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Schneller Wink

Informatik. Schon lange suchen Hardware-Entwickler nach Wegen, Computer-Steuerungen einfacher zu machen. Informatiker der Universität Bonn haben ein neues System entwickelt, mit dem der Rechner auf Handbewegungen reagiert.

Von Sascha Ott | 21.03.2007
    "Wir sind hier in den Alpen, und ich kann mal gerade zur Zugspitze fliegen. Jetzt bewege ich mich hier gerade an einem Berggrat entlang."

    Markus Schlattmann ist kein Pilot, der gerne durchs Gebirge fliegt, sondern Informatiker an der Universität Bonn.

    "Ich fliege jetzt erstmal geradeaus, indem ich die Hand nach vorne bewege. Und hier können wir jetzt zum Beispiel uns einmal die Zugspitze ansehen."

    Das Labor ist abgedunkelt. Markus Schlattmann sitzt an einem schwarz abgedeckten Tisch, über dem drei Kameras montiert sind. Er schaut durch eine 3D-Brille auf die Leinwand vor sich. Darauf projiziert ein Beamer ein gestochen scharfes dreidimensionales Panorama der Alpengipfel. Das Programm, mit dem man zum Flug über die Alpen aufbrechen kann, ist im Handel für jedermann erhältlich. Neu ist allerdings die Form der Steuerung, mit der die Bonner Informatiker durch diese Bergwelt navigieren. Markus Schlattmann bewegt einfach seine Hand über der Tischplatte. Die Kameras nehmen die Handbewegungen auf, und der Computer berechnet daraus, wie der Flug durch die Alpen weitergeht.

    "Und indem ich meine Hand jetzt zum Beispiel nach unten bewege, bewege ich einfach mein Blickfeld parallel nach unten oder nach rechts oder nach vorne."

    Entscheidend ist die Handhaltung: Daumen und Zeigefinger werden abgespreizt. Vor dem schwarzen Hintergrund sind die beiden Fingerspitzen auf den Bildern der drei Kameras deutlich sichtbar. Das Steuerungsprogramm kann dann aus den Bilddaten die Lage der Hand im Raum eindeutig berechnen.

    "Also was man grundsätzlich braucht. sind zwei exponierte Fingerspitzen."

    Und sonst nichts. Das ist der Clou an der Bonner Entwicklung. Systeme, über die sich ein Computer per Handbewegung steuern lässt, gibt es inzwischen viele. Seit Jahren versuchen Informatiker in aller Welt durch diese so genannten Handtracking-Verfahren die Bewegungen in einer virtuellen Umgebung intuitiver zu gestalten. Bisher allerdings musste der Benutzer dabei einen Datenhandschuh tragen oder zumindest leicht erkennbare farbige Markierungen an der Hand anbringen, betont der Leiter der Bonner Arbeitsgruppe, Professor Reinhard Klein.

    "Der Benutzer braucht bei uns keine Vorbereitung, um in die Interaktion einzutreten. Er bedient dieses Gerät einfach, indem er seine Hand ausstreckt, eine bestimmte Geste signalisiert und dann die Hand entsprechend bewegt."

    Trotzdem reagiert die Steuerung zügig und präzise. Außer den abgespreizten Fingern werden auch einige ganz intuitive Handhaltungen vom Kamerasystem erkannt. Zum Beispiel um Gegenstände in der virtuellen Umgebung zu bewegen, tut man einfach so, als würde man sie tatsächlich mit Daumen und Zeigefinger greifen. Für eine solche Steuerung gibt es schon heute eine Reihe praktischer Anwendungen, zum Beispiel in einer gemeinsamen Sitzung der Entwicklungsabteilung eines Automobilkonzerns: Ein Mitarbeiter signalisiert durch seine glatt ausgestreckte Hand, dass er etwas am dreidimensionalen Bild des neuen Fahrzeugmodells verändern möchte. Mit abgespreizten Fingern lenkt er einen Greifer zu dem entsprechenden Bauteil und ergreift es, in dem er die Fingerspitzen leicht aufeinander zu bewegt. Andere Einsatzmöglichkeiten könnte es in der Medizin geben.

    "Zum Beispiel wenn wir Tomographie-Daten zur Verfügung haben, dreidimensionale, dass wir mit diesen vernünftig und einfach interagieren können, uns schnell um sie herumdrehen, dass wir entlang zum Beispiel von Blutbahnen uns bewegen können."

    Für diese Form der Navigation durch virtuelle Bilderwelten ist die Steuerung schon jetzt präzise und zuverlässig genug. Wenn die Bewegungen schneller und komplizierter werden, stößt sie allerdings an ihre Grenzen. Daher bleibt ihr wohl auf absehbare Zeit der lukrative Markt der Computerspiele verschlossen. Zum einen überfordern die abrupten und vielfältigen Bewegungen die Steuerung per Handzeichen. Zum anderen benötigt die Handerkennung durch die Kameras noch eine relativ genau definierte Umgebung und kann nicht ohne weiteres in jedem Wohnzimmer eingesetzt werden. Die Spielefans bleiben also auch weiterhin auf Gamepad und Controller angewiesen, um Bewegung in die virtuelle Welt zu bringen.