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Schneller Schritt ins Trockene

Paläontologie. - Der Landgang der Wirbeltiere ist grundsätzlich klar, aber über den konkreten Ablauf dieses so einschneidenden Ereignisses gibt es viele Rätsel. Schwedische und polnische Forscher haben jetzt fossile Fußspuren entdeckt, die den ersten Landgang um mindestens 18 Millionen Jahre auf die Zeit vor 395 Millionen Jahre zurückdatieren. Ihr Fund ist in "Nature" publiziert.

Von Michael Stang |
    Das Szenario vom Übergang vom Wasser zum Land stellt Paläontologen zum Teil vor Probleme. Auch wenn Fossilien aus der Zeit vor rund 370 Millionen Jahren entdeckt werden, können die Forscher nie mit Sicherheit sagen, ob ein früher vierbeiniger Fisch sein Körpergewicht bereits tragen konnte. Der einzige Beweis für diese Art der Fortbewegung sind fossile Fußabdrücke. Noch im Jahr 2005 war Per Erik Ahlberg von der Universität in Uppsala überzeugt, dass die Chance für solch einen Fund ebenso gering sei, wie die Aussichten, ein vollständiges Skelett zu entdecken. Doch nun war das Glück dem schwedischen Forscher hold. Im südpolnischen Heiligkreuzgebirge entdeckte er zusammen mit polnischen Kollegen exakt solche versteinerten Fußspuren. Diese werden heute im britischen Fachblatt "Nature" derart gefeiert, dass neben dem Fachartikel auch gleich noch ein cineastisch anmutender Trailer mit den Protagonisten auf der Webseite steht.

    "Seit den 1980er Jahren forsche ich in diesem Gebiet und habe mehr als 20 'Nature'-Veröffentlichungen darüber gehabt, aber das hier ist das wichtigste Projekt, an dem ich je gearbeitet habe."

    Andere Statements waren von Ahlberg nicht zu bekommen, da er wie alle Schweden noch in den Weihnachtsferien weilt. Die fossilen Fußabdrücke eines primitiven Landwirbeltiers, die der Forscher entdeckt hat, zeigen exakt, wie sich dieser frühe Vertreter fortbewegt hat und was für ein Tier es überhaupt war.

    "Mit seinen seitlich angelegten Beinen konnte es sich vorwärts bewegen. Es war ein primitives Landwirbeltier, und eben kein Fisch."

    Wie genau dieser Verursacher der Abdrücke ausgesehen hat, ist nicht bekannt, da es sich bei dem Fund nur um so genannte Spurenfossilien und nicht um versteinerte Knochen handelt. Aus den einzelnen bis zu 26 Zentimeter langen Fußabdrücken, die vermutlich von verschiedenen Tieren stammen, lässt sich jedoch immerhin darauf schließen, dass diese frühen Landwirbeltiere rund 2,5 Meter lang waren. Ihr Aussehen sei jedoch egal, wichtig sei einzig und allein das hohe Alter, sagt Philippe Janvier vom naturhistorischen Museum in Paris, deren spektakulären Fund heute in "Nature" kommentiert.

    "Dieser Fund ist sehr interessant, eben weil er so alt ist. Diese Fußabdrücke sind mindestens 18 Millionen Jahre älter als die bislang bekannten ältesten Nachweise der ersten Landwirbeltiere. Diese müssen sich viel früher entwickelt haben, also vor rund 400 Millionen Jahren. Der Fund verändert aber nicht den Stammbaum beziehungsweise die Frage, welcher Vierbeiner als Urahn in Frage kommt. Er zeigt aber eindeutig, dass der Ursprung der Landwirbeltiere 20 Millionen Jahre weiter in der Vergangenheit liegt als bislang gedacht und das ist äußerst faszinierend."

    Demnach hat es schon im mittleren und nicht erst im oberen Devon Landwirbeltiere gegeben. Die Fußabdrücke verraten aber noch mehr. Sie bestätigen auch seine alte Vermutung, sagt der französische Paläontologe mit Genugtuung.

    "Ich muss zugeben, dass mich diese Entdeckung nicht wirklich überrascht hat. Anders als viele Kollegen habe ich schon vor Jahren vermutet, dass der Ursprung der Landwirbeltiere im Meer liegen muss. Da die heute noch lebenden primitivsten Wirbeltiere – Frösche und Salamander – allesamt an Süßwasser angepasst sind, gingen viele Experten davon aus, dass sich die Wirbeltierentwicklung nicht im marinen Gebiet, sondern im Süßwasserbereich, also in Flussdeltas oder Seen, abgespielt haben muss. Nun aber haben wir sehr gute Beweise dafür, dass sich diese Entwicklung im Salzwasser abgespielt hat, vermutlich im seichten Wasser von Lagunen."

    Bislang gingen die meisten Paläontologen davon aus, dass der Übergang vom Wasser zum Land sehr schnell vonstatten ging, ähnlich wie die Entwicklung der Vögel. Doch nun ist klar, dass die ersten Landwirbeltiere 18 Millionen Jahre mehr Zeit für ihre Spezialisierung gehabt haben. Das Bild der Eroberung des Festlandes wird dadurch insgesamt stimmiger.