Der Fall sorgte erst vor ein paar Wochen bundesweit für Schlagzeilen. Ein Verlag hatte zahlreiche Betriebe angeschrieben und einen angeblichen Eintrag in ein Branchenregister in Rechnung gestellt. Viele zahlten blind, obwohl im Kleingedruckten zu lesen war, dass es sich in Wirklichkeit um ein Angebot, nicht aber um eine Rechnung handelte. Durch die Überweisung war jedoch automatisch ein Vertragsverhältnis geschlossen worden. Ein typischer Fall für einen Verstoß gegen das Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, kurz UWG.
Doch das Gesetz ist in die Jahre gekommen. Ursprünglich im Jahre 1909 als "Konkurrentenschutzgesetz" formuliert, gelten für die Bekämpfung gegen unlautere Wettbewerbsmethoden bis heute starre und bisweilen auch höchst kuriose Vorgaben. Zu den bekanntesten zählen sicherlich die Regeln für Sonder- und hier insbesondere Schlussverkäufe.
Diese dürfen nach der geltenden Rechtslage höchstens zwölf Werktage dauern und müssen am letzten Montag im Januar und am letzten Montag im Juli beginnen. Zudem dürfen im Winter- und Sommerschlussverkauf nur Textilien, Schuhe, Lederwaren und Sportartikel verkauft werden. Jeder aber weiß aus eigener Erfahrung, dass die Preisreduzierungen in der Regel schon viel früher beginnen. Von einem Anachronismus spricht dann auch Jürgen Kessler, Professor für deutsches und europäisches Handelsrecht an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin:
Das UWG ist eine äußerst zählebige Materie. Selbst nach der Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung – das hat ja deutlich der Fall C&A gezeigt – gab es noch keinen Freiraum für das Durchführen von Verkaufsaktionen. Hier muss das UWG zunächst einmal schlicht und einfach entrümpelt werden.
Der Fall C&A hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Zur Euro-Bargeldeinführung warb das Textilunternehmen vier Tage lang mit einem Preisnachlass von 20 Prozent auf alle Einkäufe – doch das Oberlandesgericht Düsseldorf stufte das Schnäppchenangebot entsprechend der geltenden Rechtslage als unzulässige Sonderaktion ein. Ein solches Urteil aber wird es nach der Novelle des UWG nicht mehr geben – Sonderverkäufe werden dann das ganze Jahr über möglich sein. Ein Schritt, der auch vom Handel grundsätzlich begrüßt wird, betont der stellvertretende Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, kurz HDE, Stefan Schneider mit Verweis auf die unsichere Rechtslage nach der Streichung des Rabattgesetzes:
Entscheidend ist, dass die Spielregeln für alle gleich und vor allen Dingen auch hauptsächlich für alle einigermaßen identisch einschätzbar sind. Denn das ist eigentlich das Problem, unter dem die Handelshäuser zur Zeit leiden: Dass sie sagen, wir wissen bei Sonderaktionen nur sehr schwer, ob das, was wir vorhaben, rechtlich haltbar ist oder nicht haltbar ist.
Diese Unsicherheit wird mit der Liberalisierung zwar verschwinden, erstaunlicherweise aber wollen die Handelsverbände dennoch an einer liebgewonnen Tradition festhalten – dem Sommer- und Winterschlussverkauf. Die Verbraucher hätten diese Regelung akzeptiert, heißt es – und der Handel schätzt die Möglichkeit, die Lager planbar räumen zu können. Doch Justizministerin Brigitte Zypries will keine Ausnahmen mehr zulassen:
Wir sagen, Sonderverkäufe sind jederzeit möglich. Das hindert den Handel aber nicht daran, sich auf bestimmte Termine festzulegen. Das stellen wir frei. Natürlich kann man sich darüber verständigen, genauso wie bei Sonderverkäufen für Stadtfeste oder ähnlichem.
: Doch die UWG-Novelle beschränkt sich nicht allein auf die Entrümpelung überholter Paragraphen. Erstmals wird auch der Verbraucher in der Wettbewerbsgesetzgebung ausdrücklich genannt. Damit soll nicht nur die längst übliche Rechtsprechung berücksichtigt werden, sondern auch eine alte Forderung der Verbraucherschutzverbände - ganz zu schweigen von den rot-grünen Ansprüchen einer verbraucherfreundlichen Politik, die sich auch in der Novelle wiederfinden soll:
Die Verbraucherverbände bekommen das Recht, bestimmte Interessen der Verbraucher dann durchzusetzen. Das ist die prozessrechtliche Seite. Individuell ist es so, dass der Verbraucher geschützt wird – beispielsweise vor Schleichwerbung, vor unerbetener Telefonwerbung, vor Spamming von Mails sowohl im Internet als auch auf dem Handy. Dass wir gesagt haben, eine Koppelung von Gewinnspielen mit dem Erwerb einer Ware ist nicht zulässig und ähnliches mehr.
All dies findet sich in einem neuen umfangreichen Beispielkatalog im Referentenentwurf für die UWG-Novelle wieder mit dem Ziel, mögliche Rechtsunsicherheiten über unlautere Wettbewerbsmethoden auszuräumen. Neben der Schleichwerbung und unerwünschter elektronischer Massenwerbung - dem so genannten "Spamming" - sind künftig verboten: irreführende Angaben über die Verfügbarkeit von Waren sowie irreführende Angaben über die Ergebnisse von Warentests.
