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Schneeschmelze

In den 70er Jahren hieß es noch: Alles über 700 Meter ist für den Skisport geeignet. Heute ist die Grenze auf 1000 Meter hochgewandert, wenn es um gute Wintersportbedingungen geht. Die Erde hat sich in den letzten 100 Jahren um 0,6 Grad erwärmt. Und dieser Temperaturanstieg macht sich bei uns im Winter stärker bemerkbar als im Sommer, sagt der Klimatologe von der Freiburger Universität Christoph Schneider:

Von Birgit Schütte |
    Der Erwärmungstrend ist im Winter ungefähr 1-3 mal so groß wie im Sommer, so dass also die Winter in den letzten 20 Jahren deutlich wärmer geworden sind, im Vergleich zum Sommer, der auch ein wenig wärmer geworden ist. Und man geht davon aus, dass sich diese Art von Trend auch in den nächsten 20-30 Jahren so fortsetzen wird.

    Außerdem nehmen die winterlichen Ostwetterlagen ab. Einige Klimamodelle sagen voraus, dass sich diese Tendenz bei einer weiteren Erwärmung noch verstärken könnte. Regnerische und warme Winter wären die Folge. Schlechte Aussichten also für gute Skibedingungen. Erwin Lauterwasser vom deutschen Skiverband:
    Wir haben nicht ohne Grund diese Untersuchungen in Auftrag gegeben. Wir wollen schlicht und einfach wissen, welche Trends sich nicht aus irgendwelchen Gefühlen aus dem Bauch heraus ergeben, sondern was wissenschaftlich belegbar ist. Wir meinen, dass diese Trends für uns maßgebend sein müssen, wie wir unsere Investitionen steuern: In Bezug auf die Wettkampfanlagen, als Empfehlung für den Breitensport und für den Tourismus, wo es sinnvoll ist, etwas zu investieren in den nächsten 20 Jahren und wo nicht. Und ganz ohne Hoffnungen sind die Untersuchungen ja nicht.

    Hoffnung für stabile Wintersportbedingungen in den Mittelgebirgen gibt es allerdings nur, wenn künstlicher Schnee auf die Pisten geblasen wird. Denn nur so können Lücken in der Skisaison und Löcher in der Schneedecke überbrückt werden. Viele kleine Skigebiete in den Mittelgebirgen versuchen bereits, mit Schneekanonen ihren Standort zu sichern. 40-60 Lifttage braucht ein Betreiber pro Saison, um im grünen Bereich zu liegen. Und die Betriebstage der Lifte steigen durch künstliche Beschneiung um über die Hälfte an. Aber bevor geplant und investiert wird, ist eine lokale Klimaanalyse wichtig. So kann beispielsweise ein windgeschützter Nordhang für eine Alpinpiste ideal sein, oder ein enges kaltes Tal, trotz niedriger Höhenlage, prädestiniert für eine Beschneiungsanlage. Und natürlich gibt es starke regionale Unterschiede, sagt der Klimatologe Christoph Schneider:

    Man muss einfach unterscheiden zwischen den kontinentaler geprägten Mittelgebirgen im Osten und den etwas durch den Atlantik geprägteren westlichen Mittelgebirgen, und da ist es eben so, dass Gebirge wie der Bayrische Wald oder der Thüringer Wald eben durch tiefere Temperaturen, aber weniger Niederschlag geprägt sind, und die westlichen Mittelgebirge, auch der Harz zum Teil oder das Sauerland und der Südschwarzwald sind geprägt durch etwas höhere Mitteltemperaturen und höheren Niederschlag. Und wenn sie jetzt Erwärmung und möglicherweise höheren Niederschlag daraufrechnen, dann wird schnell klar, dass Gebiete im Westen etwas verwundbarer sind als Gebiete im Osten Deutschlands.

    Ein Diagramm mit der mittleren Schneehöhe im Februar zeigt, dass der höchste Berg des Schwarzwalds, der Feldberg, in den vergangenen 40 Jahren gegenüber dem Brocken im Harz und dem Großen Arber im Bayrischen Wald am meisten Schnee verloren hat. In den 70er Jahren lag auf allen drei Gipfeln im Februar noch über 1 Meter Schnee. In den 80ern rutscht der Feldberg bereits unter die 1 Meter Marke, in den 90ern sogar unter 50 Zentimeter. Während Brocken und Großer Arber noch rund 80 Zentimeter Schnee aufweisen. Aber auch wenn´s langsam mager wird, ein bisschen Schnee ist noch da. Aber wie lange? Christoph Schneider:

    Es ist ja schon so, dass es nicht ein schlagartiger Wandel ist, sondern eine schleichende Erwärmung vor sich geht. Und über die nächsten 20, 30 Jahre hinweg es durchaus Mittelgebirgslagen gibt, wo sehr gut operierende Skigebiete betreibbar sind. Und man muss natürlich die technische Entwicklung sowie Möglichkeiten der Beschneiung und der Pistenpflege und der Präparation von Langlaufloipen ausnutzen , um dem Trend zu weniger Schnee etwas entgegensetzen zu können.

    Mitte des 21sten Jahrhunderts könnte allerdings Schluss sein mit Skifahren in den Mittelgebirgen. Dann werden gute Schneeverhältnisse nur noch über 1500 Metern zu finden sein - sollte der Klimawandel wie prognostiziert voranschreiten.