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Schnee- oder Wasserball

Geologie. – Seit etwa sieben Jahren diskutieren die Geologen heftig über die Hypothese vom Schneeball Erde, der zufolge unser Planet mindestens zwei Mal in seiner Geschichte komplett oder zu wesentlichen Teilen mit Eis bedeckt war. Jetzt haben Wiener Forscher einen neuen Weg gefunden, um die heftig umstrittene Annahme zu belegen.

    Die Erde ist mit Eis bedeckt. Zu undurchdringlichen zweitausend Metern türmt es sich an den Polen auf. Nur die Hitze aus dem Erdinneren verhindert, dass die Ozeane bis zum Grund gefrieren. Selbst am Äquator herrschen die Gletscher. Nichts rührt sich. Das Leben hält den Atem an. Die Welt erstarrt zu einem kosmischen Schneeball.

    "Das ist die Theorie Snowball Earth, dass also die gesamte Erde für mehrere Millionen Jahre total vergletschert war,"
    sagt Christian Köberl von der Universität Wien. Die Idee vom Schneeball Erde - vom snowball earth - entstand, weil sich in der Zeit vor 635 und vor 710 Millionen Jahren auf allen Kontinenten Gletscherablagerungen bildeten. Schneeball-Befürworter Paul Hoffman aus Harvard:

    "Wir finden sehr charakteristische eiszeitliche Sedimente, die den mächtigen Moränen aus der jüngsten Kaltzeit im Quartär aufs Haar gleichen. Es ist eine chaotische Mischung aus Ton, Sand und Kiesen mit großen Findlingen darin. Solche Sedimente entstehen nicht durch fließendes Wasser, sondern durch Eis, das sich bewegt."
    Was solche Klimakatastrophen auslösen könnte, weiss niemand. Etwas weniger rätselhaft erscheint das Ende der globalen Eiszeit. Köberl:

    "Am Ende dieser Snowball-Earth-Phase hat man gedacht, dass es zu einer sehr raschen Abschmelzung der Gletscher gekommen ist, und zwar deshalb, weil während der vergletscherten Phase der Vulkanismus auf der Erde weitergegangen ist."
    Die Vulkane blasen Kohlendioxid in die Luft: Es sammelt sich an, weil es auf einem Schneeball Erde weder Regen noch Verwitterung gibt. Irgendwann ist der CO2-Gehalt so hoch, dass der Treibhauseffekt regelrecht davon galoppiert: Kalksteine mit metergroßen Kristallen erzählen von einer tropischen Welt, die jäh auf die der Gletscher folgt. Ob es diesen Spuk je gegeben hat, ist strittig. So reichen die tiefsten Wurzeln unserer Lebenswelt viel weiter in die Zeit zurück. Wie aber konnten die Organismen über Jahrmillionen in der Finsternis unter einem kilometerdicken Eispanzer überleben? Oder ohne Nährstoffe an dessen Oberfläche, bei globalen Durchschnittstemperaturen von minus 35 Grad? Um die Schneeball-Theorie zu überprüfen, verfolgten die Wiener Geochemiker eine besondere Spur. Köberl:

    "Auch wenn die Erde komplett vergletschert ist, regnet nach wie vor kosmischer Staub auf die Erde herunter, dann fallen also nach wie vor ungefähr 40.000 Tonnen kosmischer Staub auf die Erde drauf und wird in die Gletscher mit integriert, in den Schnee hinein und dann in das Eis hinein und akkumuliert sich auf diese Weise sehr langsam auch mit auf der Erde."

    Die Idee: Schmelzen die Gletscher, sinkt das über Jahrmillionen angesammelte Iridium ab, bildet eine dünne Lage auf dem Meeresgrund. Es müsste also direkt auf den Zeugen der Eiszeit eine Iridium-Anomalie geben. Genau das haben die Forscher in drei Bohrkernen aus Zentralafrika überprüft - und wurden fündig. Köberl:

    "Wir haben relativ deutliche Konzentrationen an extraterrestrischem Material gefunden in Formen des Elements Iridium und anderer für Meteoriten sehr charakteristische Elemente."

    Auch Vulkane setzen Iridium frei. Deshalb haben die Geochemiker Begleitelemente angeschaut: Und die sprechen für den extraterrestrischen Ursprung. Der besondere Charme des Iridiums liege darin, dass man mit seiner Hilfe die Dauer einer globalen Eiszeit abschätzen könne, so Christian Köberl:

    "Hier kommen wir auf etwa zwölf Millionen Jahre plus minus 20 Prozent Unsicherheit für die Marinoan Vergletscherung, die vor etwa 635 Millionen Jahren passiert ist, und für eine vermutlich ähnliche, vielleicht etwas kürzere Zeit für die etwas frühere Sturtian Vergletscherung, die vor ungefähr 710 Millionen Jahren passiert ist."

    Seinen Daten zufolge war die Erde also zweimal für rund zwölf Millionen Jahre komplett vergletschert. Allerdings müssen die Anreicherungen auch anderswo gefunden werden, um eine lokale Anomalie in Zentralafrika auszuschließen. Auch sollten noch andere kosmische Spuren wie etwa Osmium den Befund untermauern. Aber in die Kontroverse um den Schneeball Erde ist wieder Feuer gekommen.