Dennoch sind ausgerechnet die Verbraucherschutzverbände nicht zufrieden. Grundsätzlich wird zwar die ausdrückliche Erwähnung des Verbrauchers begrüßt. Dadurch, so heißt es bei der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv, werde in Zukunft die Frage einer unlauteren Wettbewerbshandlung nicht nur aus dem Blickwinkel des Unternehmens betrachtet, sondern auch die Interessen des Verbrauchers berücksichtigt. Der Vzbv-Fachbereichsleiter für Wirtschaftsfragen Patrick von Braunmühl spricht dennoch von einem halbherzigen Schritt:
Also, der Verbraucher hat natürlich nur dann einen Nutzen von dieser Schutzzweckklausel, wenn sich daran konkrete rechtliche Konsequenzen knüpfen. Das ist das, was wir an dem neuen UWG kritisieren, dass es an diesen rechtlichen Konsequenzen fehlt. Das heißt im Falle einer unlauteren Werbung hat er weder ein Vertragsrücktrittsrecht noch kann er Schadenersatz verlangen.
Hier sei das Justizministerium durch den Druck seitens der Wirtschaftsverbände eingeknickt, kritisieren die Verbraucherschützer. Dies betrifft auch eine weitere wesentliche Forderung, die nicht in den Referentenentwurf mit aufgenommen wurde: Nämlich die eines allgemeinen Informationsgebotes, dem der Händler bei einem vermuteten Verstoß gegen das UWG nachkommen muss. Durch einen solchen Schritt, so heißt es, könnte das Problem der möglichen Irreführung schon im Vorfeld beseitigt werden, etwa was die Werbung mit Preisnachlässen angeht, die in Wirklichkeit nicht gewährt werden.
Diese so genannten "Mondpreise" sind mit dem neuen UWG ausdrücklich verboten. Doch die Regelung sei zu kompliziert und bürokratisch, kritisiert die vzbv. In der Praxis müssten die Verbraucherschutzverbände zunächst auf Verdacht klagen und erst im Prozess sei der Händler dann zu den notwendigen Auskünften verpflichtet, wie hoch der Preis vorher war und wie lange er gegolten hat. Andere europäische Länder, wie etwa Schweden und Finnland, hätten dagegen mit einem Informationsgebot gute Erfahrungen gemacht, betont auch der Handelsrechtsexperte Kessler:
Die modernen Erkenntnisse der Wettbewerbstheorie sagen alle: Der Verbraucher sei der Souverän im Wettbewerb. Hört sich gut an, klingt auch demokratietheoretisch sehr fundiert. Hat nur einen Mangel: Wie und auf welche Weise erhält denn der Marktbürger die Informationen, die er für seine Entscheidungen braucht? Die Markttransparenz ist äußert unzureichend, ja sie wird immer unzureichender, weil die modernen Formen der Werbung eher der Marktintransparenz dienen.
Konkret fordert daher die vzbv eine generelle Auskunftspflicht der Händler gegenüber den klagebefugten Verbänden, etwa bei einem Verdacht auf Mondpreise. Doch die Handelsunternehmen lehnen ein so weitreichendes Instrumentarium kategorisch ab. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel und Großbetriebe BAG, Johann Hellwege:
Weil sie dann letztlich Dinge offen legen müssen, die nicht offen gelegt gehören, wenn sie etwa im Wettbewerb stehen. Sie sind ja nicht sicher, was damit passiert. Und im übrigen wird es wahrscheinlich auch rechtssystematische Einwände geben, dass so etwas von dritter Seite eingeklagt werden kann.
Etwa durch einen Mitkonkurrenten. Auch die Forderung nach einem Schadensersatzanspruch des Verbrauchers im Wettbewerbsrecht stößt bei den Handelsunternehmen auf wenig Gegenliebe. Gerne verweisen sie dabei auf die USA. In Form der so genannten Class Actions - Sammelklagen - sind dort kollektive Schadensersatzansprüche durchsetzbar, die jedoch zum Teil exzessive Formen angenommen haben, etwa bei der Auseinandersetzung zwischen Verbrauchern und der Tabakindustrie. Niemand wolle solche Zustände auch in Deutschland, heißt es immer wieder.
Doch Rückendeckung kommt auch aus dem Justizministerium. Eine generelle Auskunftspflicht sei den Unternehmen nicht zuzumuten, betont Zypries und zeigt auch für die übrigen Forderungen der Verbraucherschutzverbände mit Verweis auf die neue Generalklausel des UWG, wonach unlauterer Wettbewerb verboten ist, wenig Verständnis:
Das ist schon eine Frage, wie ist das Rechtssystem in Deutschland aufgebaut. Und bei uns ist eben so, dass wir sagen in Deutschland, der unlautere Wettbewerb schützt vor allen Dingen die Mitbewerber und schützt auch in zweiter Linie die Verbraucher. Die Verbraucher werden bei uns über andere Rechtsvorschriften geschützt. Wir haben im bürgerlichen Recht da zahlreiche. Wir nehmen jetzt in das UWG einige rein, wir haben im Strafrecht welche und ähnliches mehr. Das UWG ist aber kein Verbraucherschutzgesetz, um das klar zu sagen. Sondern es schützt vor allem den Wettbewerb und soll einen fairen Wettbewerb miteinander regeln.
