So Yvonne Vera, die Stimme moderner zimbabwescher Literatur und eine der herausragenden Autorinnen Afrikas, über ihren neuen Roman Schmetterling in Flammen. Darin taucht sie ein in die Welt von Makokoba, der ältesten Township Bulawayos. Die Menschen vom Land haben sich in die Städte der Weißen aufgemacht. Denn die Kolonialherren verlangen Steuern, und um dieses Geld zu verdienen, müssen Afrikaner, die bisher von ihrer Landwirtschaft und Tauschgeschäften gelebt haben, bezahlte Arbeit annehmen. Aber die Männer und Frauen kommen auch, weil die Stadt eine diffuse Hoffnung auf Abwechslung und Abenteuer nährt.
Die Eisenbahn rückt die Stätten der Verheißung in greifbare Nähe. Neuankömmlinge stranden am Bahnhof von Bulawayo:
Von überall her sind die Menschen gekommen. Sie lernen nicht nur die Geheimnisse der anderen kennen und nehmen sie in sich auf, sondern auch deren rätselhafte Sprachen. Akzent reibt sich an Akzent, Wort an Wort, Dialekt türmt sich auf Dialekt, bis der rastlose Klang sich wie Rauch lichtet, der Zusammenprall der Wörter, Töne, Rhythmen und Bedeutungen gegenwärtiger ist als die vorüberrumpelnden Züge. Sie lachen, wenn der Sinn unter dem Gewicht der Wörter zusammenbricht, wenn sich Wort an Wort schabt, wissen aber, dass etwas Kostbares entdeckt ist, wenn ein neuer Klang freigesetzt wird und die Kluft zwischen ihnen überbrückt.
Manche finden keinen Weg weg vom Bahnhof, werden zum Inventar der Station oder kehren zurück aufs Land - gedemütigt, weil sie es nicht geschafft haben. Andere, die Glücklichen, finden ihr neues Zuhause in den Siedlungen der Schwarzen, den Townships. Und auch wenn sie die Bürgersteige im Stadtzentrum nicht betreten dürfen, wenn sie in den Villenvororten der Weißen mit ihren üppigen subtropischen Gärten nur als Kindermädchen, Koch und Gartenboy geduldet sind - in ihren staubigen Townships schaffen sie sich ihre Welt. Dazu gehören die illegalen Kneipen, die shebeens, in denen Wirtinnen ihren meist männlichen Gästen selbstgebrautes Bier ausschenken. Es sind armselige Orte, genau wie ihre Einzimmer-Häuser oder die Wohnheime, in denen sie untergekommen sind. Aber von den shebeens geht ein Zauber aus. Auch Phephelaphi ergreift dieser Zauber:
Sie trägt einen ausgestellten weißen Rock, darunter einen gestärkten Petticoat, den sie in eine Schüssel warmen Zuckerwassers getaucht und dann heiß gebügelt hat, bis er trocken war. Ein weißer Schmetterling, ihre Taille eine eng geschnürte Schleife....
Sie tritt in eine dichte Rauchwolke, die das Kerzenlicht vergeblich zu durchdringen sucht. Brennende Zigarettenspitzen bilden überall im Raum rote Punkte und folgen den Armbewegungen nach oben und unten. Es herrscht eine entspannte Stimmung, als ob die Besucher noch nie etwas von den Schwierigkeiten in diesem Teild er Welt gehört hätten. Phephelaphi macht ihr Stimmengesumm aus, als sie sich dem Zimmer nähert. Nein, sie spürt die sanften Stimmen wie die Spitze einer Feder, die kreisend über ihre Arme streicht. An diesem seltsam frohen Abend spürt sie alles auf ihrer Haut, auch die Liebkosung der kurzen Akkorde einer Gitarre, die in einer hinteren Ecke gestimmt wird.
Als sie das Zimmer betritt ..., tauchen schemenhaft die Umrisse der Hüte auf, die weiche Linien über die angezogenen Knie zeichnen. Unterhalb der Krempen, jenseits der Linien oberhalb der Knie sieht sie schmale Hosen, die in der Mitte zu einer scharfen Falte gebügelt sind. Sie möchte sie mit den Fingern berühren. Phephelaphi hat noch niemals etwas so Reinliches gesehen wie die hier versammelten Männer.
Dazu Vera:
Ich habe mich sehr bemüht, die Komplexität der Sprache möglichst gering zu halten, und dennoch ist es ein lyrisches Buch. Aber die Leute sagen, es ist leichter zugänglich. Ich habe sehr bewusst beim Schreiben darauf geachtet, einiges an der Kompliziertheit meiner letzten beiden Romane zu vermeiden.
In ihrer Heimat ist die 37jährige Vera, die im Hauptberuf die Nationalgalerie in Bulawayo leitet, eine Heroine der Literatur. Schüler und vor allem Schülerinnen lesen ihre Werke nicht nur als Pflichtlektüre. Für manche ist Yvonne Vera eine Art Popikone. Und das, obwohl sie nie leichte Kost bietet. Auch bei Schmetterling in Flammen schlägt der beschwingte Jazz um in harte Trommelrhythmen, die in einem furiosen, gewaltsamen Finale enden.
