"Hure!
Ich bin keine Hure.
Nur weil er Dich nie bezahlt hat?
Nein, aber er lag vor mir auf den Knien.
Trotzdem ist er mein Mann und ich bring den Dreckskerl um, wenn ich mit Dir fertig bin!"
Die beiden Frauen schlagen - angefeuert von einer johlenden Menge – gnadenlos aufeinander ein. Am Rand beobachtet eine elegante junge Frau fassungslos das Geschehen: Jenny Lee. Sie ist aus ihrer behüteten Welt in dieses wüste Hafenviertel gekommen, um als Hebamme zu arbeiten. Das Londoner East End ist in den späten 1950er-Jahren einer der schlimmsten Elendsbezirke Englands, eine Szenerie wie aus einem Roman von Charles Dickens. Was für die anderen Schwestern Routine ist, erlebt Jenny Lee als Kulturschock:
"Wie können Sie so ruhig bleiben?
Als ich neu in der Schwesternbereitschaft war, fand ich es oft schwer, all meinen Ekel zu unterdrücken.
Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Menschen so leben.
Aber es ist so. Und deshalb sind wir hier."
Jenny kommt in kakerlakenverseuchte Wohnungen, in denen ganze Familien in einem einzigen Bett schlafen. Sie behandelt Frauen, die 22 Geburten hinter sich haben und 15-jährige Prostituierte. Die Serie "Call the Midwife" zeichnet diese Welt aus Schmutz und Elend detailgetreu realistisch nach. Und die oft unter erbärmlichen Verhältnissen ablaufenden Geburten sind ebenso anschaulich wie drastisch inszeniert:
"Miss Lee und ich werden Sie umdrehen. Gut so.
Ich hab's satt, Babys zu kriegen. Ich bin erst 23. (Stöhnen, Schreie)
Gut so." (Schreie)"
"Call the Midwife" beruht auf den Bestseller-Memoiren von Jennifer Worth, die in den 50er-Jahren selbst als Hebamme im East End arbeitete. Die Serie bleibt nah an der Vorlage, die Besetzung ist - bis hin zu Vanessa Redgrave als Off-Sprecherin – durchweg stimmig.
Mitunter werden die selbstlose Hilfsbereitschaft der Schwestern und die Tapferkeit armer, aber liebevoller Mütter jedoch arg rührselig erzählt, bis an die Kitschgrenze. Dann wieder wirkt die Serie wie ein politisches Plädoyer:
"Übernehmen Sie den Sauerstoff, und rufen Sie in der Great Allman Street an, sie sollen alles für ein Frühgeborenes vorbereiten.
Lippen bekommen Farbe und – das Baby atmet noch.
Gott sei Dank.
Aber in diesem Fall gebührt es dem staatlichen Gesundheitsdienst, Sir. Vor zehn Jahren hätte es das nicht gegeben: kein Rettungsdienst, kein Krankenwagen und keine Chance!"
In den 50er-Jahren führte die Labour-Regierung ein staatliches Gesundheitssystem ein, das erstmals auch den Unterschichten medizinische Versorgung brachte. Manche sehen diese Errungenschaft durch die Reformen der heutigen Regierung gefährdet und interpretieren "Call the Midwife" als politisches Statement. Und eine Kommentatorin hat die Serie sogar als "Fackelträger des Feminismus" bezeichnet. Sie propagiere eine Art Klassen übergreifende Frauen-Solidarität. Wohl nicht zufällig ist "Call the Midwife" Ende der 50er-Jahre angesiedelt, in einer Zeit, die momentan auch in anderen Serien wie "Mad Men" oder "The Hour" sehr beliebt ist. Dort wird sie als Epoche des Umbruchs interpretiert, das ist hier nicht anders:
"Warum probierst Du nicht mal einen neuen Lippenstift aus, Cynthia?
Meine Lippen sind zu schmal, ich würde albern aussehen.
Gut, Himmel hilf mir. Chin, chin!"
Die Krankenschwestern trinken sich ordentlich einen an, bevor sie sich bei Gin und Rock 'n' Roll selbstbewusst mit Männern amüsieren. "Call the Midwife" ist eine eigentümliche Mischung aus harter Sozialreportage und nostalgischer Beschwörung der guten alten Zeit. Leider gibt es in der DVD kein Bonusmaterial, das die Absichten der Autoren erklären würde. Dafür kann man im englischen Original das Aufeinandertreffen vom Cockney-Slang der Unterschicht und der Sprache der Upper Class erleben, womit die krassen Klassengegensätze anders als in der Synchronisation viel deutlicher zutage treten. Stärker als auf den ersten Blick sichtbar, ist "Call the Midwife" ein subtiles Gesellschaftsporträt, dessen erstaunlicher Erfolg vielleicht mehr über unsere Zeit als über die 50er-Jahre aussagt.
Call the Midwife" auf den Seiten der BBC
Staffel 1 der englischen Serie ist bei Universal auf DVD erschienen.