Doch selbst das Verbraucherschutzministerium hat sich die Maximalforderungen der vzbv nicht zu eigen gemacht – ebenfalls mit Verweis auf die Class Actions in den USA. Offiziell aber hält sich das Ministerium mit Stellungnahmen zurück. Zur Begründung wird auf die federführende Rolle des Justizministeriums bei der UWG Novelle verwiesen.
Allerdings ist auch das Verbraucherschutzministerium mit dem bisherigen Referentenentwurf nicht zufrieden. Durch Detailänderungsvorschläge wird nun versucht, den Verbraucherschutz im neuen UWG weiter zu stärken – etwa was die bekanten Lockvogel-Angebote angeht: Ein preisgünstiges Angebot also, das in der Regel schnell ausverkauft ist. Hier plädiert die Verbraucherschutzministerin für eine eigene Klausel im UWG sowie enge zeitliche Vorgaben, wie lange ein Angebot für Werbezwecke vorrätig sein muss.
Doch der Einfluss der Wirtschaftslobbyisten in der Regierung sei groß, bemängelt das Ministerium.. Mehrfach hätten die Verbände im Kanzleramt vorgesprochen und auch das Wirtschaftsministerium sei an umfassenden Änderungen im Sinne des Verbrauchers nicht interessiert. Am heftigsten aber wird derzeit um eine Neuerung gestritten, die es so bislang nur im Straf- oder Kartellrecht gibt: die Möglichkeit der so genannten Gewinnabschöpfung. Die Justizministerin erklärt den Ansatz:
Sie kriegen unzulässige Faxwerbung – nach Hause unaufgefordert, ungefragt, am liebsten Nachts. Und dann steht auf dem Fax drauf: Wenn sie künftig diese Werbung nicht mehr haben wollen, dann rufen sie folgende Nummer an. In dem Moment, wo sie folgende Nummer anrufen, wird eine Gebühr fällig. Dass ist für den einzelnen immer nicht viel Geld, aber in der Summe verdient der natürlich, der so etwas macht, eine Menge. Und solche Gewinne wollen wir abschöpfen, um solchen unrechtmäßigen und unzulässigen Handeln das Handwerk zu legen.
Denn bislang können solche Gewinne, die mit Hilfe irreführender Werbung erzielt worden sind, auch nach einer Unterlassungsklage von den betroffenen Unternehmen behalten werden. Dies soll jetzt zwar anders werden, doch die Verbraucherschutzverbände haben bereits zahlreiche Bedenken angemeldet. Etwa, dass die abgeschöpften Gewinne ausgerechnet in die Staatskasse fließen sollen. Darüber hinaus sei die konkrete Formulierung im Referentenentwurf ein stumpfes Schwert, heißt es beim vzbv, weil viele Voraussetzungen für eine Gewinnabschöpfung kaum nachzuweisen seien.
Tatsächlich heißt es dort unter Paragraph 9, nur wer vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs verstößt und hierdurch eine Vielzahl von Abnehmern einen Schaden zufügt, kann zur Herausgabe des unrechtmäßig erworbenen Gewinns belangt werden.
Dies sei zu eng formuliert, kritisiert Verbraucherschützer von Braunmühl:
Der Gewinnabschöpfungsanspruch muss aus ausgedehnt werden auch auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit. Und es muss auch reichen, den Gewinn bei einem Unternehmen nachzuweisen und nicht den konkreten Schaden beim Verbraucher. Denn wir reden hier ja nicht über eine Strafvorschrift oder etwa Ähnliches, sondern es geht ja nur um dieses Präventionsprinzip "unlautere Werbung soll sich nicht lohnen".
Von einer solch weitreichenden Gesetzesänderung hält der Einzelhandelsverband herzlich wenig. Zumal schon die Verwirklichung der Gewinnabschöpfung als solche im UWG auf scharfe Kritik stößt, erklärt Verbandsvertreter Schneider vom HDE
Wie sollen die Richter denn bitte schön feststellen – und zwar verbindlich feststellen - was an Gewinnen erst mal erzielt worden ist aus dieser konkreten Situation, was davon erzielt worden wäre in jedem Fall, auch wenn die Art der Vorgehensweise rechtmäßig gewesen wäre und was davon dann definitiv zusätzlich dadurch erzielt worden ist, dass es wettbewerbswidrig war.
Am besten sei es daher, so die einhellige Meinung der Wirtschaftsverbände, auf die Möglichkeit der staatlichen Gewinnabschöpfung bei der Novelle zu verzichten. Zumal sich ohnehin die gegenseitige Kontrolle der Unternehmen über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln in der Vergangenheit bewährt habe. Ähnlich argumentiert auch die Opposition im Bundestag. Der CDU Abgeordnete Hartmut Schauerte:
Ein Konzern, ein Handelsunternehmen, das raffiniert die Menschen abschröpft durch unlautere Wettbewerbsmethoden – dass muss öffentlich an den Pranger. Die Verbraucher reagieren sehr einschneidend, deswegen glaube ich, dass die Sorge so groß nicht ist und dass diese Gewinnabschöpfung ein Kunstprodukt ist, das am Ende zu staatlichen Einnahmen führen soll.
