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Schmidt: Wir müssen die Menschen erreichen

Nach der jüngsten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank diskutierten EZB-Präsident Mario Draghi und Altkanzler Helmut Schmidt über Wege aus der Euro-Krise. Draghi machte klar: Die deutschen Export-Überschüsse seien kein Problem.

Von Axel Schröder | 08.11.2013
    Eine Schneise in die Unübersichtlichkeit der Euro-Krise sollte die Schlussdebatte des Wirtschaftsforums der "Zeit" schlagen. Lösungen aufzeigen, wie sich Europa aus der Krise befreien kann. EZB-Präsident Mario Draghi und Altkanzler Helmut Schmidt diskutierten darüber im prächtigen Kirchenschiff des Hamburger Michels. Und gleich zu Beginn machte Mario Draghi klar, dass er an den deutschen Exportüberschüssen, an Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit, nichts auszusetzen hat:

    Draghi: "Ich denke, dort, wo wir Wettbewerbsfähigkeit vorfinden, sollte wir sie nicht kritisieren. Wir sollten sicherstellen, dass die anderen Länder eine Politik verfolgen, die dazu führt, genauso wettbewerbsfähig zu werden wie Deutschland."

    Das Ungleichgewicht zwischen den Ökonomien der Eurozone müsse wieder hergestellt werden, so Draghi.

    Draghi: "Und der beste Weg, das zu tun, ist unserer Meinung nach: nicht die Stärksten zu schwächen. Wenn man den Stärksten schwächt, werden die Schwächeren dadurch nicht stärker."

    Die Ängste der deutschen Sparer, dass weiterhin niedrige Zinsen in der EU ihre Altersvorsorge bedrohen, kann Draghi verstehen. Allerdings sei daran nicht allein die Politik der EZB schuld. Sondern auch die Tatsache, dass Deutschland mittlerweile als sicherer Hafen im EU-Raum gilt, in den seit Jahren das aus anderen EU-Ländern abgezogene Kapital fließe. Helmut Schmidt hörte dem EZB-Präsidenten zunächst still zu. Was die jüngste Zinsentscheidung der Zentralbank angeht, hatte der Kanzler a.D. an Draghis Ausführungen nichts auszusetzen:

    Schmidt: "I agree with every word he said.”"

    Allerdings, so mahnte Schmidt, muss noch viel getan werden, um die Krise zu meistern. Das Bankensystem muss stärker als bisher reguliert werden, die Jugendarbeitslosigkeit – das betonte auch Draghi – viel konsequenter bekämpft werden. Bisher, so Schmidt, unternehme die EU, die Kommission und das Parlament viel zu wenig, um den wirtschaftlich schwachen EU-Staaten zu helfen. Er erinnerte an den Marshallplan, an die jahrzehntelange Unterstützung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.

    Schmidt: ""Heute stehen wir ganz oben. Und ich möchte Landsleuten sagen: Es ist an der Zeit, ein bisschen was von dieser Hilfe zurückzugeben. Leisten können wir uns alle Mal!"

    Noch immer werde zu viel über die Eurokrise geredet, viel zu wenig getan, so Helmut Schmidt. Neben konkreten Hilfen für die griechische oder die spanische Wirtschaft fordert der Altkanzler mehr Mut zu symbolischer Politik: Der Kniefall Willy Brandts, Kohl und Mitterrand Hand in Hand in Verdun - das waren Gesten, die unendlich wichtig waren, ohne eine D-Mark, einen Franc, einen Euro zu kosten.

    Schmidt: "Wir brauchen beides: Wir müssen konkrete Hilfen leisten und wir müssen die Menschen erreichen! Die Gefühle der Menschen!"

    Ob die neue Regierung dazu in der Lage ist? Helmut Schmidt hat daran Zweifel. Dass Angela Merkel mit einer Rede vor dem griechischen Parlament, auf griechischen Plätzen gefeiert wird, statt als die "böse Deutsche" beschimpft zu werden – das ist, aus heutiger Sicht, tatsächlich eine sehr ferne Utopie.