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Schneller Schutzschild gegen Sars

Medizin. - Vor vier Jahren tauchte im Süden Chinas plötzlich eine neue Krankheit auf: Sars, eine schwere, untypische Lungenentzündung. Der Erreger ist derzeit zwar unter Kontrolle, aber nicht aus der Welt. Niederländische Forscher entwickelten jedoch offenbar einen wirksamen Impfstoff. Der Wissenschaftsjournalist erläutert die Entwicklung im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Gerd Pasch: Martin Winkelheide, Sie haben sich die Arbeiten der Forscher angesehen, was haben sie denn gemacht?

    Martin Winkelheide: Eine passive Impfung heißt, sie haben von einem Patienten, der an dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom (Sars) erkrankt war und der Abwehrmoleküle gegen dieses Virus gebildet hat, diese Abwehrmoleküle isoliert und nachgebaut - also einen so genannten monoklonalen Antikörper hergestellt. Dieser Antikörper schützt davor, dass das Virus in Zellen hinein kommt und sich weiter vermehren kann. Nun ist es so, wenn ein Virus unter Druck gerät, versucht es sich zu verändern. Um das direkt auszuschließen, mischten sie einen zweiten Antikörper bei, der eben auf veränderte Viren reagiert. Die Forscher haben gesehen, dass diese Kombination von zwei monoklonalen Antikörpern sehr gut funktioniert. Die passive Impfung ist etwas anders als die normale Schutzimpfung, sie bietet einen kurzfristigen, aber sehr effektiven Schutz davor, krank zu werden. Insofern könnte dieser passive Impfstoff auch eingesetzt werden für den Fall, dass das Sars-Virus noch einmal auf den Menschen übertragen wird.

    Pasch: Und warum keine richtige Schutzimpfung?

    Winkelheide: Die Sars-Krankheit ist im Prinzip ja unter Kontrolle, sie ist ja verschwunden, flackerte damals kurz auf und hat auch 800 Menschenleben gekostet, aber durch die Quarantänemaßnahmen, verbesserte Hygiene und dadurch, dass man die Tiere von der Speisekarte gestrichen hat, die das Virus auf die Menschen übertragen haben, nämlich die Zibetkatzen, hat man ja die Krankheit unter Kontrolle bekommen. Das heißt, die Pharma-Industrie ist sehr zurückhaltend bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Sars-Corona-Virus, auch wenn man weiß, dass in China ein solcher Impfstoff entwickelt worden ist. Jedoch weiß man nicht, wie gut er denn nun tatsächlich funktioniert. Die anderen Firmen haben sich nicht durchringen können, im großen Maßstab solch einen herkömmlichen Impfstoff zu entwickeln und es würde auch sehr lange dauern, bis ein solcher Impfstoff dann tatsächlich getestet ist, das heißt, bis man weiß, dass er sicher ist, dass er funktioniert und dass er Menschen gefahrlos gegeben werden kann. Auf der anderen Seite ist auch die Frage, wie sinnvoll eine klassische Schutzimpfung überhaupt wäre? Denn es würde relativ lange dauern, bis die Menschen eine Immunantwort aufbauen gegen das Virus. Für den sofortigen Einsatz im Falle eines neuen Ausbruchs wäre eine solche klassische Schutzimpfung nicht so gut geeignet. Insofern hat man hier mit dieser passiven Impfung etwas, was schnell funktioniert, was relativ einfach hergestellt werden kann und was relativ schnell zugelassen werden könnte.

    Pasch: Wie groß ist denn das Risiko, dass das Virus überhaupt noch einmal auf den Menschen übertragen wird?

    Winkelheide: Das ist relativ schwierig zu sagen. Das Risiko besteht immer, denn man weiß, die Zibetkatzen sind nicht die einzigen Tiere, die das Virus übertragen können. Man weiß, dass das Virus in Fledermäusen lebt und über den Umweg von den Fledermäusen auf andere Tiere oder von der Fledermaus direkt auf den Menschen gelangen könnte, dieser Weg ist immer denkbar.

    Pasch: Was passiert denn eigentlich mit der passiven Impfung gegen Sars, die die Niederländer entwickelt haben?

    Winkelheide: Im Moment hat man die Forschung abgeschlossen, das Ergebnis liegt sozusagen erst einmal auf Eis. Für den Fall, dass tatsächlich das Virus noch einmal übertragen würde auf den Menschen, könnte man das Rohmaterial, was man vorrätig gehalten hat, sozusagen reaktivieren und beginnen, eine klinische Studie zu machen. Das heißt, das nicht mehr nur in einem Zellversuch zu testen, sondern tatsächlich an Menschen. Bis man dann ein Produkt hat, das man tatsächlich einsetzen könnte, rechnen die Forscher, braucht man ungefähr ein halbes Jahr, maximal neun Monate. Das wäre also etwas, das man relativ schnell einsetzen könnte, und sie verweisen darauf, dass man sehr schnell reagieren muss, denn der letzte Sars-Ausbruch hat immerhin einen Schaden von rund 40 bis 50 Milliarden US-Dollar angerichtet durch die Reisebeschränkungen und Beschränkungen, die der Weltwirtschaft auferlegt worden waren.