Der Streit um die Gewinnabschöpfung verläuft aber längst auch quer durch die rot-grünen Koalitionsreihen, so dass die Justizministerin derzeit unter großem politischen Druck steht:
Na ja es ist im Moment noch ein bisschen schwierig. Weil in der Tat ist es so, dass das Verbraucherministerium gerne nicht nur, wie wir sagen, den vorsätzlichen Fall abschöpfen will, sondern alles, was an irreführender Werbung da ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft hingegen sagt, es darf gar nichts abgeschöpft werden. Unser Vorschlag, glaube ich, ist schon ein ausgewogener Kompromissvorschlag, indem wir sagen, nur dann, wenn der Händler vorsätzlich gehandelt hat, dann kann abgeschöpft werden.
Längst aber bangt das Verbraucherschutzministerium um den Erhalt des kompletten Papagraphen. Hinter vorgehaltener Hand wird die Befürchtung laut, dass sich das Wirtschaftsministerium am Ende doch mit seiner ablehnenden Position durchsetzen werde. Das Thema steht auch morgen auf der Tagesordnung bei einem Treffen der Staatsekretäre aus den zuständigen Ministerien.
Die Verbraucherzentralen hoffen unterdessen auf Unterstützung aus Brüssel, denn die EU-Kommission plant im Zuge des Binnenmarktes eine Harmonisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. Längst ist der grenzüberschreitende Handel und damit auch die grenzüberschreitende Werbung für viele Unternehmen zur Selbstverständlichkeit geworden – entsprechend groß ist der Bedarf nach einheitlichen Regeln. Dieser Umstand spielte auch bei der anstehenden Novelle des deutschen UWG eine wichtige Rolle, könnte doch eine überzeugende deutsche Liberalisierung zum Vorbild für die anstehende EU-Rahmenrichtlinie werden. Von ihr gibt es nämlich nur einen ersten Entwurf. Im Gegensatz zum deutschen Ansatz aber stehen sich in Brüssel die Bereiche Wettbewerb und Verbraucherschutz nahezu unversöhnlich gegenüber. Dies könnte aus Sicht von vzbv-Bereichsleiter von Braunmühl aber auch ein Vorteil sein:
Aus Brüssel gibt es klare Signale, einen Paradigmen-Wechsel im Wettbewerbsrecht herbeizuführen. Nämlich Liberalisierung auf der einen Seite, aber auf der einen Seite auch die Rechte der Verbraucher zu stärken – nämlich durch mehr Information, so dass sich nicht nur am Markt die Unternehmen durchsetzen, die das größte Marketingbudget haben, sondern dass wirklich der Qualitätswettbewerb obsiegt.
Möglicherweise müsste dann das deutsche UWG noch einmal überarbeitet werden. Wann die EU-Rahmenrichtlinie allerdings in Kraft treten wird, ist derzeit noch völlig offen. Daher zählt für die deutschen Unternehmen zunächst nur die anstehende UWG-Novelle. Wie sich die Handelskonzerne jedoch konkret auf die Entrümpelung der geltenden Wettbewerbsbeschränkungen einstellen werden, wollten auf Anfrage weder C&A, Kartstadt Quelle oder Kaufhof preisgeben. Zunächst müsse das eigentliche Gesetz abgewartet werden, heißt es zur Begründung.
Auch die Handelsverbände sind mit Prognosen zurückhaltend. Die fast ersatzlose Streichung der Beschränkungen für Jubiläums-, Räumungs- und Schlussverkäufe dürfte auf dem hart umkämpften Markt jedoch nicht ohne Folgen bleiben, meint der stellvertretende Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Einzelhandel, Stefan Schneider:
Also, es gibt gerade im mittelständischen Handel große Befürchtungen, dass sie mit ihrem Angebot, ihrem Preisangebot, ihrem Leistungsangebot, ihrer Qualität, ihrer Beratung, ihrem Service zukünftig nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden von den Kunden, weil die Schlachten über die Zeitungs-, Radio-, Fernsehwerbung noch stärker zunehmen und danach die Kunden ihre Einkaufswege noch sehr viel stärker ausrichten.
Nach dieser Interpretation könnte also die Modernisierung des UWG den bereits bestehenden Konzentrationsprozess in der Branche zusätzlich anheizen. Diese Sorgen hat die von vorwiegend großen Unternehmen dominierte Bundesarbeitgemeinschaft der Mittel und Großbetriebe des Einzelhandels weniger, wenngleich auch Hauptgeschäftsführer Hellwege vor einer Übertreibung beim Einsatz von Rabatten warnt. Die Sonderaktion dürfe nicht zum Normalfall werden. Ansonsten erwartet der BAG-Hauptgeschäftsführer eine Verfeinerung bereits existierender Marketing-Instrumente:
Die Kundenkreditkarte wird sich mit Sicherheit durchsetzen und ein Instrument, um ganz gezielt, ohne große Streuverluste, spezielle Ausschnitte aus dem Kundenkreis noch effizienter ansprechen zu können. Das "Couponing" scheint eine interessante Sache zu sein, weil da der Sammlertrieb mit hinzu kommt. etc. etc. Da werden sich ein paar Dinge herausschälen. Aber ich glaube nicht, dass wir nun die Kreativität insgesamt auf ständig neue Dinge dort werden sich hinentwickeln sehen.
