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Schmiergeld für Doktortitel

Etwa 100 Hochschullehrer stehen derzeit im Visier der Justiz. Sie sollen gegen ein Bestechungsgeld Promotionswillige betreut haben. Hochschulverbandspräsident Bernhard Kempen hält den Imageschaden für groß. Gleichwohl handele es sich hierbei nur um "schwarze Schafe".

Bernhard Kempen im Gespräch mit Regina Brinkmann | 24.08.2009
    Bernhard Kempen: Der Imageschaden ist groß, das wollen wir überhaupt nicht beschönigen, sondern tatsächlich leiden hier diejenigen, die ordnungsgemäß promovieren, und das ist Gott Lob ja nicht nur die überwältigende Zahl, sondern es ist fast die vollständige Gruppe. Was wir hier haben, sind schwarze Schafe, die den Ruf derjenigen, nämlich die ordentlich arbeiten, also der weißen Schafe, ganz, ganz massiv beschädigen.

    Regina Brinkmann: Der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld erklärte, bei den Verdächtigen handele es sich vor allem um Honorarprofessoren und Privatdozenten, also Dozenten, die für ihre Lehre in der Regel gar nicht oder nur schlecht bezahlt werden. Sollte über ein neues Besoldungssystem nachgedacht werden?

    Kempen: Möglicherweise ist tatsächlich dies eine Erklärung für dieses strafbare Verhalten, das ja noch nicht erwiesen ist, aber wir dürfen davon ausgehen, dass diese Ermittlungsverfahren doch in einer ganz beträchtlichen Zahl auch erfolgreich verlaufen werden. Also das ist eine Erklärung, aber bei Gott keine Entschuldigung. Wer tätig wird in Promotionsverfahren, muss wissen, dass er eine öffentlich-rechtliche Diensthandlung vollzieht, die in keiner Weise mit irgendwelchen Gegenleistungen verbunden sein darf.

    Brinkmann: Promotionsberater bieten ja Vermittlungs- und Beratungsdienste für den Erwerb eines Doktortitels an. Schließen Sie mit diesem Betreuungsangebot eine Lücke, die Ihnen die Hochschullehrer hinterlassen?

    Kempen: Nein, das ist ganz sicherlich nicht der Fall. Die eigentlichen Promotionsberater sind die Professorinnen und Professoren an den deutschen Universitäten, die kommen ihrer Aufgabe sehr gewissenhaft nach. Wir haben Credible Schools an vielen Universitäten und in vielen Fakultäten, wir haben eine ganz aktive Suche nach geeigneten Doktoranden. Es ist also nicht so, dass man verzweifelt einen Doktorvater suchen muss und dabei die Hilfe eines windigen Promotionsberaters in Anspruch nehmen müsste.

    Brinkmann: Wie könnte man denn das System der Promotionsvergabe und Betreuung transparenter machen?

    Kempen: Wir haben schon vor Längerem vorgeschlagen, dass jeder, der eine Doktorarbeit am Ende auf den Tisch legt, um damit den Doktortitel zu erwerben, eine eidesstattliche Erklärung abgeben sollte mit dem Inhalt, dass er diese Arbeit ganz ohne fremde Hilfe und insbesondere ohne Unterstützung eines Promotionsberaters angefertigt hat. Mit dieser eidesstattlichen Erklärung wäre dann verbunden, dass über dem Bewerber das Damoklesschwert eines strafrechtlichen Verfahrens hängt, nämlich wenn er hier die Unwahrheit gesagt hat.

    Brinkmann: Sie haben gesagt, Sie haben das schon vor längerer Zeit mal angemahnt. Ich hab mal nachgelesen, es war 1994, dass Sie vom Deutschen Hochschulverband so eine Resolution mit Gegenmaßnahmen empfohlen haben. Warum greifen die nicht?

    Kempen: Weil man bisher davon ausgehen konnte und auch zu Recht davon ausgehen durfte, dass es in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle ordnungsgemäß zugeht. Noch mal: Wir haben 25.000 Promotionen im Jahr, und es wäre also, glaube ich, eine falsche Schlussfolgerung, nun anzunehmen, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht. Wir haben es hier mit einem Randphänomen zu tun, allerdings mit einem überaus ärgerlichen, mit schwarzen Schafen, von denen jedes einzelne bereits eines zu viel ist.

    Brinkmann: Aber könnte es nicht sein, dass wir gerade so die Spitze des Eisberges sehen?

    Kempen: Das glaube ich überhaupt nicht, nochmals: Ich denke, dass die Professorinnen und Professoren ordnungsgemäß Promotionsverfahren durchführen und dass es in einigen Randfällen tatsächlich zu diesem strafbaren Verhalten gekommen ist. Ich will hinzufügen, dass der Deutsche Hochschulverband schon mehrfach den Versuch unternommen hat, gegen Promotionsberater strafrechtlich vorzugehen, wir haben mehrfach Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Allerdings waren diese Verfahren ergebnislos, weil die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Anfangsverdacht gegeben sah. Wir sind deswegen sehr dankbar, dass jetzt aufgeklärt wird in diesem Kölner Fall, der möglicherweise doch der heftigste Fall ist, und begrüßen es, dass jetzt hier mit allen Mitteln des Strafrechts Sachverhaltsaufklärung betrieben wird.

    Brinkmann: Sie haben schon ein paar Maßnahmen angesprochen, die das Ganze verbessern könnten, also die eidesstattliche Erklärung war zum Beispiel ein Aspekt. Aber braucht man nicht vielleicht auch ein zentrales Kontrollgremium?

    Kempen: Ich denke, dass das sozusagen überflüssige Bürokratie wäre. Professorinnen und Professoren verhalten sich im Allgemeinen und wie gesagt ...

    Brinkmann: Nun sind aber diese Straftaten ja auch oder sind diese Korruptionsfälle ja auch unter Professoren, unter Hochschullehrern passiert, also muss man da nicht noch mal vielleicht sagen, dass sozusagen die Frösche nicht ihren eigenen Teich trockenlegen können?

    Kempen: Also es gibt diese Kontrollorgane ja in dem Sinne, als jedes Ministerium die Rechtsaufsicht führt über das, was an den Universitäten vorgeht. In Nordrhein-Westfalen haben wir den Sonderfall, dass die Universitäten das selber machen, die Universitäten selbst sind Dienstvorgesetzte und können hier aufsichtig tätig werden. Ich glaube nicht, dass wir zusätzliche Gremien oder zusätzliche Organe bräuchten, es müssten nur die vorhandenen ihre Arbeit noch sorgfältiger erfüllen.