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Schnattern auf Hallig Hooge

Gänse sind nicht nur erstaunlich soziale Vögel, sie sind auch wahre Langstreckenflieger, Nomaden zwischen zwei Welten. Ihre Brutgebiete liegen in Skandinavien oder Sibirien, ihre Überwinterungsgebiete in den Küstenregionen rund um die Nordsee. Hier sind Biosphärenreservate zum Schutz der Ringelgänse eingerichtet worden. Doch ganz unbedroht sind die Tiere trotzdem nicht.

Von Annette Eversberg |
    Es ist ein beeindruckendes Schauspiel. Ringelgänse, die in großen Schwärmen über die Hallig Hooge ziehen. Schnatternd laufen die Tiere über die kurzen Wiesen. Sie scheinen laufend zu fressen. Nicht ohne Grund, betont Klaus Günther von der Schutzstation Wattenmeer.

    "Sie kommen aus den Winterquartieren an den französischen und englischen Küsten und bleiben jetzt bis Mitte Mai und ziehen dann auf die Brutgebiete in Sibirien auf der Taimirhalbinsel. "

    Ringelgänse sind Langstreckenflieger. 2000 Kilometer schaffen sie ohne Schwierigkeiten. Vorausgesetzt sie haben die nötigen Fettreserven. Die können sie auf den nahrhaften Salzwiesen der Halligen in wenigen Wochen auffüllen. Dabei dürfen sie auf keinen Fall gestört werden. An die Menschen auf den Wegen haben sie sich aber längst gewöhnt. Professor Hans-Heiner Bergmann, Ornithologe von der Universität Osnabrück, kennt die Tiere genau. Für seine Verdienste um die Gänse verlieh ihm der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller zur Eröffnung der Ringelganstage die goldene Ringelgansfeder.

    "Die Gänse sind Massentiere, die familienartig organisiert sind. Die Familien, das sind natürlich die Eltern, aber auch die Kinder dazu. Der Vater passt auf, der hat den Hals oft nach oben und kontrolliert, ob sich kein Feind nähert, und die Mutter ist dabei, mehr für sich zu sorgen und zu fressen, denn sie muss ja in den nächsten Wochen wieder Eier produzieren. Also sind die Aufgaben verschieden verteilt. Und das kann man mit eigenen Augen in diesen Scharen von Gänsen hier erkennen."

    Dr. Peter Prokosch, Geschäftsführer von WWF-Deutschland kennt die Bedeutung der Halligen für den Weltbestand dieser Wildgänse, die zur Gattung der Meergänse gehören. Denn durch den Schutz und die Rastmöglichkeiten auf den Inseln haben die Ringelgänse einen regelrechten Aufschwung erlebt.

    "Der Bestand hat sich von 15.000 Minimum in den 50er Jahren auf 200.000 und 300.000 erhöht hat. Das ist eine enorme Steigerung und - das hoffen wir – pendelt sich auf dieser Höhe so ein."

    Die Tiere zur Attraktion zu machen, damit lässt sich aus der Sicht von Umweltminister Klaus Müller der Schutz auf den strukturenschwachen Halligen durchaus intensivieren.

    "Die Gänse sind da, sie waren auch vor uns übrigens da. Und wenn es jetzt gelingt, sie touristisch zu nutzen, dann ist das, womit man dauerhaft Geld verdienen kann: mit dem Genießen."

    Die Jagd auf Ringelgänse gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Die Nonnengänse - ebenfalls Meergänse – dürfen jedoch zeitweilig bejagt werden, um die Schäden für die Landwirtschaft gering zu halten. Denn anders als die Ringelgänse rasten sie auf dem küstennahen Festland, wo sich auch die großen Ackerflächen befinden. Für Hans-Heiner Bergmann ist die Bejagung von Gänsen untragbar.

    "Gänse sind hoch soziale Tiere, und eine Partnerin ihren Mann verliert, dann dauert das lange, bis sie einen neuen findet. Das geht nicht so schnell. Und wenn man den Jungvögeln die Eltern wegnimmt, dann funktioniert die Familie auch nicht mehr. Sie haben gar nicht so gute Chancen. Es ist ein Unglück für die Vögel, das sie nicht so leicht bewältigen können."

    Für den Agrarausschuss des Kreises Nordfriesland zählen diese Argumente nicht. Hier will man die Bejagung ausweiten. Selbst die Ringelgans soll im Einzelfall wieder bejagt werden können. Auch die Beweidung der Salzwiesen soll wieder möglich sein. Helmut Wree Kreispräsident und Landwirt hofft da auch auf die neue Regierung aus CDU und SPD in Schleswig-Holstein und ihr Umweltministerium.

    "Ich könnte mir schon denken, dass man schon etwas näher hinsehen wird. Sie wissen ja auch, dass das Ministerium in der Bezeichnung wohl gedreht wird. Das heißt Landwirtschaft und Umwelt, so dass dadurch eine andere Betonung schon deutlich wird."

    Das wird nicht ohne Konflikte abgehen, denn Dieter Harsen, Geschäftsführer der Halligstiftung und Befürworter des Biosphärenreservats steht zum Schutz der Ringelgänse.

    "Ich gehe davon aus, dass wir hier gerade für die neue Regierung ein Modellbeispiel sind für das ganze Land, weil wir hier wirklich mit dem Naturschutz arbeiten auf gleicher Augenhöhe, zum Wohle der Region, und ich sehe, dass wir das auf das ganze Land übertragen können."