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"Schmiergeld ist hässlich"

Der russische Präsident Medwedew hatte bei Amtseinführung die Korruptionsbekämpfung ganz oben auf seine politische Agenda gesetzt. Doch auch wenn die Duma ein Antikorruptiongesetz beschließt, wird es noch viel Zeit brauchen, bis sich die Einstellung zu Bestechung und Schmiergeldern im Alltag ändert. Auch deshalb hat der Radiosender Echo Perm in der russischen Provinz das Thema zum Programm erklärt, auf humorvolle Weise, wie Judith Kösters weiß:

Von Judith Kösters |
    "Vzjatki Gadki" hat der private russische Radiosender Echo Perm seine Kampagne getauft, übersetzt etwa "Schmiergeld ist hässlich". Die Idee: Präsident Dmitrij Medwedew mag von Moskau aus noch so viele Anti-Korruptions-Kampagnen starten: Die wahre Veränderung beginnt im Kopf. Moderatorin Anastasiya Sechina erklärt den Hörern die Aktion:

    "Zehn Uhr und sieben Minuten. Es gibt Sätze, die in unserem Land jeder kennt: "Ihr Dankeschön kann ich mir schlecht in die Tasche stecken" zum Beispiel oder "Ihren Dank kann ich mir nicht aufs Brot schmieren". Was uns fehlt sind Antworten auf diese Sätze."

    Der Sender fordert seine Hörer deshalb auf, sich genau solche Antworten auszudenken, mit denen man seinem Gegenüber auf humorvolle, ironische Art zu verstehen gibt: Ich zahle kein Schmiergeld. Der Hauptpreis für den besten Spruch: Ein Staubsauger – in der Hoffnung, dass Russland endlich reinen Tisch macht in Sachen Korruption. Der Anlass: Präsident Medwedew hatte die Korruptionsbekämpfung bei seinem Amtsantritt vor einem halben Jahr zur Chefsache erklärt und will strengere Strafen einführen. Moderatorin Anastasiya Sechina zweifelt allerdings daran, ob das tatsächlich etwas bringen wird:

    "Das Schmiergeldzahlen ist tief in unserer Mentalität verankert. Es ist schwer, von dem Gedanken wegzukommen, dass man prinzipiell alle Probleme mit Schmiergeldern lösen kann. Die Aktion unseres Radiosenders soll ein kleiner Schritt auf dem Weg in diese Richtung sein."

    Dass Schmiergeldzahlungen in Russland weit verbreitet sind, streitet kaum jemand ab. In Perm halten laut einer Umfrage fast zwei Drittel der Einwohner die Verkehrspolizei für korrupt, gefolgt von Polizisten allgemein, Ärzten und dem Personal im Bildungssektor. Als besonders anfällig für Schmiergeldzahlungen gilt die Technische Universität der Stadt.

    Spricht man dort die Studenten auf das Thema an, lässt sich allerdings längst nicht jeder auf ein Gespräch ein:

    ""Wissen Sie, bei uns gibt es so etwas nicht."

    "An der Universität ist alles bestens. Korruption ist mir noch nie begegnet."

    "Die Situation ist gut, der Unterricht ist gut."

    Korruption gibt es nicht, alles bestens bei uns, sagen sie.

    Einige junge Studentinnen sind dann doch bereit zu reden. Schmiergeld sei ein Dauerthema, sagen sie. Trotzdem, fügt eine hinzu, sie wolle ohne Schmiergelder durch ihr Wirtschaftsstudium kommen. Schließlich wolle sie stolz sein können auf ihr ehrlich verdientes Diplom – auch wenn das später bei der Jobsuche nicht helfen wird oder, im Gegenteil, ihr deutliche Nachteile verschaffen wird:

    "Die Arbeitgeber schauen sich nun Mal in erster Linie das Diplom an – und fragen sich nicht, wie die Noten genau zustande gekommen sind."

    Wie man die Korruption denn bekämpfen könnte?

    "Mit Geldstrafen jedenfalls nicht, da sind sich die Freundinnen einig – die würden die Schmiergeldnehmer aus der Portokasse zahlen."

    Vielmehr müsse sich in den Köpfen etwas ändern, fordern sie – genau wie der Radiosender Echo Perm also, der auf Scharfsinn und Humor als Waffen im Kampf gegen die Korruption setzt. Der Anti-Schmiergeld-Vorschlag eines Hörers, über den Moderatorin Anastasiya Sechina und ihr Kollege am meisten lachen mussten, ist eine geschickt verpackte Drohung. Zur Erklärung vorweg: Behörden in Russland sind dafür bekannt, dass sie ihren Angestellten die Gehälter oft erst mit Verspätung zahlen.

    "Guten Tag, Sergej hier. - Ja, Sergej...."

    Sergej will so auf eine Schmiergeldforderung reagieren: "Es tut mir Leid, aber meine Chefs bei der Staatsanwaltschaft sind mal wieder spät dran mit den Gehältern."

    Und dann wird die energische Journalistin doch wieder ganz ernst, als es um die geplanten Anti-Korruptions-Gesetze geht. Sie sieht eine große Gefahr:

    "Unter dem Kampf gegen die Korruption können auch Unschuldige leiden. Beamte, die ihren Vorgesetzten nicht in den Kram passen, können mithilfe der neuen Anti-Korruptions-Gesetze noch leichter diskreditiert und damit aus dem Weg geräumt werden."