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Schnelle Eingreiftruppe in Sachen Bildung

Lehrer verdienen zu viel, haben ungerecht viel Urlaub und außerdem sind sie für die ganze Misere dieser Republik verantwortlich: Sie ziehen der Wirtschaft nicht den nötigen Nachwuchs heran und fördern so die Rezession, obendrein haben sie uns PISA eingebrockt. In diesen Tenor stimmen die Verantwortlichen in Niedersachsen nicht ein.

    Am Anfang war der Schweinezyklus. So bezeichnen Bildungsexperten und -politiker das ständige Auf und Ab bei den Zahlen der Lehramtsstudenten. In Niedersachsen führte das Ende der 90er Jahre zu einem echten Problem: An den Schulen drohte Lehrermangel. Das Wissenschaftsministerium forschte nach, warum denn aktuell so wenige Physiker, Historiker und Literaturwissenschaftler auf Lehramt studierten. Ein Grund war der Schweinezyklus selbst, denn die niedrigen Studentenzahlen hinterließen in den Fachbereichen Lücken. Heiko Gefers, im niedersächsischen Wissenschaftsministerium zuständig für Lehramtsausbildung.

    So lange die Lehrerbildung im Keller war, hat man natürlich die Stellen, die für die Lehrerbildung ganz wichtig waren, nämlich Didaktik, Pädagogik heruntergefahren. Im jetzt anlaufenden Bedarf waren dies Professoren nicht mehr vorhanden, und daraus resultierte eben auch das qualitative Problem, das wir sagen mussten, jetzt müssen wir da was tun.

    Klar war schnell, dass das Dozentenkorsett arg eng geschnürt war, dass es um Forschung und Lehre schlecht stand. Dennoch verfiel das Ministerium nicht in blinden Aktionismus. Mit bundesweit einmaligen Studien zur Lehrerbildung verschaffte es sich ein umfassendes Bild von der Lage. Und die ist eindeutig: Die Lehramtsstudiengänge kränkeln hauptsächlich in Pädagogik, Fachdidaktik, entsprechender Forschung und Praxisnähe.

    Die Untersuchungen kritisieren allerdings nicht nur. Sie zeigen auch Wege auf, die Lehrerbildung zu verbessern, den heutigen Erfordernissen in den Schulen anzupassen. Eine Rezept heißt Kerncurriculum. Dieser Veranstaltungskatalog soll den pädagogischen und fachdidaktischen Teil der Lehrerbildung stärken, in 48 Semesterwochenstunden legen alle Studierenden in Niedersachsen die gleichen Grundlagen für ihre spätere Berufstätigkeit. Dr. Christiane Ebel-Gabriel, Generalsekretärin der wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen.

    Gedacht ist daran, die Grundwissenschaften und Fachdidaktiken, die im Laufe des Studiums vermittelt werden, in vier Blöcke einzuteilen. Ein Block, der den ganzen Bereich Bildung, Erziehung und Gesellschaft abdeckt, ein Block, der Lernen, Verstehen und Entwicklung behandelt, ein weiterer, der Organisatorisches, Schule, Praxisbezug und Lehrerberuf behandelt und einen, der Lernplanung, Lerndiagnose, Beratung und Beurteilung vorsieht.

    Die acht betroffenen niedersächsischen Hochschulen sollen jedoch nicht nur die Lehrerbildung verbessern, sondern auch ihr individuelles Profil schärfen. Entstehen sollen u.a. ein Standort mit enger Verbindung zur Schule und ein Kompetenzzentrum für die Lehrerfortbildung. Wie das ganze in der Hochschulrealität aussehen könnte das möchte das Wissenschaftsministerium jedoch nicht alleine bestimmen. Die Politiker haben ein Entscheidungsgremium geschaffen, in dem sie mit Unis und neutralen Experten an einem Tisch sitzen: Die sog. Task-Force. Heiko Gefers vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium.

    Das ist glaube ich die Aufgabe der Task-Force, die eigene Erkenntnis in den Hochschulen weiterzuentwickeln, und zu sagen: Hier müssen wir etwas tun. Das ist auch nicht die Situation, dass da Hochschule und Ministerien an zwei unterschiedlichen Enden des Tisches sitzen, sondern, dass hier Hochschulen und Ministerium zusammenarbeiten.

    Auch Lehrerverbände wie die GEW würden hier gerne mitdiskutieren. Bislang bleiben sie aber von dem Gremium ausgeschlossen, obwohl sich die Task-Force mit einem der Kompetenzbereiche der Lehrerverbände beschäftigt. Die Eingreifmannschaft soll dort aktiv werden, wo es in der Lehrerbildung brennt: In den Lehramtsstudiengängen, der Forschung zum Referendariat oder der ständigen Fortbildung der Lehrer in den Schulen. Die Task-Force soll sich jedoch nicht in erster Linie durch Schnelligkeit auszeichnen, sondern durch Flexibilität und einen langen Atem. Für den Herbst peilt sie allerdings bereits ein organisatorisches Experiment an. Dann sollen die ersten Lehramtsanwärter versuchsweise auf Bachelor und Master studieren. Davon erhoffen sich Ministerium und Experten einen Vorteil: Die Entscheidung, Lehrer zu werden oder nicht, wird erst nach dem ersten Abschluss notwendig. So können Studierende auf die schwankende Nachfrage auf dem Lehrermarkt reagieren, schließlich stehen ihnen nach dem Bachelor noch andere Studienrichtungen offen. Damit, so hoffen die Hannoveraner, wäre zumindest der Schweinezyklus durchbrochen. (Autor: Hans-Peter Fischer)

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