Gleichwohl rechnen alle Handelsverbände damit, dass die Unternehmen zumindest in der Anfangszeit die neuen Freiheiten verstärkt über diverse Sonderaktionen nutzen werden. Anfang Mai will das Kabinett die Novelle verabschieden, die sich durch die vielen Interessengegensätze deutlich verspätete. Im Herbst dieses Jahres könnte sie dann endgültig in Kraft treten.
Doch das Gesetz ist in die Jahre gekommen. Ursprünglich im Jahre 1909 als "Konkurrentenschutzgesetz" formuliert, gelten für die Bekämpfung gegen unlautere Wettbewerbsmethoden bis heute starre und bisweilen auch höchst kuriose Vorgaben. Zu den bekanntesten zählen sicherlich die Regeln für Sonder- und hier insbesondere Schlussverkäufe.
Diese dürfen nach der geltenden Rechtslage höchstens zwölf Werktage dauern und müssen am letzten Montag im Januar und am letzten Montag im Juli beginnen. Zudem dürfen im Winter- und Sommerschlussverkauf nur Textilien, Schuhe, Lederwaren und Sportartikel verkauft werden. Jeder aber weiß aus eigener Erfahrung, dass die Preisreduzierungen in der Regel schon viel früher beginnen. Von einem Anachronismus spricht dann auch Jürgen Kessler, Professor für deutsches und europäisches Handelsrecht an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin:
Das UWG ist eine äußerst zählebige Materie. Selbst nach der Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung – das hat ja deutlich der Fall C&A gezeigt – gab es noch keinen Freiraum für das Durchführen von Verkaufsaktionen. Hier muss das UWG zunächst einmal schlicht und einfach entrümpelt werden.
Der Fall C&A hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Zur Euro-Bargeldeinführung warb das Textilunternehmen vier Tage lang mit einem Preisnachlass von 20 Prozent auf alle Einkäufe – doch das Oberlandesgericht Düsseldorf stufte das Schnäppchenangebot entsprechend der geltenden Rechtslage als unzulässige Sonderaktion ein. Ein solches Urteil aber wird es nach der Novelle des UWG nicht mehr geben – Sonderverkäufe werden dann das ganze Jahr über möglich sein. Ein Schritt, der auch vom Handel grundsätzlich begrüßt wird, betont der stellvertretende Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, kurz HDE, Stefan Schneider mit Verweis auf die unsichere Rechtslage nach der Streichung des Rabattgesetzes:
Entscheidend ist, dass die Spielregeln für alle gleich und vor allen Dingen auch hauptsächlich für alle einigermaßen identisch einschätzbar sind. Denn das ist eigentlich das Problem, unter dem die Handelshäuser zur Zeit leiden: Dass sie sagen, wir wissen bei Sonderaktionen nur sehr schwer, ob das, was wir vorhaben, rechtlich haltbar ist oder nicht haltbar ist.
Diese Unsicherheit wird mit der Liberalisierung zwar verschwinden, erstaunlicherweise aber wollen die Handelsverbände dennoch an einer liebgewonnen Tradition festhalten – dem Sommer- und Winterschlussverkauf. Die Verbraucher hätten diese Regelung akzeptiert, heißt es – und der Handel schätzt die Möglichkeit, die Lager planbar räumen zu können. Doch Justizministerin Brigitte Zypries will keine Ausnahmen mehr zulassen:
Wir sagen, Sonderverkäufe sind jederzeit möglich. Das hindert den Handel aber nicht daran, sich auf bestimmte Termine festzulegen. Das stellen wir frei. Natürlich kann man sich darüber verständigen, genauso wie bei Sonderverkäufen für Stadtfeste oder ähnlichem.
: Doch die UWG-Novelle beschränkt sich nicht allein auf die Entrümpelung überholter Paragraphen. Erstmals wird auch der Verbraucher in der Wettbewerbsgesetzgebung ausdrücklich genannt. Damit soll nicht nur die längst übliche Rechtsprechung berücksichtigt werden, sondern auch eine alte Forderung der Verbraucherschutzverbände - ganz zu schweigen von den rot-grünen Ansprüchen einer verbraucherfreundlichen Politik, die sich auch in der Novelle wiederfinden soll:
Die Verbraucherverbände bekommen das Recht, bestimmte Interessen der Verbraucher dann durchzusetzen. Das ist die prozessrechtliche Seite. Individuell ist es so, dass der Verbraucher geschützt wird – beispielsweise vor Schleichwerbung, vor unerbetener Telefonwerbung, vor Spamming von Mails sowohl im Internet als auch auf dem Handy. Dass wir gesagt haben, eine Koppelung von Gewinnspielen mit dem Erwerb einer Ware ist nicht zulässig und ähnliches mehr.
All dies findet sich in einem neuen umfangreichen Beispielkatalog im Referentenentwurf für die UWG-Novelle wieder mit dem Ziel, mögliche Rechtsunsicherheiten über unlautere Wettbewerbsmethoden auszuräumen. Neben der Schleichwerbung und unerwünschter elektronischer Massenwerbung - dem so genannten "Spamming" - sind künftig verboten: irreführende Angaben über die Verfügbarkeit von Waren sowie irreführende Angaben über die Ergebnisse von Warentests.