Phephelaphi, die junge Frau aus Makokoba, lebt mit Fumbatha zusammen, einem Mann, den sie liebt. Vor allem aber hat sie einen Traum: Sie will eine Ausbildung als Krankenschwester machen, denn seit kurzem werden auch schwarze Frauen auf der Krankenpflege-Schule angenommen. Aber sie dürfen nicht verheiratet sein und kein Kind haben.
Fumbatha erzählt sie nichts von ihrem Traum. Er liebt sie, er bewacht sie eifersüchtig, er würde es nicht verstehen. Als sie entdeckt, dass sie schwanger ist, ist sie wie gelähmt. Schließlich nimmt sie den längsten Dorn, den sie an einem Busch draußen vor der Township finden kann. Der Abbruch gelingt. Sie findet zurück zu ihrem Körper. Aber das Verhältnis zu Fumbatha ist zerbrochen. Fumbatha schwängert sie erneut und schleudert ihr vergessen geglaubte, traurige Geschichten von Verrat und Einsamkeit aus ihrer Kindheit entgegen. Phephelaphi findet nicht mehr zurück ins Leben:
Sie ist schwerelos, verzehrt sich wie eine Flamme, in einer Flamme. Die Flammen umzüngeln die menschliche Gestalt, Arme, Knie, die zu ihr gehören, zu einer Frau, die ihren Schmerz umklammert wie ein zerfetztes Laken. Ein verführerischer Akt des Grauens. Eingefangen in Wärme und Licht, in einem Meer herrlicher, unstillbarer Flammen, starr, nur die Haut schält sich von ihr ab wie eine Rinde, während das Feuer ihren Körper immer enger umschlingt, und ihr Haar ein beißender Geruch, und das Kind, gefangen in ihrer Unbarmherzigkeit, in dem geschwellten Leib.
Schmetterling in Flammen ist ein moderner Roman, geschrieben von einer modernen afrikanischen Autorin. Auf den Umschlag der deutschen Ausgabe sind zwei schemenhafte, unbekleidete afrikanische Menschen platziert - traditionelles Afrika, wie die Marketingabteilung des Verlages offenbar meint, das deutsche, an Afrika interessierte Publikum gewinnen zu können. Was soll das?
Dass die Umschlaggestaltung mit dem Buch nichts zu tun haben muss, wissen wir spätestens, seit Hoffmann und Campe seine gut gehenden Krimis von Frances Fyfield und der Zsolnay Verlag seine Bestseller von Henning Mankell mit Darstellungen nackt hingestreckter Frauen aus der klassichen Malerei garniert. Der Umschlag als optischer Blickfang, das geht in Ordnung. Als Projektionsfläche billiger Klischees - das ist daneben.
Die Eisenbahn rückt die Stätten der Verheißung in greifbare Nähe. Neuankömmlinge stranden am Bahnhof von Bulawayo:
Von überall her sind die Menschen gekommen. Sie lernen nicht nur die Geheimnisse der anderen kennen und nehmen sie in sich auf, sondern auch deren rätselhafte Sprachen. Akzent reibt sich an Akzent, Wort an Wort, Dialekt türmt sich auf Dialekt, bis der rastlose Klang sich wie Rauch lichtet, der Zusammenprall der Wörter, Töne, Rhythmen und Bedeutungen gegenwärtiger ist als die vorüberrumpelnden Züge. Sie lachen, wenn der Sinn unter dem Gewicht der Wörter zusammenbricht, wenn sich Wort an Wort schabt, wissen aber, dass etwas Kostbares entdeckt ist, wenn ein neuer Klang freigesetzt wird und die Kluft zwischen ihnen überbrückt.
Manche finden keinen Weg weg vom Bahnhof, werden zum Inventar der Station oder kehren zurück aufs Land - gedemütigt, weil sie es nicht geschafft haben. Andere, die Glücklichen, finden ihr neues Zuhause in den Siedlungen der Schwarzen, den Townships. Und auch wenn sie die Bürgersteige im Stadtzentrum nicht betreten dürfen, wenn sie in den Villenvororten der Weißen mit ihren üppigen subtropischen Gärten nur als Kindermädchen, Koch und Gartenboy geduldet sind - in ihren staubigen Townships schaffen sie sich ihre Welt. Dazu gehören die illegalen Kneipen, die shebeens, in denen Wirtinnen ihren meist männlichen Gästen selbstgebrautes Bier ausschenken. Es sind armselige Orte, genau wie ihre Einzimmer-Häuser oder die Wohnheime, in denen sie untergekommen sind. Aber von den shebeens geht ein Zauber aus. Auch Phephelaphi ergreift dieser Zauber:
Sie trägt einen ausgestellten weißen Rock, darunter einen gestärkten Petticoat, den sie in eine Schüssel warmen Zuckerwassers getaucht und dann heiß gebügelt hat, bis er trocken war. Ein weißer Schmetterling, ihre Taille eine eng geschnürte Schleife....
