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Schnelle Diagnose

Medizin. - Krankheitserreger können sich sehr schnell verändern. Aus einer relativ harmlosen Grippe kann mit einem Schlag eine gefährliche Pandemie werden – wie etwa die spanische Grippe im Jahr 1918, die mehr als 20 Millionen Todesopfer forderte. Tritt ein neues Grippevirus auf, wie zuletzt die Vogelgrippe in Asien, dann versuchen Wissenschaftler und Ärzte fieberhaft, den Erreger zu identifizieren. Eine mitunter aufwändige und langwierige Suche. In den USA arbeiten Forscher darum an einer neuen Methode der Viren-Diagnostik. Mit Hilfe von Gen-Chips wollen sie Infuenza- aber auch SARS-Varianten schneller als bislang erkennen.

Von Jan Lublinski |
    Wenn ein Patient mit Grippe zum Arzt kommt, so kann dieser nicht gleich herausfinden, um welches Grippevirus es sich genau handelt. Es gibt zwar so genannte Antikörper-Tests, mit denen man zwischen Influenza A, B und C unterscheiden kann. Aber eine detailliertere Analyse des genauen Virenstamms dauert einige Wochen. In der Regel sequenzieren die US-amerikanischen Gesundheitsbehören das Erbgut eines Virus erst dann, wenn jemand an ihm gestorben ist. Ein bedauerlicher Zustand, findet der Biochemiker Robert Kuchta von der Universität Boulder.

    Im Allgemeinen gehen nur die Grippepatienten zum Doktor, denen es wirklich schlecht geht. Wenn der Arzt nun in der Lage wären, das Virus gleich zu identifizieren dann könnte er entsprechend reagieren. Bei harmlosen Erregern würde er den Leuten Aspirin geben, sie nach Hause schicken und Suppe essen lassen. Bei gefährlichen Erregern hingegen könnte der Arzt sofort mit einer medikamentösen Behandlung beginnen.

    Einen solchen Grippe-Schnelltest will Bob Kuchta mit Hilfe so genannter Gen-Chips entwickeln. Gen-Chips sind kleine Glasplättchen, auf denen sich Tausende winziger Löcher befinden. In diesen Löchern sitzen verschiedene DNA-Stränge. Gibt man eine Probe eines Patienten auf diesen Chip, so docken einzelne Teile des Viren-Erbgutes an bestimmte DNA-Stränge an.

    Mit solchen Gen-Chips können also Tausende von Viren-Tests gleichzeitig ausgeführt werden. Allerdings gilt diese Art der Diagnose bislang noch als recht unsicher, weil sich in den Proben der Patienten nur relativ wenige Erbgutabschnitte befinden. Kuchta und Kollegen wollen ihre Methoden in den kommenden Jahren aber verbessern. Unter anderem auch dadurch, dass sie möglichst viele Redundanzen in ihre Test einbauen. Das bedeutet: Sie prüfen bestimmte Eigenschaften eines Virus gleich mehrfach und auf verschiedene Weise, um so falsche Diagnosen zu vermeiden.
    Die ersten Prototypen eines solchen Grippe-Chips würden nun nicht gleich in den Praxen zum Einsatz kommen, sondern zunächst in den Labors der Gesundheitsbehören getestet werden:

    Jedes Jahr schaut sich die Weltgesundheitsorganisation WHO die Virenstämme an, die um die Welt wandern. Ein halbes Jahr vor der Grippesaison muss sie dann entscheiden, welche Erreger besonders gefährlich sind. Mit einem Grippe-Chip könnte sie noch mehr Informationen sammeln und noch besser festlegen, gegen welche Viren sie Impfstoffe bereit stellen will.

    Weil auf einem Genchip viele Tests gleichzeitig gemacht werden können, will Kutcha auch noch einen Test für SARS mit einbauen. Für praktizierende Ärzte wäre das sehr nützlich, denn die Symptome von Grippe und SARS sind zu Beginn der Erkrankung ähnlich.
    Bereits im Frühjahr 2003 hatte das amerikanische Unternehmen Affymetrix einen Gen-Chip für die SARS-Diagnose auf den Markt gebracht, also recht bald nach dem Bekannt werden der Krankheit. Die amerikanische Gesundheitsbehörde hat diesen SARS-Chip verschiedenen Wissenschaftlern in aller Welt zu ersten Test zur Verfügung gestellt. Die Resonanz fiel insgesamt positiv aus, auch wenn noch viel weitere Entwicklungsarbeit nötig ist.
    Insgesamt ist also jetzt schon abzusehen, dass sie kommen werden: die Viren-Chips für die medizinische Diagnose.

    Es gibt noch eine weitere Anwendung dieser Technologie: Wir haben Anlass zur Sorge, dass Terroristen Grippeviren künstlich verändern und als Waffen einsetzen werden. In so einem Fall wollen wir mit unseren Chips in der Lage sein herauszufinden, ob es sich bei einem bestimmten Virus, das um die Welt geht, um ein natürliches oder ein künstlich verändertes Virus handelt.

    Diese verteidigungstechnische Anwendung wird die Entwicklung der Viren-Chips vermutlich am meisten voranbringen: Das amerikanische Militär investiert große Summen in diesen Forschungszweig, auch um Anthrax-Bakterien, Pocken-Viren und andere Erreger schnell identifizieren zu können.
    ENDE