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Schnelle Hilfe durch einfache Maßnahmen

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2008 zum Jahr der sanitären Grundversorgung ausgerufen. 2,6 Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Stockholm beraten rund 2000 Experten in dieser Woche über Abhilfe - im Mittelpunkt steht dabei das Thema Stadtplanung und Siedlungshygiene.

Von Agnes Bührig |
    Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Vor allem in vielen Ländern Afrikas und Asiens wuchern die Metropolen ungehindert. Die meisten der Zugezogenen leben in ungeplanten Siedlungen, die ständig weiterwachsen. Müllabfuhr, Kanalisation und sauberes Trinkwasser sind für viele Fremdworte. Wo Abwasserkanäle existieren, sind sie nicht selten mit Fäkalien und Müll verstopft. Und Abhilfe ist in weiter Ferne. Politiker und Beamte befassen sich lieber mit Kanalisationssystemen und Abwassergesetzen als die Menschen mit Plumpsklos zu versorgen, die man auch in den Slums ohne große Probleme installieren könnte. Das hat der Ingenieur Lukman Salifu beobachtet, der in Ghana ein Programm für den Aufbau von Toiletten betreut und die Menschen nach ihren Bedürfnissen befragt hat:

    "Es geht darum, die Betroffenen an den Entscheidungen zu beteiligen. Vor allem die Frauen leiden unter den fehlenden Sanitäreinrichtungen. Nehmen wir das Beispiel einer schwangeren Frau, die eine öffentliche Toilette aufsucht, weil sie zu Hause keine hat. Wenn man sie fragen würde, wäre eine Toilette zu Hause sicher ihr sehnlichster Wunsch. "

    Viel zu oft hat Entwicklungshilfe in der Vergangenheit auf großtechnische Lösungen gesetzt, die an den Betroffenen schlicht vorbei gingen. Vieles verrinnt so im Sande, bestätigt auch Barbara Evans von der International Water Association, einem weltweiten Netzwerk von Fachleuten des Wassermanagements und gibt ein Beispiel:

    "Wer sehr arm ist und kämpfen muss, seine Kinder zu ernähren, der hat andere Sorgen als das Haus umzubauen oder sich Gedanken über seine Verhaltensweisen zu machen. Das sind keine Aufgaben für den Einzelnen sondern das muss von der Gesellschaft getragen werden. Das dauert lange und viele Regierungen fehlen dafür die Mittel, um für die nötigen Maßnahmen zu sorgen. "

    Um den Prozess zu beschleunigen, hat Evans´ Organisation einen Leitfaden erarbeitet, der Experten der Wasserwirtschaft helfen soll, das komplexe System sanitärer Grundversorgung in Slums zu verstehen. Abwasser, Fäkalien und Müll werden in unterschiedlichen Systemen entsorgt und selten von ein und demselben Menschen koordiniert. Nur, wer alle Beteiligten an einen Tisch bringt, kann wirtschaftlich machbare Lösungen finden und Synergieeffekte nutzen. Denkbar wäre, dies in ein Zertifizierungssystem einfließen zu lassen. Damit würden sich Investoren zukünftig verpflichten, eng mit den Betroffenen wie Nichtregierungsorganisationen oder Bürgerkomitees vor Ort zusammenarbeiten, sagt Barbara Evans:
    "Wir wollen dieses Konzept nutzen, um die Bedürfnisse der ärmsten und schwächsten Gebiete in Großstädten auf die Agenda zusetzen. Und zwar nicht mit hochspezialisierten Lösungen, die möglicherweise nicht funktionieren. Wenn wir das nicht schaffen, dann setzen wir unsere Entwicklungsgelder nicht richtig ein. "

    Alle 20 Sekunden stirbt ein Kind aufgrund mangelnder hygienischer Verhältnisse auf der Welt, jährlich sterben 1,8 Millionen Menschen an Krankheiten, die von verseuchtem Wasser, durch von Keime befallene Nahrungsmittel oder durch mangelhafte Hygiene hervorgerufen werden. Schon eine einfache Maßnahme wie das Händewaschen würde da große Erfolge bringen. Doch dafür ist eine funktionierende Kanalisation die Voraussetzung. Das Jahrtausendziel, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu ordentlichen sanitären Einrichtungen bis 2015 zu halbieren, scheint unter den derzeitigen Bedingungen schwer erreichbar - so das Resümee am Auftakttag der Weltwasserwoche in Stockholm.