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Schnellkochtopf der Pop-Geschichte

Das musikalische Theaterstück "Sekretärinnen" war der Beginn einer echten Erfolgsstory. Kaum einer hat sein Schaffen so zur Marke machen können wie Franz Wittenbrink, der Meister des monothematischen Erkennungsmelodienabends. Am Thalia Theater in Hamburg kam unter Publikumsjubel Wittenbrinks neueste Kreation auf die Bühne: "Vatertag".

Von Michael Laages |
    Klar, dass die Beschwörung des frisch verstorbenen und im Geleitzug gerade durch New York kutschierten schwarzen Balzmeisters James Brown ganz unverzichtbar war - immerhin ist dies ja auch eine Art Nachruf auf die selig-unseligen Zeiten ungebrochener Männermacht.

    Und klar auch, dass die hier zum Selbstmitleidsstammtisch auf dem Golfplatz von Bad Jammertal versammelten Mannsbilder unser geballtes Mitgefühl verdient haben; selbst wenn sie (mit einem kurzen Song des wenig mitleidigen Grobschnittsatirikers Wiglaf Droste gesprochen) "Heulen, bis Blut kommt". Was haben ihnen die Weiber auch alles genommen: Kinder, Wohnungen, Autos, und vor allem: das Selbstwertgefühl.

    Eine tritt zu Beginn auf und teilt mit, sie habe soeben den Sheriff erschossen, allerdings (und mit Blick auf den Camping-Tisch rechts vorne auf der Bühne mit den vier Männern drum herum) die Deputies leider nicht gleich mit. Da ist also die Viererbande gemeint, die da traut und trinkend beieinander hockt und sich im Wesentlichen der herrlichen alten 60er-Jahre-Songs erinnert, in denen sie und ihresgleichen die kollektiven Hoffnungen und Sehnsüchte ausleben konnten. Einmal greift auch einer zur Wandergitarre und hetzt hurtig durch all die ganzen schönen alten Kampf- und Klampfgesänge, durch die allzeit die rote Fahne weht. Damit trommelt der gutbezahlte KBW-Renegat Wittenbrink, immerhin ehemals Vorständler dieser Sekte, natürlich auch hier wieder ein wenig auf den späten und weithin linken 68ern herum, seit geraumer Zeit schon den Watschenmännern der Nation. Die sind entweder (wie in Hamburg besonders häufig anzutreffen) Zopf- und Nietenhosenträger geblieben (also mega-out!) oder bedauernswerterweise Waldorf-Lehrer geworden, hängen noch immer an Papas reichem Rockschoß oder zählen zur Funktionselite unter den leitenden Angestellten. Gescheitert sind sie alle, vor allem, weil sie den starken, kalten Frauen nichts entgegenzusetzen hatten.

    So überraschungsarm dieser "Vatertag" en gros auch sein mag, so wirkungsvoll ist er en detail; vor allem, weil wieder eine Handvoll Schauspielerinnen und Schauspieler, diesmal am Thalia Theater in Hamburg, ganz erstaunliche musikalische Qualitäten entwickeln in Wittenbrinks Schnellkochtopf der Pop-Geschichte, und auch weil Witttenbrink speziell in Hamburg immer wieder Musiker findet, mit denen dieses musikalische Strickmuster so gut funktioniert wie kaum irgendwo sonst. Problematisch bleibt die Monomanie des erfolgreichen Machers. Denn natürlich kann er schon seit längerem darauf bestehen, auch selber Regie zu führen. Und prompt ist gerade das seit längerem schon regelmäßig die Schwachstelle des jeweiligen Abends.

    Nie und nirgends etwa erschließt sich in Hamburg, was es denn wohl mit dem Golfplatz auf sich haben könnte, der hier zur Spiel- oder eben gerade nicht Spiel-, sondern zur Herum-Sitz-Fläche wird. Mäßig motiviert auch die Randfiguren für den Männerjammerstammtisch: die coole "Eiszeit"-Kellnerin und die reife - ja was, Wirtin der Golfplatzkneipe, oder wie? Die Golfbälle-Einsammlerin mimt dagegen unübersehbar den bösen jungen Terror-Türken, Vollproll und zu jeder deutschfeindlichen Schandtat bereit. Was Wittenbrink sich dabei denkt, bleibt auf immer sein Geheimnis; sind an dem nun auch noch die alten 68er Schuld, wie an allem sonst?

    Und auch die Katastrophe der sprachlosen Generationen, immerhin vielleicht einer der wenigen seriösen Gründe für den Untergang der Männermacht, bleibt bestenfalls Zitat in Wittenbrinks Szenario: ein komischer Alter, der immer noch mit Franz Lehars "Soldat am Wolgastrand" leidet, und ein Sohn, Waldorflehrers Filius, der sich bei diesen laschen Papis naturgemäß immer nur langweilt und noch nicht mal weiß, wie er die Kellnerin vernünftig anbalzen soll. Später möchte er dann immerhin die Ostseestrandburgen der Reichen und Schicken in die Luft sprengen.

    Ein Käfig voller Looser also - und nirgends eine Chance für diese Pappkameraden, wie sie Popsongs doch gemeinhin bieten, noch mal von vorne anzufangen, noch mal einen anderen, einen neuen Weg zu finden. Das nämlich hätten selbst diese männlichen Flaschen verdient.