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Schneiderhan nimmt deutsche Soldaten in Afghanistan in Schutz

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, hat den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan gegen Kritik in Schutz genommen. Die derzeitige Diskussion um einen verstärkten Einsatz im Süden und Osten des Landes sei zu stark auf militärische Aspekte fixiert. Wichtiger sei die Frage, was man politisch tun könne, um die angespannte Lage dort zu verbessern.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Ein schlimmer Vorwurf, den man Soldaten machen kann, ist, feige zu sein. Noch schlimmer, Kameraden im Stich zu lassen. Und der Vorwurf, die Bundeswehr hätte durch schnelle Hilfe im Süden Afghanistans möglicherweise den Tod von kanadischen Soldaten verhindern können - sie wurde ja während der Tagung der NATO-Parlamentarierversammlung in Kanada erhoben - ist umgehend von der Bundesregierung und auch von Parlamentariern hier in Deutschland zurückgewiesen worden. Dennoch heißt es nimmt der politische Druck auf Deutschland zu, die Bundeswehr auch in anderen als den Nordgebieten Afghanistans einzusetzen, also in Kampfeinsätze zu schicken.

    Laut Weißbuch der Bundesregierung befindet sich ja die Bundeswehr auf dem Weg zur Einsatzarmee. Wie weit sie dabei ist, was sie leisten kann und woran es möglicherweise fehlt, darüber will ich jetzt mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan sprechen. Guten Morgen Herr Schneiderhan!

    Wolfgang Schneiderhan Guten Morgen Frau Durak!

    Durak: Zunächst einmal die Frage an den Soldaten. Hat Sie dieser Drückebergervorwurf getroffen?

    Schneiderhan: Auch wenn er ins Leere geht, so ein böser Vorwurf trifft und es tut mir vor allen Dingen leid für die 9000 Soldaten, die in den verschiedenen Einsatzgebieten ihre Pflicht erfüllen, und es tut mir auch leid für die Angehörigen, die da große Belastungen und Sorgen ertragen müssen, dass man sich solche Vorwürfe gefallen lassen muss. Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Polemik man mandatskonforme Auftragserfüllung so belegen darf.

    Durak: Ein Vorwurf, die Deutschen seien Feiglinge, wurde ja nicht nur in Kanada erhoben. Es wird auch immer wieder berichtet - in den Medien allerdings -, dass auch die Soldaten in Afghanistan selber aus anderen Truppen so denken. Haben Sie so etwas gehört?

    Schneiderhan: Nein. Das ist eine Diskussion, die aus welchen Gründen auch immer nicht dort geführt wird, wo es wirklich um die Sache geht. Ich glaube dort kann man die deutschen Leistungen schon richtig einschätzen und da brauchen wir uns nicht zu verstecken.

    Durak: Herr Schneiderhan, die politische Debatte um die Lösung des Afghanistan-Problems, also eine neue politische Strategie, nimmt ja Fahrt auf. Der Vorsitzende der NATO-Parlamentarierversammlung Markus Meckel hat eben bei uns hier im Interview davon gesprochen, dass die Zusammenarbeit von NATO, UNO und EU in Afghanistan nicht ganz ausreichend sei. Teilen Sie seine Meinung?

    Schneiderhan: Ich glaube richtig ist, dass die Diskussion, die da im Moment geführt wird, von der Fixierung auf das rein Militärische, also reflexartig sozusagen, einfach immer mehr Soldaten für ein Gebiet zu fordern, diese Diskussion muss auf die politisch-strategische Ebene zurückgeführt werden. Ich meine die Frage ist doch, was ist politisch zu tun, damit auch im Süden und im Osten Afghanistans die Sicherheitslage so verbessert wird, dass der Aufbau ziviler Strukturen erfolgreich vorangebracht werden kann. Darauf warten doch die Menschen in Afghanistan. Dazu ist Koordination in den Einrichtungen, die Sie gerade erwähnt haben, durchaus ein Weg.

