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Schmutzige Fracht

Umwelt. - Anthropogene Spurenstoffe in Gewässern, das sind giftige Substanzen, die da eigentlich nichts zu suchen haben. Eine wichtige Gruppe dieser Schadstoffe, die Ökotoxikologen zunehmend Sorge bereitet, sind Arzneimittel und hormonell wirksame Substanzen, die über Toilettenabwässer in die Umwelt gelangen. Wie sich die giftige Fracht eindämmen lässt, diskutieren Experten derzeit bei einer Tagung in Berlin. Thomas Ternes von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz erläutert das Thema im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Ralf Krauter: Herr Ternes, was genau macht die genannten Substanzen aus der Sicht des Gewässerschützers so bedenklich?

    Thomas Ternes: Bei den endokrin wirksamen Substanzen liegt die Bedenklichkeit darin, dass diese Verbindungen in sehr geringen Konzentrationen schon Wirkungen auf Organismen in Gewässern ausüben können. Beispielsweise Ethinylestradiol, das ist ein Inhaltsstoff der so genannten Anti-Baby-Pille, hat schon Effekte bei 0,3 Nanogramm pro Liter.

    Krauter: Das heißt, man weiß bei diesen Substanzklassen relativ genau, ab wann sie gefährlich werden, oder ist das jetzt nur ein Beispiel, wo man es zufällig genau weiß?

    Ternes: Es gibt einige Stoffe, die gut untersucht sind, wo man es genau weiß, wie zum Beispiel bei diesem Ethinylestradiol, auch bei anderen Verbindungen. Es gibt eine Vielzahl an Stoffen, die durch unseren täglichen Gebrauch in die Umwelt appliziert werden, wo wir die Wirkung überhaupt nicht kennen, und es ist auch nicht bekannt, wie die Stoffe in Kombination wirken. Denn in der Umwelt haben wir nicht einzelne Stoffe, sondern ein ganzes Cocktail an unterschiedlichen Substanzen vorliegen, die natürlich auch dann gemeinsam Auswirkungen auf Organismen in Gewässern ausüben können.

    Krauter: Also Grund sich Sorgen zu machen, die Konzentration, die wir jetzt schon beobachten?

    Ternes: Es gibt Gründe dafür, dass wir erwarten können, dass die Organismen in den Fließgewässern schon negativ durch diese Substanzen beeinflusst werden, ja.

    Krauter: In Berlin soll es ja darum gehen, mögliche Gegenmaßnahmen zu entwickeln gegen diese giftige Fracht im Abwasser. Was sind denn da die chancenreichsten Optionen, die man hat?

    Ternes: Gut, man kann direkt bei der Anwendung anfangen, oder bei der Quelle, wie man so schön sagt. Man kann zum Beispiel Krankenhausabwässer überlegen, ob man die direkt schon behandelt, bevor sie überhaupt in die normale Kläranlage eingeleitet werden. Man kann versuchen, dass man Produkte mit einem Label versieht - umweltfreundlich, ja oder nein -, so dass der Verbraucher entscheiden kann, was er nimmt. Es gibt sogar Überlegungen, dass man dann Urin abtrennt vom Waschwasser und dort diesen Teil schon mal besonders behandelt, um die Belastungen zu reduzieren. Es gibt auch die Überlegung zu sagen, wenn diese Maßnahmen an der Quelle nicht ausreichend sind, dass man sich die Kläranlagen vornimmt und sogar über eine vierte Stufe in den Kläranlagen diskutiert.

    Krauter: Im Prinzip könnte man in Kläranlagen alles herausfiltern, das kostet aber viel Geld. Lassen sie uns deshalb noch mal zurückkommen auf Maßnahmen zur Eindämmung an der Quelle. Sie haben zwei spannende Themen angesprochen: Das eine klang für mich nach speziellen Toiletten für Krankenhäuser zum Beispiel, um solche speziellen Substanzen aus dem Urin zu filtern?

    Ternes: Ja, zum Beispiel könnten sie in Krankenhäusern ganz gezielt Toiletten installieren, die dann Urin und Stuhlgang voneinander trennen, und dann könnten Sie den Urin dort sammeln und dann gezielt behandeln, um anschließend den in Urin enthaltenen Stickstoff und Phosphor wiederzugewinnen und beispielsweise als Düngung für landwirtschaftliche Flächen zu verwenden.

    Krauter: Das andere, was Sie erwähnten, wäre eine Art Grüner Engel für Tabletten. Gibt es so was denn schon?

    Ternes: In Schweden gibt es eine erste Studie, die damit beginnt, die haben auch schon eine Klassifizierung der Medikamente vorgenommen entsprechend ihrer Umweltverträglichkeit. Sie möchten jetzt demnächst auch Medikamente damit auszeichnen, sodass dann der Arzt, aber auch der Patient entscheiden kann, wenn Medikamente gleiche Wirkungsspektren haben, das er das umweltfreundlichere Medikament bekommt.

    Krauter: Aber der Wirkstoff selbst kann in so einer Tablette ja kaum weggelassen werden. Wie modelt man das denn um, um es umweltverträglicher zu machen?

    Ternes: Man muss dann Umweltverträglichkeit aufgrund verschiedener Wirkstoffe diskutieren. Es gibt Wirkstoffe, die sind umweltverträglicher als andere. Ein Beispiel ist das Antirheumatikum Diclofenac: Man weiß, dass es in umweltrelevanten Konzentrationen bei Fischen zu Nierenschädigung führen kann, während ein Vergleichspräparat, das Ibuprofen, das nicht tut. Bei Applikationen, wo man sagen kann, man könnte beide Präparate einnehmen, könnte der Arzt dann entscheiden, okay, wir nehmen das Medikament mit den geringeren Auswirkungen für die Umwelt.