Dennoch sind ausgerechnet die Verbraucherschutzverbände nicht zufrieden. Grundsätzlich wird zwar die ausdrückliche Erwähnung des Verbrauchers begrüßt. Dadurch, so heißt es bei der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv, werde in Zukunft die Frage einer unlauteren Wettbewerbshandlung nicht nur aus dem Blickwinkel des Unternehmens betrachtet, sondern auch die Interessen des Verbrauchers berücksichtigt. Der Vzbv-Fachbereichsleiter für Wirtschaftsfragen Patrick von Braunmühl spricht dennoch von einem halbherzigen Schritt:
Also, der Verbraucher hat natürlich nur dann einen Nutzen von dieser Schutzzweckklausel, wenn sich daran konkrete rechtliche Konsequenzen knüpfen. Das ist das, was wir an dem neuen UWG kritisieren, dass es an diesen rechtlichen Konsequenzen fehlt. Das heißt im Falle einer unlauteren Werbung hat er weder ein Vertragsrücktrittsrecht noch kann er Schadenersatz verlangen.
Hier sei das Justizministerium durch den Druck seitens der Wirtschaftsverbände eingeknickt, kritisieren die Verbraucherschützer. Dies betrifft auch eine weitere wesentliche Forderung, die nicht in den Referentenentwurf mit aufgenommen wurde: Nämlich die eines allgemeinen Informationsgebotes, dem der Händler bei einem vermuteten Verstoß gegen das UWG nachkommen muss. Durch einen solchen Schritt, so heißt es, könnte das Problem der möglichen Irreführung schon im Vorfeld beseitigt werden, etwa was die Werbung mit Preisnachlässen angeht, die in Wirklichkeit nicht gewährt werden.
Diese so genannten "Mondpreise" sind mit dem neuen UWG ausdrücklich verboten. Doch die Regelung sei zu kompliziert und bürokratisch, kritisiert die vzbv. In der Praxis müssten die Verbraucherschutzverbände zunächst auf Verdacht klagen und erst im Prozess sei der Händler dann zu den notwendigen Auskünften verpflichtet, wie hoch der Preis vorher war und wie lange er gegolten hat. Andere europäische Länder, wie etwa Schweden und Finnland, hätten dagegen mit einem Informationsgebot gute Erfahrungen gemacht, betont auch der Handelsrechtsexperte Kessler:
Die modernen Erkenntnisse der Wettbewerbstheorie sagen alle: Der Verbraucher sei der Souverän im Wettbewerb. Hört sich gut an, klingt auch demokratietheoretisch sehr fundiert. Hat nur einen Mangel: Wie und auf welche Weise erhält denn der Marktbürger die Informationen, die er für seine Entscheidungen braucht? Die Markttransparenz ist äußert unzureichend, ja sie wird immer unzureichender, weil die modernen Formen der Werbung eher der Marktintransparenz dienen.
Konkret fordert daher die vzbv eine generelle Auskunftspflicht der Händler gegenüber den klagebefugten Verbänden, etwa bei einem Verdacht auf Mondpreise. Doch die Handelsunternehmen lehnen ein so weitreichendes Instrumentarium kategorisch ab. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel und Großbetriebe BAG, Johann Hellwege:
Weil sie dann letztlich Dinge offen legen müssen, die nicht offen gelegt gehören, wenn sie etwa im Wettbewerb stehen. Sie sind ja nicht sicher, was damit passiert. Und im übrigen wird es wahrscheinlich auch rechtssystematische Einwände geben, dass so etwas von dritter Seite eingeklagt werden kann.
Etwa durch einen Mitkonkurrenten. Auch die Forderung nach einem Schadensersatzanspruch des Verbrauchers im Wettbewerbsrecht stößt bei den Handelsunternehmen auf wenig Gegenliebe. Gerne verweisen sie dabei auf die USA. In Form der so genannten Class Actions - Sammelklagen - sind dort kollektive Schadensersatzansprüche durchsetzbar, die jedoch zum Teil exzessive Formen angenommen haben, etwa bei der Auseinandersetzung zwischen Verbrauchern und der Tabakindustrie. Niemand wolle solche Zustände auch in Deutschland, heißt es immer wieder.
Doch Rückendeckung kommt auch aus dem Justizministerium. Eine generelle Auskunftspflicht sei den Unternehmen nicht zuzumuten, betont Zypries und zeigt auch für die übrigen Forderungen der Verbraucherschutzverbände mit Verweis auf die neue Generalklausel des UWG, wonach unlauterer Wettbewerb verboten ist, wenig Verständnis:
Das ist schon eine Frage, wie ist das Rechtssystem in Deutschland aufgebaut. Und bei uns ist eben so, dass wir sagen in Deutschland, der unlautere Wettbewerb schützt vor allen Dingen die Mitbewerber und schützt auch in zweiter Linie die Verbraucher. Die Verbraucher werden bei uns über andere Rechtsvorschriften geschützt. Wir haben im bürgerlichen Recht da zahlreiche. Wir nehmen jetzt in das UWG einige rein, wir haben im Strafrecht welche und ähnliches mehr. Das UWG ist aber kein Verbraucherschutzgesetz, um das klar zu sagen. Sondern es schützt vor allem den Wettbewerb und soll einen fairen Wettbewerb miteinander regeln.
Doch selbst das Verbraucherschutzministerium hat sich die Maximalforderungen der vzbv nicht zu eigen gemacht – ebenfalls mit Verweis auf die Class Actions in den USA. Offiziell aber hält sich das Ministerium mit Stellungnahmen zurück. Zur Begründung wird auf die federführende Rolle des Justizministeriums bei der UWG Novelle verwiesen.