    Lassen Sie mich noch eines sagen zu der Forderung nach mehr Soldaten. Die ist schon deshalb so oberflächlich, weil schon heute fast zwei Drittel der gesamten ISAF-Truppen im Süden und im Osten eingesetzt sind. Im Norden sind gerade mal 2.600, im Süden 9.700 Soldaten eingesetzt.

    Das Zweite, was ich auch empfehlen möchte, ist, dass wir selbstbewusst auf unsere Leistungen in Afghanistan seit 2002 hinweisen, zu einem Zeitpunkt übrigens, wo die NATO als Bündnis noch gar nicht eingesetzt war. Wir müssen das selbstbewusst tun. Wir dürfen das nicht mit dem Zeigefinger auf andere machen. Das ist nicht notwendig. Aber ich denke, dass unsere Leistungen militärisch, vor allem aber auch im zivilen Wiederaufbau international sich sehen lassen können. Wir haben uns im Norden zusammen mit 17 anderen Staaten in die Pflicht nehmen lassen und die erfüllen wir auch.

    Durak: Das Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr spricht davon, dass künftig bis zu 14.000 Soldaten im Auslandseinsatz sein sollen. Derzeit sind es etwa 9000, wenn ich richtig liege, in sieben großen Missionen. Sie haben das eben angesprochen. Ist die Bundeswehr überlastet?

    Schneiderhan: Nein! Die Bundeswehr ist in Teilen sehr hoch belastet, aber sie ist als Gesamtstreitkraft nicht überbelastet. Was im Weißbuch aufgezeigt wird, ist ja der richtige Weg. Wir müssen nun schnell teilstreitkraftübergreifend in diese Kategorien kommen, die dort beschrieben sind: Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte, Unterstützungskräfte. Mir kommt es darauf an, dass wir unsere Ausrüstungsplanung konsequent umsetzen können, weil die dem geforderten Fähigkeitsprofil für Streitkräfte von heute und morgen entspricht. Wenn wir das umsetzen können, basierend auf zuverlässiger Finanzplanung, dann sind wir auf einem richtigen Weg und ich bin zuversichtlich, dass wir da auch erfolgreich sein werden.

    Durak: Sie haben im Konjunktiv gesprochen. Bewusst?

    Schneiderhan: Nein! Ich spreche jetzt von einer Zielorientierung 2010. Das ist natürlich ein langer, ein schwieriger Prozess, weil es ja auch eine radikale Strukturveränderung ist, während wir gleichzeitig in der Größenordnung, die schon genannt wurde, ja auch Einsatzaufgaben erfüllen müssen. Gleichzeitig haben wir uns verpflichtet, bestimmte Beiträge in bestimmten Zeiten für die NATO-Response-Force zu stellen und für die Battle Groups der EU. Das heißt es ist ein sehr kompaktes Aufgabengebiet, Aufgabenpaket will ich mal sagen, mit dem wir jetzt beschäftigt sind, und gleichzeitig müssen wir diese strukturellen Veränderungen hinkriegen. Das ist schon eine Herausforderung!

    Durak: Das heißt Sie brauchen auf jeden Fall nicht weniger Geld, sondern eher mehr Geld für den Verteidigungshaushalt?

    Schneiderhan: Ich will jetzt mal mit dem Haushalt 2007 zufrieden sein. Der gibt uns die Möglichkeiten, das umzusetzen was wir uns vorgenommen haben. Da muss man auch Linie halten. Ich glaube das ist ganz wichtig. Da darf man nicht hektisch irgendwelchen Alltagsüberlegungen nachlaufen. Wenn ich mir die Finanzplanung angucke, dann habe ich da durchaus Licht am Ende des Tunnels zu verzeichnen.

