unter dem Label der Freien Demokraten ist auf kommunaler Ebene kein Blumentopf mehr zu gewinnen, sagt der FDP-Ortsvorsitzende Andreas Gronemeier heute.

    "Die Personalquerelen an der Spitze, wie auch bestimmte Probleme hier in der Landespartei spielen eine Rolle."

    So wechselte nach dem Einzug ins Landesparlament die Fraktions- und auch die Parteispitze. Die Neuen, so sehen das die Treuenbrietzener, interessierten sich nicht so sehr für die Provinz. Deshalb haben sich die Mitglieder des Ortsvereins entschieden, ihre Partei zu verlassen. Unter ihnen ist auch Michael Knape, der FDP-Bürgermeister. Vor drei Jahren wurde er mit 70 Prozent aller Stimmen im Amt bestätigt:

    "Hintergrund ist schlicht und einfach die Gesamtsituation der FDP, aber insbesondere die Situation, die die FDP in Berlin als Bild insgesamt abgibt. Wo ich einfach jetzt denn auch gesagt habe, wir leisten hier eine sehr gute Arbeit vor Ort und versuchen ebend auch für die FDP immer wieder auch die Bürger zu überzeugen, und haben aber immer mehr das Gefühl, dass man entweder das in Berlin nicht verstehen will oder verstehen kann an der Stelle und dass am Ende der Tunnel wesentlich dunkler ist, als tatsächlich Licht zu erkennen ist."

    Er sei eine Ratte, die das sinkende Schiff verlasse, musste sich Knape von Parteifreunden anhören, musste sich als Totengräber der FDP beschimpfen lassen. Er selbst sieht das nicht so und ist froh, dass er damit nicht alleine steht:

    "Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich, von tatsächlich den Hinweisen mit dem Rattenzitat bis hin auch, dass ich heute eine E-Mail bekommen habe, 'wir möchten eine eigene sozialliberale Partei gründen in Berlin', 'wir sind schon vor vier Jahren ausgetreten' und 'haltet bitte durch, und es ist der richtige Schritt', bis hin 'überlegt es euch doch noch mal, man kann doch vielleicht tatsächlich mehr bewegen, wenn man dabei bleibt'. Also, es ist die gesamte Palette, die auch den normalen Bürger auch bewegt, dabei."

    Nur einer von denen, die an diesem Abend im Pandapalast sitzen, bleibt in der Partei, der Fraktionsvorsitzende Michael Mrochen. Das sei aber keine Entscheidung des Herzens.

    "Ich würde sagen in erster Linie Sache des Verstandes. Wir haben lange erfolgreich hier gearbeitet, und ich möchte auf gar keinen Fall die gute Arbeit in irgendeiner Form kaputtmachen oder in Diskredit bringen. Ich habe mich noch nicht entschieden, mit auszutreten, jedenfalls jetzt, jedenfalls in dieser momentanen Situation."

    In Potsdam nimmt der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer die Pläne der Treuenbrietzener gelassen zur Kenntnis. Wirklich aufzuregen scheint ihn die kleine Massen-Austritts-Ankündigung nicht. Das sei eher ein Einzelfall im Land:

    "Die vorherrschende Meinung, die ich wahrnehme, ist ganz klar, der Wind bläst uns entgegen, aber wir wollen kämpfen, wir wollen für unsere liberalen Inhalte kämpfen. Wir machen im Land Brandenburg eine gute Politik und das muss entsprechend weiter gesetzt werden. Die konkrete Kritik an der Landespolitik, soweit ich sie entnommen habe, entzündet sich ja auch ein bisschen an der Energiepolitik."

    Denn Feldheim, ein Stadtteil von Treuenbrietzen, ist ein energieautarkes Dorf. Strom muss nicht von Außen geliefert werden. Diese dezentrale Lösung hat Liberale von Außen, Politiker im Land und im Bund allerdings nicht überzeugt, Feldheim als Modell für künftige Energieversorgung in Deutschland zu sehen.

    "Wir finden hervorragend, was man dort macht. Allerdings darf man nicht vergessen, dass ein energieautarkes Dorf nicht die Lösung aller unserer energiepolitischen Probleme ist. Sondern die Probleme sind die Industrie, die Versorgung der Städte und Ähnliches, und deshalb muss Energiepolitik immer weiter gedacht werden als nur die eine konkrete regionale Betroffenheit. So lobenswert auch der Umsetzungsansatz ist, den man dort fährt."

    Die Partei will mit den künftigen Ex-Parteifreunden noch einmal über den für März geplanten Austritt sprechen. Offiziell hat Noch-Parteichef Andreas Gronemeier in Treuenbrietzen dazu aber noch nichts von seinem Landesverband gehört.

    "Nein, aus Potsdam nicht, außer dass die Kreisschatzmeisterin, die ja auch Landesschatzmeisterin ist, die Revision über unseren Ortsverband sagen wir mal ausgerufen hat. Das kann'se gerne machen. Bei uns ist immer alles sauber gelaufen, wir haben immer unsere Beiträge abgeführt. Von daher haben wir überhaupt keine Probleme. Das einzige Problem ist bloß, dass auch die Spenden, die von woanders gekommen sind, um uns hier im Ortsverband zu unterstützen mit unserer Arbeit, auch die Partei jetzt einkassieren wird."

    Sie wollen trotzdem weitermachen, für liberale Positionen kämpfen, nur eben nicht mehr als Parteimitglieder. Dass das gut geht, zeigt sich in der FDP-Stadtverordnetenfraktion. Fünf der sechs Mitglieder sind parteilos.

    Am Ende des Abends gibt es für jeden einen Glückskeks. Einer liest sich so verheißungsvoll wie vieldeutig: "Sie sind auf dem Weg nach oben", heißt es da.