Allerdings ist auch das Verbraucherschutzministerium mit dem bisherigen Referentenentwurf nicht zufrieden. Durch Detailänderungsvorschläge wird nun versucht, den Verbraucherschutz im neuen UWG weiter zu stärken – etwa was die bekanten Lockvogel-Angebote angeht: Ein preisgünstiges Angebot also, das in der Regel schnell ausverkauft ist. Hier plädiert die Verbraucherschutzministerin für eine eigene Klausel im UWG sowie enge zeitliche Vorgaben, wie lange ein Angebot für Werbezwecke vorrätig sein muss.
Doch der Einfluss der Wirtschaftslobbyisten in der Regierung sei groß, bemängelt das Ministerium.. Mehrfach hätten die Verbände im Kanzleramt vorgesprochen und auch das Wirtschaftsministerium sei an umfassenden Änderungen im Sinne des Verbrauchers nicht interessiert. Am heftigsten aber wird derzeit um eine Neuerung gestritten, die es so bislang nur im Straf- oder Kartellrecht gibt: die Möglichkeit der so genannten Gewinnabschöpfung. Die Justizministerin erklärt den Ansatz:
Sie kriegen unzulässige Faxwerbung – nach Hause unaufgefordert, ungefragt, am liebsten Nachts. Und dann steht auf dem Fax drauf: Wenn sie künftig diese Werbung nicht mehr haben wollen, dann rufen sie folgende Nummer an. In dem Moment, wo sie folgende Nummer anrufen, wird eine Gebühr fällig. Dass ist für den einzelnen immer nicht viel Geld, aber in der Summe verdient der natürlich, der so etwas macht, eine Menge. Und solche Gewinne wollen wir abschöpfen, um solchen unrechtmäßigen und unzulässigen Handeln das Handwerk zu legen.
Denn bislang können solche Gewinne, die mit Hilfe irreführender Werbung erzielt worden sind, auch nach einer Unterlassungsklage von den betroffenen Unternehmen behalten werden. Dies soll jetzt zwar anders werden, doch die Verbraucherschutzverbände haben bereits zahlreiche Bedenken angemeldet. Etwa, dass die abgeschöpften Gewinne ausgerechnet in die Staatskasse fließen sollen. Darüber hinaus sei die konkrete Formulierung im Referentenentwurf ein stumpfes Schwert, heißt es beim vzbv, weil viele Voraussetzungen für eine Gewinnabschöpfung kaum nachzuweisen seien.
Tatsächlich heißt es dort unter Paragraph 9, nur wer vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs verstößt und hierdurch eine Vielzahl von Abnehmern einen Schaden zufügt, kann zur Herausgabe des unrechtmäßig erworbenen Gewinns belangt werden.
Dies sei zu eng formuliert, kritisiert Verbraucherschützer von Braunmühl:
Der Gewinnabschöpfungsanspruch muss aus ausgedehnt werden auch auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit. Und es muss auch reichen, den Gewinn bei einem Unternehmen nachzuweisen und nicht den konkreten Schaden beim Verbraucher. Denn wir reden hier ja nicht über eine Strafvorschrift oder etwa Ähnliches, sondern es geht ja nur um dieses Präventionsprinzip "unlautere Werbung soll sich nicht lohnen".
Von einer solch weitreichenden Gesetzesänderung hält der Einzelhandelsverband herzlich wenig. Zumal schon die Verwirklichung der Gewinnabschöpfung als solche im UWG auf scharfe Kritik stößt, erklärt Verbandsvertreter Schneider vom HDE
Wie sollen die Richter denn bitte schön feststellen – und zwar verbindlich feststellen - was an Gewinnen erst mal erzielt worden ist aus dieser konkreten Situation, was davon erzielt worden wäre in jedem Fall, auch wenn die Art der Vorgehensweise rechtmäßig gewesen wäre und was davon dann definitiv zusätzlich dadurch erzielt worden ist, dass es wettbewerbswidrig war.
Am besten sei es daher, so die einhellige Meinung der Wirtschaftsverbände, auf die Möglichkeit der staatlichen Gewinnabschöpfung bei der Novelle zu verzichten. Zumal sich ohnehin die gegenseitige Kontrolle der Unternehmen über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln in der Vergangenheit bewährt habe. Ähnlich argumentiert auch die Opposition im Bundestag. Der CDU Abgeordnete Hartmut Schauerte:
Ein Konzern, ein Handelsunternehmen, das raffiniert die Menschen abschröpft durch unlautere Wettbewerbsmethoden – dass muss öffentlich an den Pranger. Die Verbraucher reagieren sehr einschneidend, deswegen glaube ich, dass die Sorge so groß nicht ist und dass diese Gewinnabschöpfung ein Kunstprodukt ist, das am Ende zu staatlichen Einnahmen führen soll.
Der Streit um die Gewinnabschöpfung verläuft aber längst auch quer durch die rot-grünen Koalitionsreihen, so dass die Justizministerin derzeit unter großem politischen Druck steht:
Na ja es ist im Moment noch ein bisschen schwierig. Weil in der Tat ist es so, dass das Verbraucherministerium gerne nicht nur, wie wir sagen, den vorsätzlichen Fall abschöpfen will, sondern alles, was an irreführender Werbung da ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft hingegen sagt, es darf gar nichts abgeschöpft werden. Unser Vorschlag, glaube ich, ist schon ein ausgewogener Kompromissvorschlag, indem wir sagen, nur dann, wenn der Händler vorsätzlich gehandelt hat, dann kann abgeschöpft werden.