    Durak: Vernetzte Sicherheit, Herr Schneiderhan, ist ein Begriff, der wie im Weißbuch beschrieben das Zusammenwirken von Militär, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Außenpolitik meint. Was ist dabei zu optimieren?

    Schneiderhan: Wir werden, wir müssen diese Zusammenarbeit zwischen den Ressorts, die sicherheitsrelevante Aufgaben haben, verbessern. Das tun wir auch. Für mich ist es ganz wichtig, dass sich die Erkenntnis herumspricht, dass man das schon bei der Entscheidungsfindung für ein Commitment machen muss. Ich glaube da sind wir auf gutem Weg. Im Einsatz selbst funktioniert die Zusammenarbeit gut. Auch die Regierungsorganisationen und die Nichtregierungsorganisationen sind einbezogen. Trotzdem würde ich mir natürlich für Afghanistan immer noch schneller wirksame Aufbauprojekte wünschen, weil es einfach darauf ankommt, dass die Menschen in Afghanistan davon überzeugt werden, dass die ISAF-Truppen für eine bessere Zukunft stehen. Das muss erlebbar gemacht werden durch Anschluss an Strom, Straßen, Wege, Wasser.

    Durak: Das ist nicht unbedingt ein Einsatz, wie er Soldaten sozusagen in die Hand gegeben ist. Es gibt ja den Vorwurf, die deutschen Soldaten müssten in Afghanistan erst noch das Töten lernen, wie der "Spiegel" provozierend geschrieben hat. Sind Sie zufrieden mit den Einsätzen der Soldaten ohne Kampfeinsatz?

    Schneiderhan: Was wir da leisten entspricht erstens dem Mandat. Wir schaffen zweitens durch den militärischen Anteil die Voraussetzung, dass der zivile Wiederaufbau überhaupt greifen kann. Soldaten können keine Justiz aufbauen. Soldaten können kein Schulwesen aufbauen. Sie können keine Verwaltung aufbauen. Das alles muss durch andere Instrumentarien geleistet werden. Ich bin aber mit dem, was wir an Voraussetzung dafür schaffen, durchaus zufrieden.

    Und wenn es darauf ankommt, lassen wir uns auch durch kriminelle Vereinigungen, organisierte gegnerische Gruppen oder Taliban oder wie immer man sie nennt daran nicht stören. Diese Durchsetzungsfähigkeit ist vorhanden und das beweisen wir auch.

    Durak: Ein Wort noch zu dem, was die Bundeswehr in den letzten Wochen in Verruf gebracht hat, Herr Schneiderhan, die Skandalfotos aus Afghanistan. Welche Schlussfolgerungen haben Sie, hat die Bundeswehrführung bis jetzt gezogen?

    Schneiderhan: Die Ermittlungen laufen auf vollen Touren, laufen mit großer Akribie und einem immensen Aufwand und ich denke, dass wir in absehbarer Zeit dort auch einen ordentlichen Abschlussbericht vorlegen können. Was nun Ihre Frage nach den Folgerungen konkret angeht: Ich lasse zurzeit überprüfen, was wir in der einsatzvorbereitenden Ausbildung verbessern müssen, um sicher zu sein oder annähernd sicher zu sein - ganz sicher kann man es sich in diesem Bereich nie sein, weil man es einfach mit Menschen zu tun hat; das muss man auch mal zur Kenntnis nehmen -, aber dort nachzusteuern, wo es notwendig ist. Insgesamt liegen wir richtig mit der Ausbildung. Das bestätigen mir auch meine Kollegen im NATO-Militärausschuss immer wieder. Aber wir werden uns überlegen, was man da tun muss. Ich will in der nächsten Woche dem Minister dazu einen Bericht vorlegen und dem möchte ich heute jetzt natürlich noch nicht vorgreifen. Das verstehen Sie ja, Frau Durak.

    Durak: Im Augenblick ja. - Besten Dank Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr. Herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Schneiderhan: Auf Wiederhören Frau Durak.