Sie tritt in eine dichte Rauchwolke, die das Kerzenlicht vergeblich zu durchdringen sucht. Brennende Zigarettenspitzen bilden überall im Raum rote Punkte und folgen den Armbewegungen nach oben und unten. Es herrscht eine entspannte Stimmung, als ob die Besucher noch nie etwas von den Schwierigkeiten in diesem Teild er Welt gehört hätten. Phephelaphi macht ihr Stimmengesumm aus, als sie sich dem Zimmer nähert. Nein, sie spürt die sanften Stimmen wie die Spitze einer Feder, die kreisend über ihre Arme streicht. An diesem seltsam frohen Abend spürt sie alles auf ihrer Haut, auch die Liebkosung der kurzen Akkorde einer Gitarre, die in einer hinteren Ecke gestimmt wird.
Als sie das Zimmer betritt ..., tauchen schemenhaft die Umrisse der Hüte auf, die weiche Linien über die angezogenen Knie zeichnen. Unterhalb der Krempen, jenseits der Linien oberhalb der Knie sieht sie schmale Hosen, die in der Mitte zu einer scharfen Falte gebügelt sind. Sie möchte sie mit den Fingern berühren. Phephelaphi hat noch niemals etwas so Reinliches gesehen wie die hier versammelten Männer.
Dazu Vera:
Ich habe mich sehr bemüht, die Komplexität der Sprache möglichst gering zu halten, und dennoch ist es ein lyrisches Buch. Aber die Leute sagen, es ist leichter zugänglich. Ich habe sehr bewusst beim Schreiben darauf geachtet, einiges an der Kompliziertheit meiner letzten beiden Romane zu vermeiden.
In ihrer Heimat ist die 37jährige Vera, die im Hauptberuf die Nationalgalerie in Bulawayo leitet, eine Heroine der Literatur. Schüler und vor allem Schülerinnen lesen ihre Werke nicht nur als Pflichtlektüre. Für manche ist Yvonne Vera eine Art Popikone. Und das, obwohl sie nie leichte Kost bietet. Auch bei Schmetterling in Flammen schlägt der beschwingte Jazz um in harte Trommelrhythmen, die in einem furiosen, gewaltsamen Finale enden.
Phephelaphi, die junge Frau aus Makokoba, lebt mit Fumbatha zusammen, einem Mann, den sie liebt. Vor allem aber hat sie einen Traum: Sie will eine Ausbildung als Krankenschwester machen, denn seit kurzem werden auch schwarze Frauen auf der Krankenpflege-Schule angenommen. Aber sie dürfen nicht verheiratet sein und kein Kind haben.
Fumbatha erzählt sie nichts von ihrem Traum. Er liebt sie, er bewacht sie eifersüchtig, er würde es nicht verstehen. Als sie entdeckt, dass sie schwanger ist, ist sie wie gelähmt. Schließlich nimmt sie den längsten Dorn, den sie an einem Busch draußen vor der Township finden kann. Der Abbruch gelingt. Sie findet zurück zu ihrem Körper. Aber das Verhältnis zu Fumbatha ist zerbrochen. Fumbatha schwängert sie erneut und schleudert ihr vergessen geglaubte, traurige Geschichten von Verrat und Einsamkeit aus ihrer Kindheit entgegen. Phephelaphi findet nicht mehr zurück ins Leben:
Sie ist schwerelos, verzehrt sich wie eine Flamme, in einer Flamme. Die Flammen umzüngeln die menschliche Gestalt, Arme, Knie, die zu ihr gehören, zu einer Frau, die ihren Schmerz umklammert wie ein zerfetztes Laken. Ein verführerischer Akt des Grauens. Eingefangen in Wärme und Licht, in einem Meer herrlicher, unstillbarer Flammen, starr, nur die Haut schält sich von ihr ab wie eine Rinde, während das Feuer ihren Körper immer enger umschlingt, und ihr Haar ein beißender Geruch, und das Kind, gefangen in ihrer Unbarmherzigkeit, in dem geschwellten Leib.
Schmetterling in Flammen ist ein moderner Roman, geschrieben von einer modernen afrikanischen Autorin. Auf den Umschlag der deutschen Ausgabe sind zwei schemenhafte, unbekleidete afrikanische Menschen platziert - traditionelles Afrika, wie die Marketingabteilung des Verlages offenbar meint, das deutsche, an Afrika interessierte Publikum gewinnen zu können. Was soll das?
Dass die Umschlaggestaltung mit dem Buch nichts zu tun haben muss, wissen wir spätestens, seit Hoffmann und Campe seine gut gehenden Krimis von Frances Fyfield und der Zsolnay Verlag seine Bestseller von Henning Mankell mit Darstellungen nackt hingestreckter Frauen aus der klassichen Malerei garniert. Der Umschlag als optischer Blickfang, das geht in Ordnung. Als Projektionsfläche billiger Klischees - das ist daneben.