Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Schlussoffensive gegen Wehrmacht

Am 16. April 1945 begann, mit der Schlacht um die Seelower Höhen, der Vorstoß der Roten Armee auf Berlin. Der Höhenzug war stark befestigt worden, um die russischen Truppen noch vor der Reichshauptstadt zu stoppen. Doch nur drei Tage vermochte die deutsche Armee der angreifenden Front standzuhalten.

Von Volker Ullrich | 16.04.2010
    "Heute Morgen traten die Bolschewisten auf der gesamten Frontbreite des Küstriner Brückenkopfes zwischen Lebus und Freienwalde zum Großangriff an. Mit zahllosen Geschützen und Salvengeschützen begann noch während der Dunkelheit um vier Uhr ein zweistündiges, pausenloses Trommelfeuer mit einer Wucht, wie wir es selten erlebt haben."

    So schilderte der Berichterstatter einer Propagandakompanie an der Ostfront den Beginn der Schlacht um die Seelower Höhen im Oderbruch am 16. April 1945, mit der die Rote Armee zur Schlussoffensive gegen die deutsche Wehrmacht ansetzte. Stalin drängte auf Eile. Er wollte unbedingt vor den Westmächten Berlin erobern. An der Operation nahmen drei sowjetische Fronten teil, die erste und zweite Belorussische Front und die erste Ukrainische Front - insgesamt 2,5 Millionen Soldaten mit über 6000 Panzern. Den Hauptstoß sollte die erste Belorussische Front unter Maschall Georgi Shukow führen. Von dem auf der Westseite der Oder gebildeten Brückenkopf bei Küstrin aus sollte sie die deutschen Verteidigungslinien auf den Seelower Höhen zerschlagen und auf direktem Weg, über die Reichsstraße eins nach Berlin vorstoßen. In einem Tagesbefehl Shukows an seine Truppen hieß es:

    Schließt die Seelower Höhen auf, dann ist der Weg nach Berlin frei. Seid ihr in Berlin, ist der Krieg vorbei und ihr könnt endlich alle nach Hause!

    Der ersten Belorussischen Front gegenüber lag die der Heeresgruppe Weichsel unterstellte neunte Armee unter dem General der Infanterie, Theodor Busse. Sie war den sowjetischen Verbänden nicht nur an Zahl, sondern auch an Bewaffnung und Kampfkraft weit unterlegen. Allerdings hatte sie in den vorangegangenen Wochen ein tiefgestaffeltes Verteidigungssystem angelegt, das sich an die Gegebenheiten des Geländes anpasste und nur schwer zu überwinden war.

    Da die Armeeführung den Angriff am 16. April erwartet hatte, konnte sie ihre Truppen rechtzeitig aus der ersten Frontlinie zurücknehmen, sodass das gewaltige sowjetische Artilleriefeuer ins Leere traf. Überdies erwiesen sich die Flakscheinwerfer, die Shukow hatte aufstellen lassen, um die Verteidiger zu blenden, als Bumerang. Sie blendeten die eigenen Leute, weil der Nebel und die von der Artillerie erzeugte Rauchwand das Licht reflektierte. Die frontal vorwärts stürmenden sowjetischen Infanteristen waren so gut sichtbar. Schon in den ersten Stunden erlitten sie enorme Verluste. Gegen Mittag lief sich der Angriff fest. Am Abend des ersten Kampftages war Shukow von dem gesteckten Operationsziel weit entfernt. Der deutsche PK-Berichterstatter meldete:

    Insgesamt gesehen gelang es den Sowjets zwar am heutigen Tage, unsere Vorfeldstellung in der Oderniederung zurückzudrücken. Trotz ihrer gewaltigen Artilleriemassierung und dem rollenden Einsatz ihrer Jagdbomber, trotz der zahlenmäßig weit überlegenen Infanterie- und Panzerverbände konnten sie aber nirgendwo die entscheidend beherrschende Höhenstufe von Seelow gewinnen.

    Auch am zweiten Tag der Schlacht leistete die neunte Armee heftigen Widerstand. Allerdings war ihre Lage am Abend nahezu aussichtslos geworden. Denn es standen keine Reserven mehr zur Verfügung, die die eigenen hohen Verluste hätten ausgleichen können. Leutnant Hermann Tams, Chef einer Kompanie, bei den Seelower Höhen, erinnerte sich:

    "Nur jeder zehnte Soldat von uns hatte die letzten 37 Stunden heil und gesund überstanden."

    Am 18. April erreichte die Schlacht ihren Höhepunkt. Erst jetzt, nach neuen erbitterten Kämpfen, gelang es den sowjetischen Truppen, die deutsche Front aufzureißen und die Seelower Höhen zu stürmen. Die letzte Verteidigungslinie wurde am Abend des 19. April eingenommen.

    Mindestens 33.000 Rotarmisten und über 12.000 deutsche Soldaten hatten ihr Leben verloren. Vier Tage hatte die neunte Armee den Vormarsch Shukows aufgehalten und damit seinen Zeitplan erheblich durcheinandergebracht. Doch stoppen konnte sie die Offensive nicht. Der Weg nach Berlin lag nun offen. Am 25. April war die Reichshauptstadt vollkommen eingeschlossen. Zwei Wochen später war der Zweite Weltkrieg in Europa beendet.