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Schmetterlingsforscher unterwegs

Am Wochenende sind sie in vielen Orten Europas wieder ausgeschwärmt: Die Schmetterlingsforscher. Ziel dieser Aktion war es, Daten über die Nachtfalter zu sammeln und sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Nachtfalterarten es noch gibt und wie groß die Populationen sind. Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler die Nachtfalter auch in der Öffentlichkeit bekannter machen, die - im Gegensatz zu den bunten und beliebten Tagfaltern - im wahrsten Sinne des Wortes eher ein Schattendasein führen. Beteiligt an dieser "europäischen Nachtfalternacht", die bereits zum zweiten Mal durchgeführt wurde, sind auch Forscher der Martin-Luther-Universität in Halle und das Umweltforschungszentrums Halle-Leipzig.

Von Mark Michel |
    Noch ist es hell im Garten des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle. Am Himmel schieben sich ein paar graue Regenwolken vorbei. Die Schmetterlingsforscher Karla Schneider und Joachim Händel von der Martin-Luther-Universität Halle treffen gerade die letzten Vorbereitungen für die Nacht. Mit mehreren Wäscheklammern befestigen sie ein weißes Stofflaken an einem Metallgestell - und fertig ist die Lichtfalle. Hinter das Stofflaken hängen sie eine Glühbirne:

    " Das ist eine Quecksilberlampe. Für die Tiere ist das ein Licht, womit sie angelockt werden. Das Wetter ist nicht so sehr günstig, aber ich hoffe, wir werden das eine oder andere interessante Tier sehen. "

    Mit der Lichtfangaktion nehmen die Hallenser Schmetterlingsforscher an der zweiten "Europäischen Nachtfalternacht" teil. Mit dabei ist auch Josef Settele, Biologe am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle:

    " Die Idee ist im Prinzip, europaweit koordinierte Aktivitäten zu haben, um das gesamte Thema Nachtfalterschmetterlinge in die Öffentlichkeit zu tragen und sogleich auch sehen, wo die Vielfalt eigentlich sitzt. "

    Weiter dazu Joachim Händel, der Schmetterlingsforscher und Vorsitzende des entomologischen Vereins in Halle:

    " Wir hoffen, dass natürlich richtig viele Entomologen da mitarbeiten und mitmachen, so dass möglichst an vielen Orten in Europa solche Lichtfangaktionen durchgeführt werden und die Tiere erhoben werden. Die werden dann gezählt und auch zentral erfasst und weiter gemeldet an eine Datenbank und zugänglich gemacht für die breite Masse der Wissenschaft. "

    In Halle beginnt es nun leider zu regnen. Die Forscher ziehen sich in einen kleinen Pavillon zurück. Dort liegen zwei große Schaukästen mit präparierten Nachtfaltern. Daneben steht ein kleines Mädchen und fragt den Schmetterlingsforschern Löcher in den Bauch:
    " Warum heißen die überhaupt so? Ich meine, warum haben die diese Namen? Na, das ist ganz unterschiedlich. Form, Farbe oder Nahrung. Zum Beispiel dieser hier. Das ist ein Kiefernschwärmer. Weil er Kiefern isst? Weil die Raupe an Kiefern nagt. "

    Mit Einbruch der Dunkelheit hört es auf zu regnen. Kurze Zeit später landet der erste Nachtfalter auf dem weißen hell erleuchteten Laken.

    " Ich kann ja noch mal die Büchse holen.
    Wurde hier ein Nachtfalter gefangen?
    Ja, der wird jetzt bestimmt, was es für eine Art es ist. Und da man das in diesem Netz nicht machen kann, da müssen wir ein Glas holen und schauen, wenn er sich beruhigt hat, was das für einer ist. "

    An die 3500 verschiedene Arten Nachtfalterschmetterlinge gibt es in Deutschland. Im Vergleich zu den Tagfaltern eine riesige Artenanzahl. Denn Tagfalterarten zählt man in Deutschland nur ungefähr 190. Für die Natur sind Nachtfalter von großer Bedeutung, erklärt der Entomologe Josef Settele:

    " Sie haben wie alle Schmetterlinge eine wesentliche Bestäuberfunktion. Dann spielen sie eine große Rolle beim Stoffumsatz, und sie sind wichtig für die Nahrungskette. Sie sind als Nahrung für Vögel und Fledermäuse sehr relevant. "

    Doch um ihren Bestand machen sich die Biologen Sorgen:

    " Ein Großteil der Nachtfalter ist im Prinzip gefährdet und steht auf der roten Liste der Arten. Ein starker Rückgang ist in allen Gruppen eigentlich zu beobachten, im Wesentlichen bedingt natürlich durch Änderung der Landnutzung, Fragmentierung, durch störende Lichtquellen, durch Autoverkehr - das ist eine ganze Palette. Aber Landnutzung ist sicher ein ganz wichtiger Faktor. "

    Im Garten des Umweltforschungszentrums in Halle blättern die Schmetterlingsforscher derweil weiter im Bestimmungsbuch:

    " Es ist auf jeden Fall Eule...Noptoiden. Jetzt geht es richtig los. Das könnte so was sein. Ja, da sieht man nur das Weiße. Das sieht man nicht so gut. Aber es kann auch dieses abgeflogene Cenetrum sein. Ja das kann sein... "

    Am Ende der Nacht werden alle Falter wieder fliegen gelassen. Noch wissen die Forscher nicht genau, an wie vielen Orten in Europa am Wochenende Lichtfallen aufgestellt wurden und auch nicht, welche Arten dabei gesichtet werden konnten. Erst in einigen Wochen, nach Eingang und Auswertung der gesammelten Daten, wird man neue Hinweise darauf bekommen, wie es um den Bestand der Nachtfalterschmetterlinge in Europa steht.