Längst aber bangt das Verbraucherschutzministerium um den Erhalt des kompletten Papagraphen. Hinter vorgehaltener Hand wird die Befürchtung laut, dass sich das Wirtschaftsministerium am Ende doch mit seiner ablehnenden Position durchsetzen werde. Das Thema steht auch morgen auf der Tagesordnung bei einem Treffen der Staatsekretäre aus den zuständigen Ministerien.
Die Verbraucherzentralen hoffen unterdessen auf Unterstützung aus Brüssel, denn die EU-Kommission plant im Zuge des Binnenmarktes eine Harmonisierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. Längst ist der grenzüberschreitende Handel und damit auch die grenzüberschreitende Werbung für viele Unternehmen zur Selbstverständlichkeit geworden – entsprechend groß ist der Bedarf nach einheitlichen Regeln. Dieser Umstand spielte auch bei der anstehenden Novelle des deutschen UWG eine wichtige Rolle, könnte doch eine überzeugende deutsche Liberalisierung zum Vorbild für die anstehende EU-Rahmenrichtlinie werden. Von ihr gibt es nämlich nur einen ersten Entwurf. Im Gegensatz zum deutschen Ansatz aber stehen sich in Brüssel die Bereiche Wettbewerb und Verbraucherschutz nahezu unversöhnlich gegenüber. Dies könnte aus Sicht von vzbv-Bereichsleiter von Braunmühl aber auch ein Vorteil sein:
Aus Brüssel gibt es klare Signale, einen Paradigmen-Wechsel im Wettbewerbsrecht herbeizuführen. Nämlich Liberalisierung auf der einen Seite, aber auf der einen Seite auch die Rechte der Verbraucher zu stärken – nämlich durch mehr Information, so dass sich nicht nur am Markt die Unternehmen durchsetzen, die das größte Marketingbudget haben, sondern dass wirklich der Qualitätswettbewerb obsiegt.
Möglicherweise müsste dann das deutsche UWG noch einmal überarbeitet werden. Wann die EU-Rahmenrichtlinie allerdings in Kraft treten wird, ist derzeit noch völlig offen. Daher zählt für die deutschen Unternehmen zunächst nur die anstehende UWG-Novelle. Wie sich die Handelskonzerne jedoch konkret auf die Entrümpelung der geltenden Wettbewerbsbeschränkungen einstellen werden, wollten auf Anfrage weder C&A, Kartstadt Quelle oder Kaufhof preisgeben. Zunächst müsse das eigentliche Gesetz abgewartet werden, heißt es zur Begründung.
Auch die Handelsverbände sind mit Prognosen zurückhaltend. Die fast ersatzlose Streichung der Beschränkungen für Jubiläums-, Räumungs- und Schlussverkäufe dürfte auf dem hart umkämpften Markt jedoch nicht ohne Folgen bleiben, meint der stellvertretende Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Einzelhandel, Stefan Schneider:
Also, es gibt gerade im mittelständischen Handel große Befürchtungen, dass sie mit ihrem Angebot, ihrem Preisangebot, ihrem Leistungsangebot, ihrer Qualität, ihrer Beratung, ihrem Service zukünftig nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden von den Kunden, weil die Schlachten über die Zeitungs-, Radio-, Fernsehwerbung noch stärker zunehmen und danach die Kunden ihre Einkaufswege noch sehr viel stärker ausrichten.
Nach dieser Interpretation könnte also die Modernisierung des UWG den bereits bestehenden Konzentrationsprozess in der Branche zusätzlich anheizen. Diese Sorgen hat die von vorwiegend großen Unternehmen dominierte Bundesarbeitgemeinschaft der Mittel und Großbetriebe des Einzelhandels weniger, wenngleich auch Hauptgeschäftsführer Hellwege vor einer Übertreibung beim Einsatz von Rabatten warnt. Die Sonderaktion dürfe nicht zum Normalfall werden. Ansonsten erwartet der BAG-Hauptgeschäftsführer eine Verfeinerung bereits existierender Marketing-Instrumente:
Die Kundenkreditkarte wird sich mit Sicherheit durchsetzen und ein Instrument, um ganz gezielt, ohne große Streuverluste, spezielle Ausschnitte aus dem Kundenkreis noch effizienter ansprechen zu können. Das "Couponing" scheint eine interessante Sache zu sein, weil da der Sammlertrieb mit hinzu kommt. etc. etc. Da werden sich ein paar Dinge herausschälen. Aber ich glaube nicht, dass wir nun die Kreativität insgesamt auf ständig neue Dinge dort werden sich hinentwickeln sehen.
Gleichwohl rechnen alle Handelsverbände damit, dass die Unternehmen zumindest in der Anfangszeit die neuen Freiheiten verstärkt über diverse Sonderaktionen nutzen werden. Anfang Mai will das Kabinett die Novelle verabschieden, die sich durch die vielen Interessengegensätze deutlich verspätete. Im Herbst dieses Jahres könnte sie dann endgültig in Kraft treten.