Ich bin keine Hure.
Nur weil er Dich nie bezahlt hat?
Nein, aber er lag vor mir auf den Knien.
Trotzdem ist er mein Mann und ich bring den Dreckskerl um, wenn ich mit Dir fertig bin!"
Die beiden Frauen schlagen - angefeuert von einer johlenden Menge – gnadenlos aufeinander ein. Am Rand beobachtet eine elegante junge Frau fassungslos das Geschehen: Jenny Lee. Sie ist aus ihrer behüteten Welt in dieses wüste Hafenviertel gekommen, um als Hebamme zu arbeiten. Das Londoner East End ist in den späten 1950er-Jahren einer der schlimmsten Elendsbezirke Englands, eine Szenerie wie aus einem Roman von Charles Dickens. Was für die anderen Schwestern Routine ist, erlebt Jenny Lee als Kulturschock:
"Wie können Sie so ruhig bleiben?
Als ich neu in der Schwesternbereitschaft war, fand ich es oft schwer, all meinen Ekel zu unterdrücken.
Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Menschen so leben.
Aber es ist so. Und deshalb sind wir hier."
Jenny kommt in kakerlakenverseuchte Wohnungen, in denen ganze Familien in einem einzigen Bett schlafen. Sie behandelt Frauen, die 22 Geburten hinter sich haben und 15-jährige Prostituierte. Die Serie "Call the Midwife" zeichnet diese Welt aus Schmutz und Elend detailgetreu realistisch nach. Und die oft unter erbärmlichen Verhältnissen ablaufenden Geburten sind ebenso anschaulich wie drastisch inszeniert:
"Miss Lee und ich werden Sie umdrehen. Gut so.
Ich hab's satt, Babys zu kriegen. Ich bin erst 23. (Stöhnen, Schreie)
Gut so." (Schreie)"
"Call the Midwife" beruht auf den Bestseller-Memoiren von Jennifer Worth, die in den 50er-Jahren selbst als Hebamme im East End arbeitete. Die Serie bleibt nah an der Vorlage, die Besetzung ist - bis hin zu Vanessa Redgrave als Off-Sprecherin – durchweg stimmig.
Mitunter werden die selbstlose Hilfsbereitschaft der Schwestern und die Tapferkeit armer, aber liebevoller Mütter jedoch arg rührselig erzählt, bis an die Kitschgrenze. Dann wieder wirkt die Serie wie ein politisches Plädoyer:
"Übernehmen Sie den Sauerstoff, und rufen Sie in der Great Allman Street an, sie sollen alles für ein Frühgeborenes vorbereiten.
Lippen bekommen Farbe und – das Baby atmet noch.
Gott sei Dank.
Aber in diesem Fall gebührt es dem staatlichen Gesundheitsdienst, Sir. Vor zehn Jahren hätte es das nicht gegeben: kein Rettungsdienst, kein Krankenwagen und keine Chance!"
In den 50er-Jahren führte die Labour-Regierung ein staatliches Gesundheitssystem ein, das erstmals auch den Unterschichten medizinische Versorgung brachte. Manche sehen diese Errungenschaft durch die Reformen der heutigen Regierung gefährdet und interpretieren "Call the Midwife" als politisches Statement. Und eine Kommentatorin hat die Serie sogar als "Fackelträger des Feminismus" bezeichnet. Sie propagiere eine Art Klassen übergreifende Frauen-Solidarität. Wohl nicht zufällig ist "Call the Midwife" Ende der 50er-Jahre angesiedelt, in einer Zeit, die momentan auch in anderen Serien wie "Mad Men" oder "The Hour" sehr beliebt ist. Dort wird sie als Epoche des Umbruchs interpretiert, das ist hier nicht anders:
"Warum probierst Du nicht mal einen neuen Lippenstift aus, Cynthia?
Meine Lippen sind zu schmal, ich würde albern aussehen.
Gut, Himmel hilf mir. Chin, chin!"
Die Krankenschwestern trinken sich ordentlich einen an, bevor sie sich bei Gin und Rock 'n' Roll selbstbewusst mit Männern amüsieren. "Call the Midwife" ist eine eigentümliche Mischung aus harter Sozialreportage und nostalgischer Beschwörung der guten alten Zeit. Leider gibt es in der DVD kein Bonusmaterial, das die Absichten der Autoren erklären würde. Dafür kann man im englischen Original das Aufeinandertreffen vom Cockney-Slang der Unterschicht und der Sprache der Upper Class erleben, womit die krassen Klassengegensätze anders als in der Synchronisation viel deutlicher zutage treten. Stärker als auf den ersten Blick sichtbar, ist "Call the Midwife" ein subtiles Gesellschaftsporträt, dessen erstaunlicher Erfolg vielleicht mehr über unsere Zeit als über die 50er-Jahre aussagt.
Call the Midwife" auf den Seiten der BBC
Staffel 1 der englischen Serie ist bei Universal auf DVD erschienen.